Lütkemann, Joachim: Apostolische Auffmu[n]terung zum Lebendigen Glauben in Christo Jesu. Frankfurt (Main) u. a., 1652.daß ich gantz wol ohne Heucheley mit Paulo sprechen kan: Ich bin der allergrösseste vnter allen Sündern. Wann solch demütiges Erkäntnüß bey vns ist / ists vns nicht zu wider / wenn jemand / ja wenn alle Welt vns gering schätzet; vnd halten vns gern herunter zu den niedrigen. O du edles Kleinod / wo soll man dich finden! Der vierdte Schmuck heisset Sanfftmuth vnd Langmuth / vnd ist eine solche Verträgligkeit / daß man andern viele zu gute hält / vnd da man schon zu Zorn vnd Rachgier geneiget / daß man die Natur zäme vnd bezwinge. Mancher kan nicht ertragen / so nicht alles gehet nach seinem Kopff / viel weniger kan er mit Gedult leiden / so jhm Leid geschicht. Mancher hasset nicht allein im Hertzen / sondern lässet seinen vngehaltenen Zorn sehen vnd hören in Worten vnd Wercken / fluchet vnd schläget. Mancher verbirget den Zorn / erträget das böse / gedenckt aber dabey: Ich will diß nun leiden / es soll sich aber zu seiner Zeit wol finden. Aber wo Sanfftmuth vnd Langmuth herrschet / da erträget man nicht allein / was nicht nach vnserm Kopff geschicht / sondern wann vns auch Leid geschicht. Sanfftmuth macht / daß wir nicht allein das böse ertragen vnd leiden / sondern daß wir auch nicht gedencken vns zu rächen / vnd böses zu vergelten. Sanfftmuth wünschet / daß es vngerochen bleibe / wann vns böses wiederfähret / vnd daß der Sünder gebessert werde. Sanfftmuth weiß wol / daß wir hie in dieser Welt nicht vnter lauter heiligen Engeln leben / sie bedenckt / daß wir auch nicht allzeit thun / das einem jeglichen wolgefällt. Zu dieser Tugend vermahnet vns hie absonderlich der Heilige Geist / mit diesen Worten: Einer vertrage den andern /V. 13. vnd vergebet euch vnter einander / so jemand Klage hat wider den andern / gleich wie Christus euch vergeben hat / also auch jhr. Es ist leicht geschehen / daß einer über den andern zu klagen hat. Wenn solches nun geschicht / was sollen wir daß ich gantz wol ohne Heucheley mit Paulo sprechen kan: Ich bin der allergrösseste vnter allen Sündern. Wann solch demütiges Erkäntnüß bey vns ist / ists vns nicht zu wider / wenn jemand / ja wenn alle Welt vns gering schätzet; vnd halten vns gern herunter zu den niedrigen. O du edles Kleinod / wo soll man dich finden! Der vierdte Schmuck heisset Sanfftmuth vnd Langmuth / vnd ist eine solche Verträgligkeit / daß man andern viele zu gute hält / vnd da man schon zu Zorn vnd Rachgier geneiget / daß man die Natur zäme vnd bezwinge. Mancher kan nicht ertragen / so nicht alles gehet nach seinem Kopff / viel weniger kan er mit Gedult leiden / so jhm Leid geschicht. Mancher hasset nicht allein im Hertzen / sondern lässet seinen vngehaltenen Zorn sehen vnd hören in Worten vnd Wercken / fluchet vnd schläget. Mancher verbirget den Zorn / erträget das böse / gedenckt aber dabey: Ich will diß nun leiden / es soll sich aber zu seiner Zeit wol finden. Aber wo Sanfftmuth vnd Langmuth herrschet / da erträget man nicht allein / was nicht nach vnserm Kopff geschicht / sondern wann vns auch Leid geschicht. Sanfftmuth macht / daß wir nicht allein das böse ertragen vnd leiden / sondern daß wir auch nicht gedencken vns zu rächen / vnd böses zu vergelten. Sanfftmuth wünschet / daß es vngerochen bleibe / wann vns böses wiederfähret / vnd daß der Sünder gebessert werde. Sanfftmuth weiß wol / daß wir hie in dieser Welt nicht vnter lauter heiligen Engeln leben / sie bedenckt / daß wir auch nicht allzeit thun / das einem jeglichen wolgefällt. Zu dieser Tugend vermahnet vns hie absonderlich der Heilige Geist / mit diesen Worten: Einer vertrage den andern /V. 13. vnd vergebet euch vnter einander / so jemand Klage hat wider den andern / gleich wie Christus euch vergeben hat / also auch jhr. 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Mancher verbirget den Zorn / erträget das böse / gedenckt aber dabey: Ich will diß nun leiden / es soll sich aber zu seiner Zeit wol finden. Aber wo Sanfftmuth vnd Langmuth herrschet / da erträget man nicht allein / was nicht nach vnserm Kopff geschicht / sondern wann vns auch Leid geschicht. Sanfftmuth macht / daß wir nicht allein das böse ertragen vnd leiden / sondern daß wir auch nicht gedencken vns zu rächen / vnd böses zu vergelten. Sanfftmuth wünschet / daß es vngerochen bleibe / wann vns böses wiederfähret / vnd daß der Sünder gebessert werde. Sanfftmuth weiß wol / daß wir hie in dieser Welt nicht vnter lauter heiligen Engeln leben / sie bedenckt / daß wir auch nicht allzeit thun / das einem jeglichen wolgefällt.</p> <p>Zu dieser Tugend vermahnet vns hie absonderlich der Heilige Geist / mit diesen Worten: Einer vertrage den andern /<note place="right">V. 13.</note> vnd vergebet euch vnter einander / so jemand Klage hat wider den andern / gleich wie Christus euch vergeben hat / also auch jhr. Es ist leicht geschehen / daß einer über den andern zu klagen hat. Wenn solches nun geschicht / was sollen wir </p> </div> </body> </text> </TEI> [307/0327]
daß ich gantz wol ohne Heucheley mit Paulo sprechen kan: Ich bin der allergrösseste vnter allen Sündern. Wann solch demütiges Erkäntnüß bey vns ist / ists vns nicht zu wider / wenn jemand / ja wenn alle Welt vns gering schätzet; vnd halten vns gern herunter zu den niedrigen. O du edles Kleinod / wo soll man dich finden!
Der vierdte Schmuck heisset Sanfftmuth vnd Langmuth / vnd ist eine solche Verträgligkeit / daß man andern viele zu gute hält / vnd da man schon zu Zorn vnd Rachgier geneiget / daß man die Natur zäme vnd bezwinge. Mancher kan nicht ertragen / so nicht alles gehet nach seinem Kopff / viel weniger kan er mit Gedult leiden / so jhm Leid geschicht. Mancher hasset nicht allein im Hertzen / sondern lässet seinen vngehaltenen Zorn sehen vnd hören in Worten vnd Wercken / fluchet vnd schläget. Mancher verbirget den Zorn / erträget das böse / gedenckt aber dabey: Ich will diß nun leiden / es soll sich aber zu seiner Zeit wol finden. Aber wo Sanfftmuth vnd Langmuth herrschet / da erträget man nicht allein / was nicht nach vnserm Kopff geschicht / sondern wann vns auch Leid geschicht. Sanfftmuth macht / daß wir nicht allein das böse ertragen vnd leiden / sondern daß wir auch nicht gedencken vns zu rächen / vnd böses zu vergelten. Sanfftmuth wünschet / daß es vngerochen bleibe / wann vns böses wiederfähret / vnd daß der Sünder gebessert werde. Sanfftmuth weiß wol / daß wir hie in dieser Welt nicht vnter lauter heiligen Engeln leben / sie bedenckt / daß wir auch nicht allzeit thun / das einem jeglichen wolgefällt.
Zu dieser Tugend vermahnet vns hie absonderlich der Heilige Geist / mit diesen Worten: Einer vertrage den andern / vnd vergebet euch vnter einander / so jemand Klage hat wider den andern / gleich wie Christus euch vergeben hat / also auch jhr. Es ist leicht geschehen / daß einer über den andern zu klagen hat. Wenn solches nun geschicht / was sollen wir
V. 13.
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Zitationshilfe: | Lütkemann, Joachim: Apostolische Auffmu[n]terung zum Lebendigen Glauben in Christo Jesu. Frankfurt (Main) u. a., 1652, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/luetkemann_auffmunterung_1652/327>, abgerufen am 03.07.2024. |