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Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674.

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über den 68. Psalm
stehet mehrentheils auff Muthmassung. So
gut wirs empfangen/ so gut wollen wirs mitthei-
len/ biß der heilige Geist etwas gewissers geben
wird.

Das Rohr bedeutet nicht allein Schilff und
Rohr/ wie es an sumpffichten und wässerich-
ten Oertern wächset/ sondern auch/ was auß
Rohr gemacht wird. Denn weil in den Ori-
entalischen Oertern es lang und starck Rohr
gibt/ hat man darauß nicht allein Pfeiffen/ son-
dern auch Spieß und Lantzen gemacht. So
mag man durch das Thier deß Rohrs verstehen
Pfeiffer/ die müssen denn ein Fürbilde der Ket-
zer seyn/ welche den Leuten ihre falsche Lehre lieb-
lich und anmuthig machen. Man mag auch
verstehen Leute/ die Spiesse und Lantzen tragen/
das ist ein Krieges-Heer/ das wider GOtt und
seine Gesalbten zu Felde ziehet. Ich halte es
aber fürs einfältigste zu seyn/ daß man durchs
Rohr verstehe die unbeständige Welt-Kinder/
nach der Art/ wie Christus vom Johanne redet/
wollet ihr ein Rohr sehen/ das vom Win-
de hin und her getrieben wird?
Matth. 11.
v.
7. Und das schicket sich nicht uneben. Ein
Rohr ist inwendig hohl/ und außwendig trä-
gets keine Früchte: Die Welt-Kinder seynd in-
wendig leer/ an recht Christlichen Tugenden/

den

über den 68. Pſalm
ſtehet mehrentheils auff Muthmaſſung. So
gut wirs empfangen/ ſo gut wollen wirs mitthei-
len/ biß der heilige Geiſt etwas gewiſſers geben
wird.

Das Rohr bedeutet nicht allein Schilff und
Rohr/ wie es an ſumpffichten und wäſſerich-
ten Oertern wächſet/ ſondern auch/ was auß
Rohr gemacht wird. Denn weil in den Ori-
entaliſchen Oertern es lang und ſtarck Rohr
gibt/ hat man darauß nicht allein Pfeiffen/ ſon-
dern auch Spieß und Lantzen gemacht. So
mag man durch das Thier deß Rohrs verſtehen
Pfeiffer/ die müſſen denn ein Fürbilde der Ket-
zer ſeyn/ welche den Leuten ihre falſche Lehre lieb-
lich und anmuthig machen. Man mag auch
verſtehen Leute/ die Spieſſe und Lantzen tragen/
das iſt ein Krieges-Heer/ das wider GOtt und
ſeine Geſalbten zu Felde ziehet. Ich halte es
aber fürs einfältigſte zu ſeyn/ daß man durchs
Rohr verſtehe die unbeſtändige Welt-Kinder/
nach der Art/ wie Chriſtus vom Johanne redet/
wollet ihr ein Rohr ſehen/ das vom Win-
de hin und her getrieben wird?
Matth. 11.
v.
7. Und das ſchicket ſich nicht uneben. Ein
Rohr iſt inwendig hohl/ und außwendig trä-
gets keine Früchte: Die Welt-Kinder ſeynd in-
wendig leer/ an recht Chriſtlichen Tugenden/

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[404/0427] über den 68. Pſalm ſtehet mehrentheils auff Muthmaſſung. So gut wirs empfangen/ ſo gut wollen wirs mitthei- len/ biß der heilige Geiſt etwas gewiſſers geben wird. Das Rohr bedeutet nicht allein Schilff und Rohr/ wie es an ſumpffichten und wäſſerich- ten Oertern wächſet/ ſondern auch/ was auß Rohr gemacht wird. Denn weil in den Ori- entaliſchen Oertern es lang und ſtarck Rohr gibt/ hat man darauß nicht allein Pfeiffen/ ſon- dern auch Spieß und Lantzen gemacht. So mag man durch das Thier deß Rohrs verſtehen Pfeiffer/ die müſſen denn ein Fürbilde der Ket- zer ſeyn/ welche den Leuten ihre falſche Lehre lieb- lich und anmuthig machen. Man mag auch verſtehen Leute/ die Spieſſe und Lantzen tragen/ das iſt ein Krieges-Heer/ das wider GOtt und ſeine Geſalbten zu Felde ziehet. Ich halte es aber fürs einfältigſte zu ſeyn/ daß man durchs Rohr verſtehe die unbeſtändige Welt-Kinder/ nach der Art/ wie Chriſtus vom Johanne redet/ wollet ihr ein Rohr ſehen/ das vom Win- de hin und her getrieben wird? Matth. 11. v. 7. Und das ſchicket ſich nicht uneben. Ein Rohr iſt inwendig hohl/ und außwendig trä- gets keine Früchte: Die Welt-Kinder ſeynd in- wendig leer/ an recht Chriſtlichen Tugenden/ den

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Zitationshilfe: Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/luettkemann_harpffe_1674/427>, abgerufen am 22.11.2024.