Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweites Kapitel.

"Man hänge z. B. ein Gefäss an einem sehr langen
Faden auf, drehe denselben beständig im Kreise herum,
bis der Faden durch die Drehung sehr steif wird;
hierauf fülle man es mit Wasser und halte es zugleich
mit letzterm in Ruhe. Wird es nun durch eine plötz-
lich wirkende Kraft in entgegengesetzte Kreisbewegung
gesetzt und hält diese, während der Faden sich ablöst,
längere Zeit an, so wird die Oberfläche des Wassers
anfangs eben sein, wie vor der Bewegung des Gefässes,
hierauf, wenn die Kraft allmählich auf das Wasser ein-
wirkt, bewirkt das Gefäss, dass dieses (das Wasser)
merklich sich umzudrehen anfängt. Es entfernt sich
nach und nach von der Mitte und steigt an den Wän-
den des Gefässes in die Höhe, indem es eine hohle
Form annimmt. (Diesen Versuch habe ich selbst ge-
macht.)

-- -- "Im Anfang als die relative Bewegung des
Wassers im Gefäss am grössten war, verursachte die-
selbe kein Bestreben, sich von der Axe zu entfernen.
Das Wasser suchte nicht, sich dem Umfang zu nähern,
indem es an den Wänden emporstieg, sondern blieb
eben, und die wahre kreisförmige Bewegung hatte da-
her noch nicht begonnen. Nachher aber, als die rela-
tive Bewegung des Wassers abnahm, deutete sein Auf-
steigen an den Wänden des Gefässes das Bestreben
an, von der Axe zurückzuweichen, und dieses Bestreben
zeigte die stets wachsende wahre Kreisbewegung des
Wassers an, bis diese endlich am grössten wurde, wenn
das Wasser selbst relativ im Gefäss ruhte. -- --

"Die wahren Bewegungen der einzelnen Körper zu
erkennen und von den scheinbaren zu unterscheiden,
ist übrigens sehr schwer, weil die Theile jenes unbe-
weglichen Raumes, in denen die Körper sich wahrhaft
bewegen, nicht sinnlich erkannt werden können.

"Die Sache ist jedoch nicht gänzlich hoffnungslos.
Es ergeben sich nämlich die erforderlichen Hülfsmittel,
theils aus den scheinbaren Bewegungen, welche die
Unterschiede der wahren sind, theils aus den Kräften,

Zweites Kapitel.

„Man hänge z. B. ein Gefäss an einem sehr langen
Faden auf, drehe denselben beständig im Kreise herum,
bis der Faden durch die Drehung sehr steif wird;
hierauf fülle man es mit Wasser und halte es zugleich
mit letzterm in Ruhe. Wird es nun durch eine plötz-
lich wirkende Kraft in entgegengesetzte Kreisbewegung
gesetzt und hält diese, während der Faden sich ablöst,
längere Zeit an, so wird die Oberfläche des Wassers
anfangs eben sein, wie vor der Bewegung des Gefässes,
hierauf, wenn die Kraft allmählich auf das Wasser ein-
wirkt, bewirkt das Gefäss, dass dieses (das Wasser)
merklich sich umzudrehen anfängt. Es entfernt sich
nach und nach von der Mitte und steigt an den Wän-
den des Gefässes in die Höhe, indem es eine hohle
Form annimmt. (Diesen Versuch habe ich selbst ge-
macht.)

— — „Im Anfang als die relative Bewegung des
Wassers im Gefäss am grössten war, verursachte die-
selbe kein Bestreben, sich von der Axe zu entfernen.
Das Wasser suchte nicht, sich dem Umfang zu nähern,
indem es an den Wänden emporstieg, sondern blieb
eben, und die wahre kreisförmige Bewegung hatte da-
her noch nicht begonnen. Nachher aber, als die rela-
tive Bewegung des Wassers abnahm, deutete sein Auf-
steigen an den Wänden des Gefässes das Bestreben
an, von der Axe zurückzuweichen, und dieses Bestreben
zeigte die stets wachsende wahre Kreisbewegung des
Wassers an, bis diese endlich am grössten wurde, wenn
das Wasser selbst relativ im Gefäss ruhte. — —

„Die wahren Bewegungen der einzelnen Körper zu
erkennen und von den scheinbaren zu unterscheiden,
ist übrigens sehr schwer, weil die Theile jenes unbe-
weglichen Raumes, in denen die Körper sich wahrhaft
bewegen, nicht sinnlich erkannt werden können.

„Die Sache ist jedoch nicht gänzlich hoffnungslos.
Es ergeben sich nämlich die erforderlichen Hülfsmittel,
theils aus den scheinbaren Bewegungen, welche die
Unterschiede der wahren sind, theils aus den Kräften,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0224" n="212"/>
          <fw place="top" type="header">Zweites Kapitel.</fw><lb/>
          <p>&#x201E;Man hänge z. B. ein Gefäss an einem sehr langen<lb/>
Faden auf, drehe denselben beständig im Kreise herum,<lb/>
bis der Faden durch die Drehung sehr steif wird;<lb/>
hierauf fülle man es mit Wasser und halte es zugleich<lb/>
mit letzterm in Ruhe. Wird es nun durch eine plötz-<lb/>
lich wirkende Kraft in entgegengesetzte Kreisbewegung<lb/>
gesetzt und hält diese, während der Faden sich ablöst,<lb/>
längere Zeit an, so wird die Oberfläche des Wassers<lb/>
anfangs eben sein, wie vor der Bewegung des Gefässes,<lb/>
hierauf, wenn die Kraft allmählich auf das Wasser ein-<lb/>
wirkt, bewirkt das Gefäss, dass dieses (das Wasser)<lb/>
merklich sich umzudrehen anfängt. Es entfernt sich<lb/>
nach und nach von der Mitte und steigt an den Wän-<lb/>
den des Gefässes in die Höhe, indem es eine hohle<lb/>
Form annimmt. (Diesen Versuch habe ich selbst ge-<lb/>
macht.)</p><lb/>
          <p>&#x2014; &#x2014; &#x201E;Im Anfang als die <hi rendition="#g">relative</hi> Bewegung des<lb/>
Wassers im Gefäss am grössten war, verursachte die-<lb/>
selbe kein Bestreben, sich von der Axe zu entfernen.<lb/>
Das Wasser suchte nicht, sich dem Umfang zu nähern,<lb/>
indem es an den Wänden emporstieg, sondern blieb<lb/>
eben, und die <hi rendition="#g">wahre</hi> kreisförmige Bewegung hatte da-<lb/>
her noch nicht begonnen. Nachher aber, als die rela-<lb/>
tive Bewegung des Wassers abnahm, deutete sein Auf-<lb/>
steigen an den Wänden des Gefässes das Bestreben<lb/>
an, von der Axe zurückzuweichen, und dieses Bestreben<lb/>
zeigte die stets wachsende <hi rendition="#g">wahre</hi> Kreisbewegung des<lb/>
Wassers an, bis diese endlich am grössten wurde, wenn<lb/>
das Wasser selbst <hi rendition="#g">relativ</hi> im Gefäss ruhte. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die <hi rendition="#g">wahren</hi> Bewegungen der einzelnen Körper zu<lb/>
erkennen und von den <hi rendition="#g">scheinbaren</hi> zu unterscheiden,<lb/>
ist übrigens sehr schwer, weil die Theile jenes unbe-<lb/>
weglichen Raumes, in denen die Körper sich wahrhaft<lb/>
bewegen, nicht sinnlich erkannt werden können.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die Sache ist jedoch nicht gänzlich hoffnungslos.<lb/>
Es ergeben sich nämlich die erforderlichen Hülfsmittel,<lb/>
theils aus den scheinbaren Bewegungen, welche die<lb/>
Unterschiede der wahren sind, theils aus den Kräften,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0224] Zweites Kapitel. „Man hänge z. B. ein Gefäss an einem sehr langen Faden auf, drehe denselben beständig im Kreise herum, bis der Faden durch die Drehung sehr steif wird; hierauf fülle man es mit Wasser und halte es zugleich mit letzterm in Ruhe. Wird es nun durch eine plötz- lich wirkende Kraft in entgegengesetzte Kreisbewegung gesetzt und hält diese, während der Faden sich ablöst, längere Zeit an, so wird die Oberfläche des Wassers anfangs eben sein, wie vor der Bewegung des Gefässes, hierauf, wenn die Kraft allmählich auf das Wasser ein- wirkt, bewirkt das Gefäss, dass dieses (das Wasser) merklich sich umzudrehen anfängt. Es entfernt sich nach und nach von der Mitte und steigt an den Wän- den des Gefässes in die Höhe, indem es eine hohle Form annimmt. (Diesen Versuch habe ich selbst ge- macht.) — — „Im Anfang als die relative Bewegung des Wassers im Gefäss am grössten war, verursachte die- selbe kein Bestreben, sich von der Axe zu entfernen. Das Wasser suchte nicht, sich dem Umfang zu nähern, indem es an den Wänden emporstieg, sondern blieb eben, und die wahre kreisförmige Bewegung hatte da- her noch nicht begonnen. Nachher aber, als die rela- tive Bewegung des Wassers abnahm, deutete sein Auf- steigen an den Wänden des Gefässes das Bestreben an, von der Axe zurückzuweichen, und dieses Bestreben zeigte die stets wachsende wahre Kreisbewegung des Wassers an, bis diese endlich am grössten wurde, wenn das Wasser selbst relativ im Gefäss ruhte. — — „Die wahren Bewegungen der einzelnen Körper zu erkennen und von den scheinbaren zu unterscheiden, ist übrigens sehr schwer, weil die Theile jenes unbe- weglichen Raumes, in denen die Körper sich wahrhaft bewegen, nicht sinnlich erkannt werden können. „Die Sache ist jedoch nicht gänzlich hoffnungslos. Es ergeben sich nämlich die erforderlichen Hülfsmittel, theils aus den scheinbaren Bewegungen, welche die Unterschiede der wahren sind, theils aus den Kräften,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/224
Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/224>, abgerufen am 23.11.2024.