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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Die Entwickelung der Principien der Dynamik.
der gewöhnliche Begriff "Geschwindigkeit" hat also in
diesem Fall keinen bestimmten Sinn. Betrachtet man
aber das Wachsthum des Weges in einem hinreichend
kleinen Zeitelement, wobei das Curvenelement in 2 sich
der Geraden nähert, so kann man dasselbe als gleich-
förmig ansehen. Man kann dann als Geschwindigkeit
in diesem Bewegungselement den Quotienten [Formel 1] des Zeit-
elementes in das zugehörige Wegelement definiren. Noch
genauer definirt man die Geschwindigkeit in einem
Moment als den Grenzwerth, welchen der Quotient [Formel 2]
bei unendlich klein werdenden Elementen annimmt,
welchen man durch [Formel 3] bezeichnet. Dieser neue Begriff
enthält den frühem als speciellen Fall in sich, und er
ist ohne weiteres auch auf die gleichförmige Bewegung
anwendbar. Wenngleich die ausdrückliche Formulirung
dieses erweiterten Begriffes erst lange nach Galilei
stattgefunden hat, so sieht man doch, dass er diesen
Begriff in seinen Gedanken anwendet.

13. Ein ganz neuer Begriff, auf den Galilei geführt
wurde, war der Begriff Beschleunigung. Bei der
gleichförmig beschleunigten Bewegung wachsen die Ge-
schwindigkeiten mit der Zeit nach demselben Gesetz,
wie bei der gleichförmigen die Wege mit den Zeiten.
Nennen wir v die nach der Zeit t erlangte Geschwin-
digkeit, so ist v=gt. Hierbei bedeutet g den Ge-
schwindigkeitszuwachs in der Zeiteinheit oder die Be-
schleunigung, die man auch durch die Gleichung
g= erhält. Dieser Begriff der Beschleunigung musste
eine ähnliche Erweiterung erfahren wie der Begriff der
Geschwindigkeit, als man anfing, ungleichförmig be-
schleunigte Bewegungen zu untersuchen. Denken wir
uns in 1 und 2 wieder die Zeiten als Abscissen, aber
die Geschwindigkeiten als Ordinaten aufgetragen,

Die Entwickelung der Principien der Dynamik.
der gewöhnliche Begriff „Geschwindigkeit‟ hat also in
diesem Fall keinen bestimmten Sinn. Betrachtet man
aber das Wachsthum des Weges in einem hinreichend
kleinen Zeitelement, wobei das Curvenelement in 2 sich
der Geraden nähert, so kann man dasselbe als gleich-
förmig ansehen. Man kann dann als Geschwindigkeit
in diesem Bewegungselement den Quotienten [Formel 1] des Zeit-
elementes in das zugehörige Wegelement definiren. Noch
genauer definirt man die Geschwindigkeit in einem
Moment als den Grenzwerth, welchen der Quotient [Formel 2]
bei unendlich klein werdenden Elementen annimmt,
welchen man durch [Formel 3] bezeichnet. Dieser neue Begriff
enthält den frühem als speciellen Fall in sich, und er
ist ohne weiteres auch auf die gleichförmige Bewegung
anwendbar. Wenngleich die ausdrückliche Formulirung
dieses erweiterten Begriffes erst lange nach Galilei
stattgefunden hat, so sieht man doch, dass er diesen
Begriff in seinen Gedanken anwendet.

13. Ein ganz neuer Begriff, auf den Galilei geführt
wurde, war der Begriff Beschleunigung. Bei der
gleichförmig beschleunigten Bewegung wachsen die Ge-
schwindigkeiten mit der Zeit nach demselben Gesetz,
wie bei der gleichförmigen die Wege mit den Zeiten.
Nennen wir v die nach der Zeit t erlangte Geschwin-
digkeit, so ist v=gt. Hierbei bedeutet g den Ge-
schwindigkeitszuwachs in der Zeiteinheit oder die Be-
schleunigung, die man auch durch die Gleichung
g= erhält. Dieser Begriff der Beschleunigung musste
eine ähnliche Erweiterung erfahren wie der Begriff der
Geschwindigkeit, als man anfing, ungleichförmig be-
schleunigte Bewegungen zu untersuchen. Denken wir
uns in 1 und 2 wieder die Zeiten als Abscissen, aber
die Geschwindigkeiten als Ordinaten aufgetragen,

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[133/0145] Die Entwickelung der Principien der Dynamik. der gewöhnliche Begriff „Geschwindigkeit‟ hat also in diesem Fall keinen bestimmten Sinn. Betrachtet man aber das Wachsthum des Weges in einem hinreichend kleinen Zeitelement, wobei das Curvenelement in 2 sich der Geraden nähert, so kann man dasselbe als gleich- förmig ansehen. Man kann dann als Geschwindigkeit in diesem Bewegungselement den Quotienten [FORMEL] des Zeit- elementes in das zugehörige Wegelement definiren. Noch genauer definirt man die Geschwindigkeit in einem Moment als den Grenzwerth, welchen der Quotient [FORMEL] bei unendlich klein werdenden Elementen annimmt, welchen man durch [FORMEL] bezeichnet. Dieser neue Begriff enthält den frühem als speciellen Fall in sich, und er ist ohne weiteres auch auf die gleichförmige Bewegung anwendbar. Wenngleich die ausdrückliche Formulirung dieses erweiterten Begriffes erst lange nach Galilei stattgefunden hat, so sieht man doch, dass er diesen Begriff in seinen Gedanken anwendet. 13. Ein ganz neuer Begriff, auf den Galilei geführt wurde, war der Begriff Beschleunigung. Bei der gleichförmig beschleunigten Bewegung wachsen die Ge- schwindigkeiten mit der Zeit nach demselben Gesetz, wie bei der gleichförmigen die Wege mit den Zeiten. Nennen wir v die nach der Zeit t erlangte Geschwin- digkeit, so ist v=gt. Hierbei bedeutet g den Ge- schwindigkeitszuwachs in der Zeiteinheit oder die Be- schleunigung, die man auch durch die Gleichung g=[FORMEL] erhält. Dieser Begriff der Beschleunigung musste eine ähnliche Erweiterung erfahren wie der Begriff der Geschwindigkeit, als man anfing, ungleichförmig be- schleunigte Bewegungen zu untersuchen. Denken wir uns in 1 und 2 wieder die Zeiten als Abscissen, aber die Geschwindigkeiten als Ordinaten aufgetragen,

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/145>, abgerufen am 24.11.2024.