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Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674.

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über den 92. Psalm
und Blindheit! GOtt im Himmel thut grosse
Dinge unter den Menschen-Kindern/ und
meints so gar gut/ und ein Mensch achtets nicht.
Was sie thun/ das muß köstlich Ding seyn/ aber
was GOtt thut/ muß der Würde nicht seyn/
daß sie daran gedencken/ oder es hoch achten. Es
liegen an dieser Seuche kranck alle Menschen
von Natur/ 1. Cor. 2. v. 14: Der natürlicher
Mensch vernimmet nichts vom Geist Got-
tes/ es ist ihm eine Thorheit/ und kan es nicht
erkennen/ denn es muß geistlich gerichtet
seyn.
Es irret hie aber mancher frommer
Christ auß Unverstand in Einfalt/ dem es gehet
wie Petro/ als derselbe hörete/ was Christus
von seinem Leiden predigte. Er könte sich nicht
darinn richten/ daß es wohl gethan wäre/ wenn
Christus dem Creutz willig unter Augen gieng/
drum sprach er: HErr/ schone dein selbst/ das
widerfahr dir ja nicht
/ Matth. 16. v. 22.
Mancher höret und siehets daß ihm GOtt ein
Creutz anbeut/ kans aber nicht verstehen/ wozu
es nütz ist/ und spricht: Ey HErr/ schone mei-
ner/ das widerfahre mir ja nicht. Wir sehen
nur auff den Anfang der Wercke GOttes/ und
nicht auffs Ende/ daher verstehen wir GOttes
Wercke nicht. Mancher aber ist unverstän-
dig auß Faulheit und Boßheit/ und siehet Got-

tes

über den 92. Pſalm
und Blindheit! GOtt im Himmel thut groſſe
Dinge unter den Menſchen-Kindern/ und
meints ſo gar gut/ und ein Menſch achtets nicht.
Was ſie thun/ das muß köſtlich Ding ſeyn/ aber
was GOtt thut/ muß der Würde nicht ſeyn/
daß ſie daran gedencken/ oder es hoch achten. Es
liegen an dieſer Seuche kranck alle Menſchen
von Natur/ 1. Cor. 2. v. 14: Der natürlicher
Menſch vernimmet nichts vom Geiſt Got-
tes/ es iſt ihm eine Thorheit/ und kan es nicht
erkennen/ denn es muß geiſtlich gerichtet
ſeyn.
Es irret hie aber mancher frommer
Chriſt auß Unverſtand in Einfalt/ dem es gehet
wie Petro/ als derſelbe hörete/ was Chriſtus
von ſeinem Leiden predigte. Er könte ſich nicht
darinn richten/ daß es wohl gethan wäre/ wenn
Chriſtus dem Creutz willig unter Augen gieng/
drum ſprach er: HErr/ ſchone dein ſelbſt/ das
widerfahr dir ja nicht
/ Matth. 16. v. 22.
Mancher höret und ſiehets daß ihm GOtt ein
Creutz anbeut/ kans aber nicht verſtehen/ wozu
es nütz iſt/ und ſpricht: Ey HErr/ ſchone mei-
ner/ das widerfahre mir ja nicht. Wir ſehen
nur auff den Anfang der Wercke GOttes/ und
nicht auffs Ende/ daher verſtehen wir GOttes
Wercke nicht. Mancher aber iſt unverſtän-
dig auß Faulheit und Boßheit/ und ſiehet Got-

tes
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[520/0543] über den 92. Pſalm und Blindheit! GOtt im Himmel thut groſſe Dinge unter den Menſchen-Kindern/ und meints ſo gar gut/ und ein Menſch achtets nicht. Was ſie thun/ das muß köſtlich Ding ſeyn/ aber was GOtt thut/ muß der Würde nicht ſeyn/ daß ſie daran gedencken/ oder es hoch achten. Es liegen an dieſer Seuche kranck alle Menſchen von Natur/ 1. Cor. 2. v. 14: Der natürlicher Menſch vernimmet nichts vom Geiſt Got- tes/ es iſt ihm eine Thorheit/ und kan es nicht erkennen/ denn es muß geiſtlich gerichtet ſeyn. Es irret hie aber mancher frommer Chriſt auß Unverſtand in Einfalt/ dem es gehet wie Petro/ als derſelbe hörete/ was Chriſtus von ſeinem Leiden predigte. Er könte ſich nicht darinn richten/ daß es wohl gethan wäre/ wenn Chriſtus dem Creutz willig unter Augen gieng/ drum ſprach er: HErr/ ſchone dein ſelbſt/ das widerfahr dir ja nicht/ Matth. 16. v. 22. Mancher höret und ſiehets daß ihm GOtt ein Creutz anbeut/ kans aber nicht verſtehen/ wozu es nütz iſt/ und ſpricht: Ey HErr/ ſchone mei- ner/ das widerfahre mir ja nicht. Wir ſehen nur auff den Anfang der Wercke GOttes/ und nicht auffs Ende/ daher verſtehen wir GOttes Wercke nicht. Mancher aber iſt unverſtän- dig auß Faulheit und Boßheit/ und ſiehet Got- tes

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Zitationshilfe: Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/luettkemann_harpffe_1674/543>, abgerufen am 22.11.2024.