Die Grundzahlen für die obige Tabelle wurden nicht dadurch erhalten, dass die- selben Individuen zu verschiedenen Lebensaltern, sondern dadurch, dass verschiedene in verschiedenen Lebensaltern stehende Menschen gewogen und gemessen wurden. Obwohl die Zahl der Individuen, aus welchen das Mittel abgeleitet wurde, nicht un- beträchtlich ist, so ist doch noch immer gerechte Besorgniss zu hegen, dass diese Mittelzahlen im günstigsten Falle die Wachsthumserscheinungen eines einzigen Landes oder Landstriches darstellen.
Demnach ist der absolute Werth der Längenzunahme beim männ- lichen Geschlechte in den ersten Jahren am grössten, nimmt von da an ab bis zum vierten und bleibt dann annähernd constant bis zum 16., von wo eine rasche Abnahme erfolgt; beim Weibe erfolgt die Längen- zunahme bis zum 14. Jahre analog der des Mannes, wenn ihr absolu- ter Werth auch um ein kleines geringer ist; vom 14. Jahre an sinkt aber das Wachsthum rasch ab. -- Die proportionale Gewichtszunahme ist in den ersten Jahren des Lebens sehr bedeutend, dann nimmt sie ab, steigt beim Manne und beim Weibe um die Pubertätsentwickelung wieder an und dauert, wenn auch im sinkenden Maasse, noch fort, wenn das Wachsthum beendet ist, so dass Männer meist im 40. und Frauen erst im 50. Lebensjahre das Maximum ihres Gewichtes erreichen. Daraus lässt sich erkennen, dass die Ausdehnung des menschlichen Körpers nach Länge und Breite wesentlich von einander unabhängig sind.
Quetellet, Villerme und Cowell haben die für das Längen- wachsthum der einzelnen Individuen gewonnenen Zahlen auch noch zu anderen Zusammenstellungen benutzt, aus denen sich zu ergeben scheint: die Individuen der ärmeren Klasse sind bei gleichem Alter kleiner, als die der wohlhabenden. Dieses gilt nicht allein für Bewohner eines Land- striches (Brüssel und seine Umgegend), sondern auch für die verschie- denen Viertel einer Stadt (Paris); Stadt- und Landleben oder auch ver- schiedene Beschäftigungsarten scheinen dagegen keinen Einfluss zu üben. Die Zeit, welche auf die Vollendung des Wachsthums verwendet wird, ist in südlichen Gegenden (in Städten und Niederungen?) am geringsten. Mehr als alles dieses mag die Menschenrace resp. die ursprüngliche An- lage des Menschen auf die räumlichen und zeitweisen Verhältnisse des Wachsthumes von Einfluss sein.
An der Umfangszunahme, welche der menschliche Körper während des Wachsthums erfährt, betheiligen sich nicht alle Theile gleichmässig. Vorzugsweise scheint sie dem Skelett, den Muskeln und der Haut zu Gute zu kommen, so dass mit dem steigenden Alter einzelne Organe trotz absoluter Vergrösserung relativ zum Gesammtgewichte des Körpers doch abnehmen. Wir entlehnen um diese zu veranschaulichen den Wägungen von Huschke und Reid folgende Zahlen; die Zahlen unter den be- treffenden Organen drücken das Gewicht derselben aus, vorausgesetzt, dass das des Gesammtkörpers = 1 angenommen wird.
Wachsthum.
Die Grundzahlen für die obige Tabelle wurden nicht dadurch erhalten, dass die- selben Individuen zu verschiedenen Lebensaltern, sondern dadurch, dass verschiedene in verschiedenen Lebensaltern stehende Menschen gewogen und gemessen wurden. Obwohl die Zahl der Individuen, aus welchen das Mittel abgeleitet wurde, nicht un- beträchtlich ist, so ist doch noch immer gerechte Besorgniss zu hegen, dass diese Mittelzahlen im günstigsten Falle die Wachsthumserscheinungen eines einzigen Landes oder Landstriches darstellen.
Demnach ist der absolute Werth der Längenzunahme beim männ- lichen Geschlechte in den ersten Jahren am grössten, nimmt von da an ab bis zum vierten und bleibt dann annähernd constant bis zum 16., von wo eine rasche Abnahme erfolgt; beim Weibe erfolgt die Längen- zunahme bis zum 14. Jahre analog der des Mannes, wenn ihr absolu- ter Werth auch um ein kleines geringer ist; vom 14. Jahre an sinkt aber das Wachsthum rasch ab. — Die proportionale Gewichtszunahme ist in den ersten Jahren des Lebens sehr bedeutend, dann nimmt sie ab, steigt beim Manne und beim Weibe um die Pubertätsentwickelung wieder an und dauert, wenn auch im sinkenden Maasse, noch fort, wenn das Wachsthum beendet ist, so dass Männer meist im 40. und Frauen erst im 50. Lebensjahre das Maximum ihres Gewichtes erreichen. Daraus lässt sich erkennen, dass die Ausdehnung des menschlichen Körpers nach Länge und Breite wesentlich von einander unabhängig sind.
Quetellet, Villermé und Cowell haben die für das Längen- wachsthum der einzelnen Individuen gewonnenen Zahlen auch noch zu anderen Zusammenstellungen benutzt, aus denen sich zu ergeben scheint: die Individuen der ärmeren Klasse sind bei gleichem Alter kleiner, als die der wohlhabenden. Dieses gilt nicht allein für Bewohner eines Land- striches (Brüssel und seine Umgegend), sondern auch für die verschie- denen Viertel einer Stadt (Paris); Stadt- und Landleben oder auch ver- schiedene Beschäftigungsarten scheinen dagegen keinen Einfluss zu üben. Die Zeit, welche auf die Vollendung des Wachsthums verwendet wird, ist in südlichen Gegenden (in Städten und Niederungen?) am geringsten. Mehr als alles dieses mag die Menschenrace resp. die ursprüngliche An- lage des Menschen auf die räumlichen und zeitweisen Verhältnisse des Wachsthumes von Einfluss sein.
An der Umfangszunahme, welche der menschliche Körper während des Wachsthums erfährt, betheiligen sich nicht alle Theile gleichmässig. Vorzugsweise scheint sie dem Skelett, den Muskeln und der Haut zu Gute zu kommen, so dass mit dem steigenden Alter einzelne Organe trotz absoluter Vergrösserung relativ zum Gesammtgewichte des Körpers doch abnehmen. Wir entlehnen um diese zu veranschaulichen den Wägungen von Huschke und Reid folgende Zahlen; die Zahlen unter den be- treffenden Organen drücken das Gewicht derselben aus, vorausgesetzt, dass das des Gesammtkörpers = 1 angenommen wird.
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Wachsthum.
Die Grundzahlen für die obige Tabelle wurden nicht dadurch erhalten, dass die-
selben Individuen zu verschiedenen Lebensaltern, sondern dadurch, dass verschiedene
in verschiedenen Lebensaltern stehende Menschen gewogen und gemessen wurden.
Obwohl die Zahl der Individuen, aus welchen das Mittel abgeleitet wurde, nicht un-
beträchtlich ist, so ist doch noch immer gerechte Besorgniss zu hegen, dass diese
Mittelzahlen im günstigsten Falle die Wachsthumserscheinungen eines einzigen Landes
oder Landstriches darstellen.
Demnach ist der absolute Werth der Längenzunahme beim männ-
lichen Geschlechte in den ersten Jahren am grössten, nimmt von da an
ab bis zum vierten und bleibt dann annähernd constant bis zum 16.,
von wo eine rasche Abnahme erfolgt; beim Weibe erfolgt die Längen-
zunahme bis zum 14. Jahre analog der des Mannes, wenn ihr absolu-
ter Werth auch um ein kleines geringer ist; vom 14. Jahre an sinkt
aber das Wachsthum rasch ab. — Die proportionale Gewichtszunahme
ist in den ersten Jahren des Lebens sehr bedeutend, dann nimmt sie
ab, steigt beim Manne und beim Weibe um die Pubertätsentwickelung
wieder an und dauert, wenn auch im sinkenden Maasse, noch fort, wenn
das Wachsthum beendet ist, so dass Männer meist im 40. und Frauen
erst im 50. Lebensjahre das Maximum ihres Gewichtes erreichen. Daraus
lässt sich erkennen, dass die Ausdehnung des menschlichen Körpers nach
Länge und Breite wesentlich von einander unabhängig sind.
Quetellet, Villermé und Cowell haben die für das Längen-
wachsthum der einzelnen Individuen gewonnenen Zahlen auch noch zu
anderen Zusammenstellungen benutzt, aus denen sich zu ergeben scheint:
die Individuen der ärmeren Klasse sind bei gleichem Alter kleiner, als
die der wohlhabenden. Dieses gilt nicht allein für Bewohner eines Land-
striches (Brüssel und seine Umgegend), sondern auch für die verschie-
denen Viertel einer Stadt (Paris); Stadt- und Landleben oder auch ver-
schiedene Beschäftigungsarten scheinen dagegen keinen Einfluss zu üben.
Die Zeit, welche auf die Vollendung des Wachsthums verwendet wird,
ist in südlichen Gegenden (in Städten und Niederungen?) am geringsten.
Mehr als alles dieses mag die Menschenrace resp. die ursprüngliche An-
lage des Menschen auf die räumlichen und zeitweisen Verhältnisse des
Wachsthumes von Einfluss sein.
An der Umfangszunahme, welche der menschliche Körper während
des Wachsthums erfährt, betheiligen sich nicht alle Theile gleichmässig.
Vorzugsweise scheint sie dem Skelett, den Muskeln und der Haut zu Gute
zu kommen, so dass mit dem steigenden Alter einzelne Organe trotz
absoluter Vergrösserung relativ zum Gesammtgewichte des Körpers doch
abnehmen. Wir entlehnen um diese zu veranschaulichen den Wägungen
von Huschke und Reid folgende Zahlen; die Zahlen unter den be-
treffenden Organen drücken das Gewicht derselben aus, vorausgesetzt,
dass das des Gesammtkörpers = 1 angenommen wird.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/471>, abgerufen am 22.11.2024.
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