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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Verdauung durch den Labsaft.
ferner nur so lange die Eiweiss- und Leimstoffe auflösen, als er Pepsin
von den Eigenschaften enthält, die es im frischen Zustande darbietet. Diese
Bedingung wird aber aufgehoben durch die Anwesenheit von conzentrir-
ten Säuren, verdünnter Gerb-, schwefeliger, arseniger Säure, Metallsalzen,
Alaun, Kreosot, conzentrirten Lösungen der Metallsalze, conzentrirten Al-
kohol, durch einmaliges Kochen des Labsaftes und endlich, was physio-
logisch besonders bedeutungsvoll ist, dadurch, dass er zur Auflösung
relativ grosser Gewichtsmassen der bezeichneten Nahrungsstoffe mitgewirkt
hat. Rücksichtlich dieses letzteren Punktes steht zunächst fest, dass der
Labsaft im Verlaufe der Auflösung allmählig seine verdauenden Wirkungen
verliert, selbst wenn der Verlust an Säure fortlaufend wieder ersetzt wird.
Daraus schliesst man wohl mit Recht, dass das Pepsin, indem es die
fraglichen Nahrungsstoffe umwandelt, allmählig selbst umgesetzt wird.
Die Gewichtsmenge von Pepsin, welche hierbei verbraucht wird, ist aller-
dings gering; denn es war, wie Frerichs beobachtete, ein Labsaft mit
0,25 Gr. festem Rückstand, der ausser Pepsin auch noch sicherlich aus
Salzen bestand, vermögend, 20 Gr. trockenen Eiweisses in Lösung zu
versetzen. -- 3) Der Labsaft wirkt weiterhin nur in bestimmten Tem-
peraturgrenzen kräftig verdauend; am kräftigsten bei der Normaltempera-
tur des menschlichen Körpers, also zwischen + 35° und 40° C. Ober-
halb der bezeichneten Grade büsst er sehr rasch seine umsetzenden Kräfte
ein. -- 4) Die Salze des Labsaftes und die häufig vorkommenden Ver-
unreinigungen desselben durch Fette und lösliche Kohlenhydrate haben,
so weit bekannt, im verdünnten Zustande keinen Einfluss auf den Lösungs-
prozess (Lehmann).

Aus allen diesem zieht man den Schluss, dass der Auflösungs- und
Umsetzungsprozess der Eiweiss- und Leimstoffe eine Gährung eigenthüm-
licher Art sei, die als spezifisch charakteristirt ist durch die Gegenwart
des fermentirenden Pepsins, das seine Wirksamkeit in einer säuerlichen
Lösung entfaltet.

b. Das im Blutserum und den Hühnereiern gelöst enthaltene Eiweiss
wird bei Vermischung mit säuerlichem Labsafte getrübt; aus der Mischung
kann es einige Zeit nachher nicht mehr durch Siedehitze gefällt werden,
es soll zugleich leichter thierische Häute auf dem Wege der Diffusion
durchdringen (Mialhe)*).

c. Das gelöste Casein der Milch wird durch den Inhalt der Labdrüsen
gefällt; bei einer Temperatur, die 30 bis 40° nicht übersteigt, muss, damit
diese Reaktion eintritt, der Labsaft sauer sein; ein wohl ausgewaschenes
neutrales Stück Magenschleimhaut bringt darum die Milch in dieser Tempe-
ratur nicht eher zum Gerinnen, als bis durch die eingeleitete Gährung Milch-
säure erzeugt ist. In einer Temperatur zwischen 50 und 60° C. gerinnt

*) Donders, Handleiding etc. II. Deel. p. 203.

Verdauung durch den Labsaft.
ferner nur so lange die Eiweiss- und Leimstoffe auflösen, als er Pepsin
von den Eigenschaften enthält, die es im frischen Zustande darbietet. Diese
Bedingung wird aber aufgehoben durch die Anwesenheit von conzentrir-
ten Säuren, verdünnter Gerb-, schwefeliger, arseniger Säure, Metallsalzen,
Alaun, Kreosot, conzentrirten Lösungen der Metallsalze, conzentrirten Al-
kohol, durch einmaliges Kochen des Labsaftes und endlich, was physio-
logisch besonders bedeutungsvoll ist, dadurch, dass er zur Auflösung
relativ grosser Gewichtsmassen der bezeichneten Nahrungsstoffe mitgewirkt
hat. Rücksichtlich dieses letzteren Punktes steht zunächst fest, dass der
Labsaft im Verlaufe der Auflösung allmählig seine verdauenden Wirkungen
verliert, selbst wenn der Verlust an Säure fortlaufend wieder ersetzt wird.
Daraus schliesst man wohl mit Recht, dass das Pepsin, indem es die
fraglichen Nahrungsstoffe umwandelt, allmählig selbst umgesetzt wird.
Die Gewichtsmenge von Pepsin, welche hierbei verbraucht wird, ist aller-
dings gering; denn es war, wie Frerichs beobachtete, ein Labsaft mit
0,25 Gr. festem Rückstand, der ausser Pepsin auch noch sicherlich aus
Salzen bestand, vermögend, 20 Gr. trockenen Eiweisses in Lösung zu
versetzen. — 3) Der Labsaft wirkt weiterhin nur in bestimmten Tem-
peraturgrenzen kräftig verdauend; am kräftigsten bei der Normaltempera-
tur des menschlichen Körpers, also zwischen + 35° und 40° C. Ober-
halb der bezeichneten Grade büsst er sehr rasch seine umsetzenden Kräfte
ein. — 4) Die Salze des Labsaftes und die häufig vorkommenden Ver-
unreinigungen desselben durch Fette und lösliche Kohlenhydrate haben,
so weit bekannt, im verdünnten Zustande keinen Einfluss auf den Lösungs-
prozess (Lehmann).

Aus allen diesem zieht man den Schluss, dass der Auflösungs- und
Umsetzungsprozess der Eiweiss- und Leimstoffe eine Gährung eigenthüm-
licher Art sei, die als spezifisch charakteristirt ist durch die Gegenwart
des fermentirenden Pepsins, das seine Wirksamkeit in einer säuerlichen
Lösung entfaltet.

b. Das im Blutserum und den Hühnereiern gelöst enthaltene Eiweiss
wird bei Vermischung mit säuerlichem Labsafte getrübt; aus der Mischung
kann es einige Zeit nachher nicht mehr durch Siedehitze gefällt werden,
es soll zugleich leichter thierische Häute auf dem Wege der Diffusion
durchdringen (Mialhe)*).

c. Das gelöste Casein der Milch wird durch den Inhalt der Labdrüsen
gefällt; bei einer Temperatur, die 30 bis 40° nicht übersteigt, muss, damit
diese Reaktion eintritt, der Labsaft sauer sein; ein wohl ausgewaschenes
neutrales Stück Magenschleimhaut bringt darum die Milch in dieser Tempe-
ratur nicht eher zum Gerinnen, als bis durch die eingeleitete Gährung Milch-
säure erzeugt ist. In einer Temperatur zwischen 50 und 60° C. gerinnt

*) Donders, Handleiding etc. II. Deel. p. 203.
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[406/0422] Verdauung durch den Labsaft. ferner nur so lange die Eiweiss- und Leimstoffe auflösen, als er Pepsin von den Eigenschaften enthält, die es im frischen Zustande darbietet. Diese Bedingung wird aber aufgehoben durch die Anwesenheit von conzentrir- ten Säuren, verdünnter Gerb-, schwefeliger, arseniger Säure, Metallsalzen, Alaun, Kreosot, conzentrirten Lösungen der Metallsalze, conzentrirten Al- kohol, durch einmaliges Kochen des Labsaftes und endlich, was physio- logisch besonders bedeutungsvoll ist, dadurch, dass er zur Auflösung relativ grosser Gewichtsmassen der bezeichneten Nahrungsstoffe mitgewirkt hat. Rücksichtlich dieses letzteren Punktes steht zunächst fest, dass der Labsaft im Verlaufe der Auflösung allmählig seine verdauenden Wirkungen verliert, selbst wenn der Verlust an Säure fortlaufend wieder ersetzt wird. Daraus schliesst man wohl mit Recht, dass das Pepsin, indem es die fraglichen Nahrungsstoffe umwandelt, allmählig selbst umgesetzt wird. Die Gewichtsmenge von Pepsin, welche hierbei verbraucht wird, ist aller- dings gering; denn es war, wie Frerichs beobachtete, ein Labsaft mit 0,25 Gr. festem Rückstand, der ausser Pepsin auch noch sicherlich aus Salzen bestand, vermögend, 20 Gr. trockenen Eiweisses in Lösung zu versetzen. — 3) Der Labsaft wirkt weiterhin nur in bestimmten Tem- peraturgrenzen kräftig verdauend; am kräftigsten bei der Normaltempera- tur des menschlichen Körpers, also zwischen + 35° und 40° C. Ober- halb der bezeichneten Grade büsst er sehr rasch seine umsetzenden Kräfte ein. — 4) Die Salze des Labsaftes und die häufig vorkommenden Ver- unreinigungen desselben durch Fette und lösliche Kohlenhydrate haben, so weit bekannt, im verdünnten Zustande keinen Einfluss auf den Lösungs- prozess (Lehmann). Aus allen diesem zieht man den Schluss, dass der Auflösungs- und Umsetzungsprozess der Eiweiss- und Leimstoffe eine Gährung eigenthüm- licher Art sei, die als spezifisch charakteristirt ist durch die Gegenwart des fermentirenden Pepsins, das seine Wirksamkeit in einer säuerlichen Lösung entfaltet. b. Das im Blutserum und den Hühnereiern gelöst enthaltene Eiweiss wird bei Vermischung mit säuerlichem Labsafte getrübt; aus der Mischung kann es einige Zeit nachher nicht mehr durch Siedehitze gefällt werden, es soll zugleich leichter thierische Häute auf dem Wege der Diffusion durchdringen (Mialhe) *). c. Das gelöste Casein der Milch wird durch den Inhalt der Labdrüsen gefällt; bei einer Temperatur, die 30 bis 40° nicht übersteigt, muss, damit diese Reaktion eintritt, der Labsaft sauer sein; ein wohl ausgewaschenes neutrales Stück Magenschleimhaut bringt darum die Milch in dieser Tempe- ratur nicht eher zum Gerinnen, als bis durch die eingeleitete Gährung Milch- säure erzeugt ist. In einer Temperatur zwischen 50 und 60° C. gerinnt *) Donders, Handleiding etc. II. Deel. p. 203.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/422>, abgerufen am 22.11.2024.