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Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674.

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Die andere Betrachtung.
wie sonsten die Schrifft saget: Er wische ab die
Threnen von unsern Augen. Wie geschicht das
aber? Das geschicht nicht allein/ wenn er die
Ursach eines betrübten Hertzens hinweg nimmt/
nemlich die Trübsal/ die uns traurig und betrübt
machet/ sondern auch/ wenn er mitten in der
Trübsal uns begabet mit einem freudigen Geist.
Unser Liebster weidet unter den Lilien im Lust-
garten; Wenn denn die Seele betrübt um den
Lustgarten herum gehet/ und klaget ihr Leid/ so
lässt der Liebhaber der Seelen außfahren den
Odem seines Mundes/ und bläset sie an mit sei-
nem Geist/ der führet den Geruch der Lilien mit
sich/ das durchdringet das Hertz. Also wird der
tröstliche Geist Christi wie ein lieblicher Wind/
der durch einen wohlriechenden Gewürtz-Gar-
ten uns unter Augen wehet/ und den lieblichen
Geruch deß Gewürtz-Gartens mit sich führet.
Da vertreibet die himmlische Freude alles Hertz-
leid. Du Herr bists auch/ der meine Füsse reisset
vom Gleiten. Wir gehen auff schlüpffrigen
Wege/ in grosser Leibes und Seelen-Gefahr.
Es ist um ein geringes zu thun/ so fallen wir in
grosse Leibes-Noth/ darauß uns niemand helffen
kan; Es ist leicht geschehen/ so fallen wir in Aer-
gerniß/ und wohl gar in die Grube deß Verder-
bens. In den hohen gefährlichen Anfechtungen

ist
O o iij

Die andere Betrachtung.
wie ſonſten die Schrifft ſaget: Er wiſche ab die
Threnen von unſern Augen. Wie geſchicht das
aber? Das geſchicht nicht allein/ wenn er die
Urſach eines betrübten Hertzens hinweg nimmt/
nemlich die Trübſal/ die uns traurig und betrübt
machet/ ſondern auch/ wenn er mitten in der
Trübſal uns begabet mit einem freudigen Geiſt.
Unſer Liebſter weidet unter den Lilien im Luſt-
garten; Wenn denn die Seele betrübt um den
Luſtgarten herum gehet/ und klaget ihr Leid/ ſo
läſſt der Liebhaber der Seelen außfahren den
Odem ſeines Mundes/ und bläſet ſie an mit ſei-
nem Geiſt/ der führet den Geruch der Lilien mit
ſich/ das durchdringet das Hertz. Alſo wird der
tröſtliche Geiſt Chriſti wie ein lieblicher Wind/
der durch einen wohlriechenden Gewürtz-Gar-
ten uns unter Augen wehet/ und den lieblichen
Geruch deß Gewürtz-Gartens mit ſich führet.
Da vertreibet die himmliſche Freude alles Hertz-
leid. Du Herr biſts auch/ der meine Füſſe reiſſet
vom Gleiten. Wir gehen auff ſchlüpffrigen
Wege/ in groſſer Leibes und Seelen-Gefahr.
Es iſt um ein geringes zu thun/ ſo fallen wir in
groſſe Leibes-Noth/ darauß uns niemand helffen
kan; Es iſt leicht geſchehen/ ſo fallen wir in Aer-
gerniß/ und wohl gar in die Grube deß Verder-
bens. In den hohen gefährlichen Anfechtungen

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[581/0604] Die andere Betrachtung. wie ſonſten die Schrifft ſaget: Er wiſche ab die Threnen von unſern Augen. Wie geſchicht das aber? Das geſchicht nicht allein/ wenn er die Urſach eines betrübten Hertzens hinweg nimmt/ nemlich die Trübſal/ die uns traurig und betrübt machet/ ſondern auch/ wenn er mitten in der Trübſal uns begabet mit einem freudigen Geiſt. Unſer Liebſter weidet unter den Lilien im Luſt- garten; Wenn denn die Seele betrübt um den Luſtgarten herum gehet/ und klaget ihr Leid/ ſo läſſt der Liebhaber der Seelen außfahren den Odem ſeines Mundes/ und bläſet ſie an mit ſei- nem Geiſt/ der führet den Geruch der Lilien mit ſich/ das durchdringet das Hertz. Alſo wird der tröſtliche Geiſt Chriſti wie ein lieblicher Wind/ der durch einen wohlriechenden Gewürtz-Gar- ten uns unter Augen wehet/ und den lieblichen Geruch deß Gewürtz-Gartens mit ſich führet. Da vertreibet die himmliſche Freude alles Hertz- leid. Du Herr biſts auch/ der meine Füſſe reiſſet vom Gleiten. Wir gehen auff ſchlüpffrigen Wege/ in groſſer Leibes und Seelen-Gefahr. Es iſt um ein geringes zu thun/ ſo fallen wir in groſſe Leibes-Noth/ darauß uns niemand helffen kan; Es iſt leicht geſchehen/ ſo fallen wir in Aer- gerniß/ und wohl gar in die Grube deß Verder- bens. In den hohen gefährlichen Anfechtungen iſt O o iij

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Zitationshilfe: Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/luettkemann_harpffe_1674/604>, abgerufen am 22.11.2024.