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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Gesammtgaswechsel.

Schwefelwasserstoff, obwohl wahrscheinlich vorhanden, ist bis jetzt noch nicht
aufgefunden. Die Ausscheidung von Ammoniak ist behauptet (Marchand) und be-
stritten (Regnault, Reuling).

2. Die Qualität und Quantität der ausgehauchten und aufgenomme-
nen Gase steht in innigster Beziehung zur Nahrung. Stickstoff wird in
beträchtlichster Menge ausgestossen nach reiner Fleischdiät, in geringer
Menge nach dem Genusse von Brod; dieses Gas wird dagegen aus der
Atmosphäre während des Hungerns aufgenommen. -- Von der gesammten
Menge des aufgenommenen Sauerstoffs ist nach Brodnahrung bis zu 0,9,
nach Fleischnahrung und Hungern bis zu 0,7 und nach sehr fetthaltiger
Nahrung 0,6 in der ausgeschiedenen CO2 wieder enthalten. Diese That-
sachen erlauben die Ableitung, dass ein grosser Theil der aufgenomme-
nen Nahrung alsbald dem Oxydationsprozesse verfalle, dessen Endprodukte
auch wieder ausgeschieden werden. Der Theil des aufgenommenen Sauer-
stoffs, welcher sich unter den Auswürflingen nicht wieder mit Kohlen-
säure vereinigt findet, ist natürlich verwendet worden zur Herstellung
anderer Verbindungen. Unter der obigen Voraussetzung muss aber dieser
letztere Antheil des verzehrten Sauerstoffs nach fettreichen Mahlzeiten
grösser als nach brodreichen sein. Denn das Brod besteht vorzugsweise
aus Kohlenhydraten, d. h. aus Verbindungen, welche neben Kohlenstoff
Wasser und Sauerstoff und zwar in einem solchen Verhältniss enthalten,
wie sie zur Wasserbildung nothwendig sind, während der in den Fetten
enthaltene Sauerstoff nicht hinreicht, um ihren Wasserstoff zu Wasser
zu verbrennen. Erfolgt also eine totale Verbrennung der Kohlenhydrate
und Fette zu CO2 und HO, so kann in dem einen Fall aller vorhandene
freie Sauerstoff nur zur Oxydation des C, in dem andern aber muss er
gleichzeitig zur CO2- und HObildung verwendet werden. Dieser Schluss,
dass die aufgenommenen Nahrungsmittel kurze Zeit nach ihrer Aufnahme
der Oxydation anheim fallen, wird bestätigt durch das Verhalten des
Stickstoffs bei der Athmung, indem nach dem Genusse der relativ stick-
stoffreichen Fleischnahrung die Aushauchung desselben ihr Maximum
erreicht, während bei Brod- und Fettnahrung entweder sehr wenig oder
gar nichts von demselben gasförmig ausgestossen wird.

Diese Erfahrung, dass sich nemlich die Bildung der Athmungsgase
qualitativ anschliesst an die Zusammensetzung der Nahrungsmittel, hat wie
es scheint auch ohne weitere direkte Versuche die allerdings wahrscheinliche
Annahme erzeugt, dass mit der Vermehrung der Nahrungsmittel die absolute
Menge der ausgeathmeten Gase und des eingeathmeten Sauerstoffs steige.

3. Rücksichtlich der Beziehung zwischen Athmung und Körpergewicht
ist thatsächlich festgestellt, dass bei zureichender Nahrung und sonst
gleichen Umständen die Menge des eingeathmeten Sauerstoffs (Regnault,
Reiset
) und der ausgeathmeten CO2 dem Körpergewicht nicht genau
proportional steigt. Namentlich bilden Säugethiere von geringem Gewichte

Gesammtgaswechsel.

Schwefelwasserstoff, obwohl wahrscheinlich vorhanden, ist bis jetzt noch nicht
aufgefunden. Die Ausscheidung von Ammoniak ist behauptet (Marchand) und be-
stritten (Regnault, Reuling).

2. Die Qualität und Quantität der ausgehauchten und aufgenomme-
nen Gase steht in innigster Beziehung zur Nahrung. Stickstoff wird in
beträchtlichster Menge ausgestossen nach reiner Fleischdiät, in geringer
Menge nach dem Genusse von Brod; dieses Gas wird dagegen aus der
Atmosphäre während des Hungerns aufgenommen. — Von der gesammten
Menge des aufgenommenen Sauerstoffs ist nach Brodnahrung bis zu 0,9,
nach Fleischnahrung und Hungern bis zu 0,7 und nach sehr fetthaltiger
Nahrung 0,6 in der ausgeschiedenen CO2 wieder enthalten. Diese That-
sachen erlauben die Ableitung, dass ein grosser Theil der aufgenomme-
nen Nahrung alsbald dem Oxydationsprozesse verfalle, dessen Endprodukte
auch wieder ausgeschieden werden. Der Theil des aufgenommenen Sauer-
stoffs, welcher sich unter den Auswürflingen nicht wieder mit Kohlen-
säure vereinigt findet, ist natürlich verwendet worden zur Herstellung
anderer Verbindungen. Unter der obigen Voraussetzung muss aber dieser
letztere Antheil des verzehrten Sauerstoffs nach fettreichen Mahlzeiten
grösser als nach brodreichen sein. Denn das Brod besteht vorzugsweise
aus Kohlenhydraten, d. h. aus Verbindungen, welche neben Kohlenstoff
Wasser und Sauerstoff und zwar in einem solchen Verhältniss enthalten,
wie sie zur Wasserbildung nothwendig sind, während der in den Fetten
enthaltene Sauerstoff nicht hinreicht, um ihren Wasserstoff zu Wasser
zu verbrennen. Erfolgt also eine totale Verbrennung der Kohlenhydrate
und Fette zu CO2 und HO, so kann in dem einen Fall aller vorhandene
freie Sauerstoff nur zur Oxydation des C, in dem andern aber muss er
gleichzeitig zur CO2- und HObildung verwendet werden. Dieser Schluss,
dass die aufgenommenen Nahrungsmittel kurze Zeit nach ihrer Aufnahme
der Oxydation anheim fallen, wird bestätigt durch das Verhalten des
Stickstoffs bei der Athmung, indem nach dem Genusse der relativ stick-
stoffreichen Fleischnahrung die Aushauchung desselben ihr Maximum
erreicht, während bei Brod- und Fettnahrung entweder sehr wenig oder
gar nichts von demselben gasförmig ausgestossen wird.

Diese Erfahrung, dass sich nemlich die Bildung der Athmungsgase
qualitativ anschliesst an die Zusammensetzung der Nahrungsmittel, hat wie
es scheint auch ohne weitere direkte Versuche die allerdings wahrscheinliche
Annahme erzeugt, dass mit der Vermehrung der Nahrungsmittel die absolute
Menge der ausgeathmeten Gase und des eingeathmeten Sauerstoffs steige.

3. Rücksichtlich der Beziehung zwischen Athmung und Körpergewicht
ist thatsächlich festgestellt, dass bei zureichender Nahrung und sonst
gleichen Umständen die Menge des eingeathmeten Sauerstoffs (Regnault,
Reiset
) und der ausgeathmeten CO2 dem Körpergewicht nicht genau
proportional steigt. Namentlich bilden Säugethiere von geringem Gewichte

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[359/0375] Gesammtgaswechsel. Schwefelwasserstoff, obwohl wahrscheinlich vorhanden, ist bis jetzt noch nicht aufgefunden. Die Ausscheidung von Ammoniak ist behauptet (Marchand) und be- stritten (Regnault, Reuling). 2. Die Qualität und Quantität der ausgehauchten und aufgenomme- nen Gase steht in innigster Beziehung zur Nahrung. Stickstoff wird in beträchtlichster Menge ausgestossen nach reiner Fleischdiät, in geringer Menge nach dem Genusse von Brod; dieses Gas wird dagegen aus der Atmosphäre während des Hungerns aufgenommen. — Von der gesammten Menge des aufgenommenen Sauerstoffs ist nach Brodnahrung bis zu 0,9, nach Fleischnahrung und Hungern bis zu 0,7 und nach sehr fetthaltiger Nahrung 0,6 in der ausgeschiedenen CO2 wieder enthalten. Diese That- sachen erlauben die Ableitung, dass ein grosser Theil der aufgenomme- nen Nahrung alsbald dem Oxydationsprozesse verfalle, dessen Endprodukte auch wieder ausgeschieden werden. Der Theil des aufgenommenen Sauer- stoffs, welcher sich unter den Auswürflingen nicht wieder mit Kohlen- säure vereinigt findet, ist natürlich verwendet worden zur Herstellung anderer Verbindungen. Unter der obigen Voraussetzung muss aber dieser letztere Antheil des verzehrten Sauerstoffs nach fettreichen Mahlzeiten grösser als nach brodreichen sein. Denn das Brod besteht vorzugsweise aus Kohlenhydraten, d. h. aus Verbindungen, welche neben Kohlenstoff Wasser und Sauerstoff und zwar in einem solchen Verhältniss enthalten, wie sie zur Wasserbildung nothwendig sind, während der in den Fetten enthaltene Sauerstoff nicht hinreicht, um ihren Wasserstoff zu Wasser zu verbrennen. Erfolgt also eine totale Verbrennung der Kohlenhydrate und Fette zu CO2 und HO, so kann in dem einen Fall aller vorhandene freie Sauerstoff nur zur Oxydation des C, in dem andern aber muss er gleichzeitig zur CO2- und HObildung verwendet werden. Dieser Schluss, dass die aufgenommenen Nahrungsmittel kurze Zeit nach ihrer Aufnahme der Oxydation anheim fallen, wird bestätigt durch das Verhalten des Stickstoffs bei der Athmung, indem nach dem Genusse der relativ stick- stoffreichen Fleischnahrung die Aushauchung desselben ihr Maximum erreicht, während bei Brod- und Fettnahrung entweder sehr wenig oder gar nichts von demselben gasförmig ausgestossen wird. Diese Erfahrung, dass sich nemlich die Bildung der Athmungsgase qualitativ anschliesst an die Zusammensetzung der Nahrungsmittel, hat wie es scheint auch ohne weitere direkte Versuche die allerdings wahrscheinliche Annahme erzeugt, dass mit der Vermehrung der Nahrungsmittel die absolute Menge der ausgeathmeten Gase und des eingeathmeten Sauerstoffs steige. 3. Rücksichtlich der Beziehung zwischen Athmung und Körpergewicht ist thatsächlich festgestellt, dass bei zureichender Nahrung und sonst gleichen Umständen die Menge des eingeathmeten Sauerstoffs (Regnault, Reiset) und der ausgeathmeten CO2 dem Körpergewicht nicht genau proportional steigt. Namentlich bilden Säugethiere von geringem Gewichte

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/375>, abgerufen am 25.11.2024.