Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Eintritt in die Anfänge der Chylusgefässe.
und mikroskopische feste Körperchen in das Innere der Schleimhaut und
von da in die Chylusgefässe eintreten.

Wir behandeln zuerst die Aufnahme des Fettes. Früher wurde mit-
getheilt, dass die Fette im Magen verflüssigt und zu grösseren Tropfen
vereinigt werden, und dass keine Anzeichen bestehen, welche auf ein
Eingehen des Fettes in die Magenwand hinweisen. Im Dünndarme
dagegen wurden die flüssigen Fette in ungemein feine Tröpfchen ver-
theilt, und zugleich hat, wie hier zuerst hervorgehoben wird, die mi-
kroskopische Untersuchung gezeigt, dass diese Tröpfchen mit chemisch
unveränderten Eigenschaften in die Epithelialzellen und von dort in das
Gewebe der Zotten gelangen, und zwar unter Umständen so reichlich,
dass Epithelialhöhlen und Zottenräume von dicht gedrängten Fettkügel-
chen gefüllt sind. Da man niemals die Aufnahme des Fettes beobachtet
hat ohne die vorgängige Zertheilung desselben in Tröpfchen, so betrach-
tet man die Emulgirung des Fettes als die erste Bedingung der Fett-
aufsaugung. Die Bedingungen, welche diese Fettzertheilung zu Stande
bringen und erhalten, sind zu suchen in den feinen Unebenheiten, mit
denen die Darmoberfläche versehen ist, indem dieselben, wie höchst
wahrscheinlich, dazu dienen, um die grösseren Tropfen in kleinere zu
spalten, wenn jene durch die peristaltischen Bewegungen auf der Darm-
oberfläche hergepresst werden. Die Wiedervereinigung der kleineren zu
grösseren Tröpfchen wird aber unmöglich gemacht durch die reichliche
Anwesenheit schleimiger Flüssigkeiten, welche die Darmoberfläche be-
netzen. Ueber den Antheil, welchen die verschiedenen, in den Darm
ergossenen Säfte an dieser emulgirenden Wirkung besitzen, ist einige Zeit
hindurch Controverse gewesen, indem Cl. Bernard *) die Behauptung auf-
stellte, dass vorzugsweise nur dem pankreatischen Safte die bezeichnete
Eigenschaft zukomme. Die Erfahrungen von Frerichs, Bidder,
Schmidt, Weinmann, Herbst
**) u. A. haben jedoch unzweifelhaft
dargethan, dass nach Unterbindung der Pankreasgänge, nach Ausrottung
der Drüsen oder Ableitung des Saftes durch eine Fistel die Aufsaugung
des Fettes ungestört ihren Fortgang nimmt. Demnach müssen auch andere
Verdauungssäfte und insbesondere die schleimhaltige Galle und der Darmsaft
emulgirend wirken, eine Behauptung, deren Richtigkeit leicht bestätigt wer-
den kann durch Schütteln eines Gemenges der bezeichneten Drüsensäfte mit
flüssigen Fetten. -- Viel dunkeler als die feine Vertheilung des Fettes ist
jedoch die zweite Seite unseres Herganges, die nemlich, wie die Tröpf-
chen durch die Epithelialzellen hindurch in das Zottengewebe eingehen.
Scheiden wir das, was thatsächlich zur Aufklärung dieses Prozesses ge-
than, von dem, was man vermuthungsweise darüber ausgesprochen, so

*) Compt. rend. XXVIII. 249. u. 283.
**) Bidder u. Schmidt, Verdauungssäfte. p. 252. -- Weinmann, Henle's u. Pfeufer's
Zeitschrift. N. F. III. 247. -- Herbst, ibid. 389.

Eintritt in die Anfänge der Chylusgefässe.
und mikroskopische feste Körperchen in das Innere der Schleimhaut und
von da in die Chylusgefässe eintreten.

Wir behandeln zuerst die Aufnahme des Fettes. Früher wurde mit-
getheilt, dass die Fette im Magen verflüssigt und zu grösseren Tropfen
vereinigt werden, und dass keine Anzeichen bestehen, welche auf ein
Eingehen des Fettes in die Magenwand hinweisen. Im Dünndarme
dagegen wurden die flüssigen Fette in ungemein feine Tröpfchen ver-
theilt, und zugleich hat, wie hier zuerst hervorgehoben wird, die mi-
kroskopische Untersuchung gezeigt, dass diese Tröpfchen mit chemisch
unveränderten Eigenschaften in die Epithelialzellen und von dort in das
Gewebe der Zotten gelangen, und zwar unter Umständen so reichlich,
dass Epithelialhöhlen und Zottenräume von dicht gedrängten Fettkügel-
chen gefüllt sind. Da man niemals die Aufnahme des Fettes beobachtet
hat ohne die vorgängige Zertheilung desselben in Tröpfchen, so betrach-
tet man die Emulgirung des Fettes als die erste Bedingung der Fett-
aufsaugung. Die Bedingungen, welche diese Fettzertheilung zu Stande
bringen und erhalten, sind zu suchen in den feinen Unebenheiten, mit
denen die Darmoberfläche versehen ist, indem dieselben, wie höchst
wahrscheinlich, dazu dienen, um die grösseren Tropfen in kleinere zu
spalten, wenn jene durch die peristaltischen Bewegungen auf der Darm-
oberfläche hergepresst werden. Die Wiedervereinigung der kleineren zu
grösseren Tröpfchen wird aber unmöglich gemacht durch die reichliche
Anwesenheit schleimiger Flüssigkeiten, welche die Darmoberfläche be-
netzen. Ueber den Antheil, welchen die verschiedenen, in den Darm
ergossenen Säfte an dieser emulgirenden Wirkung besitzen, ist einige Zeit
hindurch Controverse gewesen, indem Cl. Bernard *) die Behauptung auf-
stellte, dass vorzugsweise nur dem pankreatischen Safte die bezeichnete
Eigenschaft zukomme. Die Erfahrungen von Frerichs, Bidder,
Schmidt, Weinmann, Herbst
**) u. A. haben jedoch unzweifelhaft
dargethan, dass nach Unterbindung der Pankreasgänge, nach Ausrottung
der Drüsen oder Ableitung des Saftes durch eine Fistel die Aufsaugung
des Fettes ungestört ihren Fortgang nimmt. Demnach müssen auch andere
Verdauungssäfte und insbesondere die schleimhaltige Galle und der Darmsaft
emulgirend wirken, eine Behauptung, deren Richtigkeit leicht bestätigt wer-
den kann durch Schütteln eines Gemenges der bezeichneten Drüsensäfte mit
flüssigen Fetten. — Viel dunkeler als die feine Vertheilung des Fettes ist
jedoch die zweite Seite unseres Herganges, die nemlich, wie die Tröpf-
chen durch die Epithelialzellen hindurch in das Zottengewebe eingehen.
Scheiden wir das, was thatsächlich zur Aufklärung dieses Prozesses ge-
than, von dem, was man vermuthungsweise darüber ausgesprochen, so

*) Compt. rend. XXVIII. 249. u. 283.
**) Bidder u. Schmidt, Verdauungssäfte. p. 252. — Weinmann, Henle’s u. Pfeufer’s
Zeitschrift. N. F. III. 247. — Herbst, ibid. 389.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0436" n="420"/><fw place="top" type="header">Eintritt in die Anfänge der Chylusgefässe.</fw><lb/>
und mikroskopische feste Körperchen in das Innere der Schleimhaut und<lb/>
von da in die Chylusgefässe eintreten.</p><lb/>
              <p>Wir behandeln zuerst die Aufnahme des Fettes. Früher wurde mit-<lb/>
getheilt, dass die Fette im Magen verflüssigt und zu grösseren Tropfen<lb/>
vereinigt werden, und dass keine Anzeichen bestehen, welche auf ein<lb/>
Eingehen des Fettes in die Magenwand hinweisen. Im Dünndarme<lb/>
dagegen wurden die flüssigen Fette in ungemein feine Tröpfchen ver-<lb/>
theilt, und zugleich hat, wie hier zuerst hervorgehoben wird, die mi-<lb/>
kroskopische Untersuchung gezeigt, dass diese Tröpfchen mit chemisch<lb/>
unveränderten Eigenschaften in die Epithelialzellen und von dort in das<lb/>
Gewebe der Zotten gelangen, und zwar unter Umständen so reichlich,<lb/>
dass Epithelialhöhlen und Zottenräume von dicht gedrängten Fettkügel-<lb/>
chen gefüllt sind. Da man niemals die Aufnahme des Fettes beobachtet<lb/>
hat ohne die vorgängige Zertheilung desselben in Tröpfchen, so betrach-<lb/>
tet man die Emulgirung des Fettes als die erste Bedingung der Fett-<lb/>
aufsaugung. Die Bedingungen, welche diese Fettzertheilung zu Stande<lb/>
bringen und erhalten, sind zu suchen in den feinen Unebenheiten, mit<lb/>
denen die Darmoberfläche versehen ist, indem dieselben, wie höchst<lb/>
wahrscheinlich, dazu dienen, um die grösseren Tropfen in kleinere zu<lb/>
spalten, wenn jene durch die peristaltischen Bewegungen auf der Darm-<lb/>
oberfläche hergepresst werden. Die Wiedervereinigung der kleineren zu<lb/>
grösseren Tröpfchen wird aber unmöglich gemacht durch die reichliche<lb/>
Anwesenheit schleimiger Flüssigkeiten, welche die Darmoberfläche be-<lb/>
netzen. Ueber den Antheil, welchen die verschiedenen, in den Darm<lb/>
ergossenen Säfte an dieser emulgirenden Wirkung besitzen, ist einige Zeit<lb/>
hindurch Controverse gewesen, indem Cl. <hi rendition="#g">Bernard</hi> <note place="foot" n="*)">Compt. rend. XXVIII. 249. u. 283.</note> die Behauptung auf-<lb/>
stellte, dass vorzugsweise nur dem pankreatischen Safte die bezeichnete<lb/>
Eigenschaft zukomme. Die Erfahrungen von <hi rendition="#g">Frerichs, Bidder,<lb/>
Schmidt, Weinmann, Herbst</hi> <note place="foot" n="**)"><hi rendition="#g">Bidder u. Schmidt,</hi> Verdauungssäfte. p. 252. &#x2014; <hi rendition="#g">Weinmann, Henle&#x2019;s u. Pfeufer&#x2019;s</hi><lb/>
Zeitschrift. N. F. III. 247. &#x2014; <hi rendition="#g">Herbst,</hi> ibid. 389.</note> u. A. haben jedoch unzweifelhaft<lb/>
dargethan, dass nach Unterbindung der Pankreasgänge, nach Ausrottung<lb/>
der Drüsen oder Ableitung des Saftes durch eine Fistel die Aufsaugung<lb/>
des Fettes ungestört ihren Fortgang nimmt. Demnach müssen auch andere<lb/>
Verdauungssäfte und insbesondere die schleimhaltige Galle und der Darmsaft<lb/>
emulgirend wirken, eine Behauptung, deren Richtigkeit leicht bestätigt wer-<lb/>
den kann durch Schütteln eines Gemenges der bezeichneten Drüsensäfte mit<lb/>
flüssigen Fetten. &#x2014; Viel dunkeler als die feine Vertheilung des Fettes ist<lb/>
jedoch die zweite Seite unseres Herganges, die nemlich, wie die Tröpf-<lb/>
chen durch die Epithelialzellen hindurch in das Zottengewebe eingehen.<lb/>
Scheiden wir das, was thatsächlich zur Aufklärung dieses Prozesses ge-<lb/>
than, von dem, was man vermuthungsweise darüber ausgesprochen, so<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[420/0436] Eintritt in die Anfänge der Chylusgefässe. und mikroskopische feste Körperchen in das Innere der Schleimhaut und von da in die Chylusgefässe eintreten. Wir behandeln zuerst die Aufnahme des Fettes. Früher wurde mit- getheilt, dass die Fette im Magen verflüssigt und zu grösseren Tropfen vereinigt werden, und dass keine Anzeichen bestehen, welche auf ein Eingehen des Fettes in die Magenwand hinweisen. Im Dünndarme dagegen wurden die flüssigen Fette in ungemein feine Tröpfchen ver- theilt, und zugleich hat, wie hier zuerst hervorgehoben wird, die mi- kroskopische Untersuchung gezeigt, dass diese Tröpfchen mit chemisch unveränderten Eigenschaften in die Epithelialzellen und von dort in das Gewebe der Zotten gelangen, und zwar unter Umständen so reichlich, dass Epithelialhöhlen und Zottenräume von dicht gedrängten Fettkügel- chen gefüllt sind. Da man niemals die Aufnahme des Fettes beobachtet hat ohne die vorgängige Zertheilung desselben in Tröpfchen, so betrach- tet man die Emulgirung des Fettes als die erste Bedingung der Fett- aufsaugung. Die Bedingungen, welche diese Fettzertheilung zu Stande bringen und erhalten, sind zu suchen in den feinen Unebenheiten, mit denen die Darmoberfläche versehen ist, indem dieselben, wie höchst wahrscheinlich, dazu dienen, um die grösseren Tropfen in kleinere zu spalten, wenn jene durch die peristaltischen Bewegungen auf der Darm- oberfläche hergepresst werden. Die Wiedervereinigung der kleineren zu grösseren Tröpfchen wird aber unmöglich gemacht durch die reichliche Anwesenheit schleimiger Flüssigkeiten, welche die Darmoberfläche be- netzen. Ueber den Antheil, welchen die verschiedenen, in den Darm ergossenen Säfte an dieser emulgirenden Wirkung besitzen, ist einige Zeit hindurch Controverse gewesen, indem Cl. Bernard *) die Behauptung auf- stellte, dass vorzugsweise nur dem pankreatischen Safte die bezeichnete Eigenschaft zukomme. Die Erfahrungen von Frerichs, Bidder, Schmidt, Weinmann, Herbst **) u. A. haben jedoch unzweifelhaft dargethan, dass nach Unterbindung der Pankreasgänge, nach Ausrottung der Drüsen oder Ableitung des Saftes durch eine Fistel die Aufsaugung des Fettes ungestört ihren Fortgang nimmt. Demnach müssen auch andere Verdauungssäfte und insbesondere die schleimhaltige Galle und der Darmsaft emulgirend wirken, eine Behauptung, deren Richtigkeit leicht bestätigt wer- den kann durch Schütteln eines Gemenges der bezeichneten Drüsensäfte mit flüssigen Fetten. — Viel dunkeler als die feine Vertheilung des Fettes ist jedoch die zweite Seite unseres Herganges, die nemlich, wie die Tröpf- chen durch die Epithelialzellen hindurch in das Zottengewebe eingehen. Scheiden wir das, was thatsächlich zur Aufklärung dieses Prozesses ge- than, von dem, was man vermuthungsweise darüber ausgesprochen, so *) Compt. rend. XXVIII. 249. u. 283. **) Bidder u. Schmidt, Verdauungssäfte. p. 252. — Weinmann, Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. III. 247. — Herbst, ibid. 389.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/436
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/436>, abgerufen am 06.05.2024.