Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Gesammtgaswechsel.
[Abbildung] Fig. 68.
Fass (B), dessen Inhalt aus der mit einem Hahne versehenen Oeffnung c in beliebig
raschem Strome gelassen werden kann. Der Luftstrom, der durch das Rohr b d von
dem ausfliessenden Wasser angesaugt hindurchging, musste zuerst einen gebogenen
Abschnitt e, der mit SO3 und Bimsteinstücke, dann einen Liebig'schen Kugelapparat
f und darauf abermals ein Schwefelsäurerohr g durchlaufen. Die Gewichtszunahme,
welche die Stücke f und g während des Versuches erfahren, rührt von der beim
Athmen gebildeten CO2 her. Diese Methode ist mit geringen Abweichungen von Le-
tellier
*), Lehmann**), Erlach***), Philippi+) u. A. in Anwendung gebracht.

2. Die indirekte Methode zur Ermittelung der Gesammtmenge der Athmungs-
produkte hat Boussingault++) und nach ihm Barral+++), Scharling§) u. A.
in Anwendung gebracht. Sie besteht darin, dass man einmal ermittelt, wie viel N,
C, H während eines Tages in der Nahrung aufgenommen und ebenso bestimmt, wie
viel derselben in der nemlichen Zeit durch den Harn und Koth entleert wurde. Unter
der Voraussetzung, dass zu Beginn und Ende der Beobachtungszeit der thierische
Körper dieselbe quantitative und qualitative Zusammensetzung besitzt, und dass kein
Verlust an Speichel, Hautabschuppung, Härung u. dergl. vor sich gegangen, giebt der
Unterschied zwischen den aufgenommenen und entleerten Gewichten an N, C, H
geradezu die gasförmigen ausgeschiedenen Gewichte der bezeichneten Stoffe. Es sind
die hierbei angenommenen Voraussetzungen nicht in allen bisher angestellten Versuchen
erwiesen. Wenn sie somit Vertrauen erwecken sollen, so müsste wenigstens die
empirische Anwendbarkeit vorgängig dadurch festgestellt werden, dass man einige Zeit
hindurch gleichzeitig feste, flüssige und luftförmige Ausleerungen der beobachteten
Individuen bestimmte, um zu sehen, ob ihre Summe und atomistische Qualität gleich
ist derjenigen der Nahrung.

Aus den Versuchen über Gesammtausscheidung der Gase ergab sich:

1. Aus dem thierischen Körper wird Kohlensäure, Wasserstoff, für
gewöhnlich auch Stickstoff und gasförmiger Kohlenwasserstoff ausgestossen;
die Ausscheidung des Kohlenwasserstoffs geschieht wahrscheinlich aus
dem Darmkanal; sie ist zugleich meist so unbedeutend, dass sie ver-
nachlässigt werden kann.

*) Annales de chimie et physique. XII. Bd. (1845) 478.
**) Abhandlungen der K. sächsische Gesellschaft der Wissenschaften für 1845. 461.
***) Versuche über Respiration einiger mit Lungen athmender Wirbelthiere. Bern 1846.
+) Valentin's Jahresbericht über Physiologie für 1845. 222.
++) Annales de chimie et physique. X. (1844) 456.
+++) Statique chimique des animaux. Paris 1850. 230. -- Journal für prakt. Chemie. 48. Bd.
§) Journal für prakt. Chemie. 36. Bd.

Gesammtgaswechsel.
[Abbildung] Fig. 68.
Fass (B), dessen Inhalt aus der mit einem Hahne versehenen Oeffnung c in beliebig
raschem Strome gelassen werden kann. Der Luftstrom, der durch das Rohr b d von
dem ausfliessenden Wasser angesaugt hindurchging, musste zuerst einen gebogenen
Abschnitt e, der mit SO3 und Bimsteinstücke, dann einen Liebig’schen Kugelapparat
f und darauf abermals ein Schwefelsäurerohr g durchlaufen. Die Gewichtszunahme,
welche die Stücke f und g während des Versuches erfahren, rührt von der beim
Athmen gebildeten CO2 her. Diese Methode ist mit geringen Abweichungen von Le-
tellier
*), Lehmann**), Erlach***), Philippi†) u. A. in Anwendung gebracht.

2. Die indirekte Methode zur Ermittelung der Gesammtmenge der Athmungs-
produkte hat Boussingault††) und nach ihm Barral†††), Scharling§) u. A.
in Anwendung gebracht. Sie besteht darin, dass man einmal ermittelt, wie viel N,
C, H während eines Tages in der Nahrung aufgenommen und ebenso bestimmt, wie
viel derselben in der nemlichen Zeit durch den Harn und Koth entleert wurde. Unter
der Voraussetzung, dass zu Beginn und Ende der Beobachtungszeit der thierische
Körper dieselbe quantitative und qualitative Zusammensetzung besitzt, und dass kein
Verlust an Speichel, Hautabschuppung, Härung u. dergl. vor sich gegangen, giebt der
Unterschied zwischen den aufgenommenen und entleerten Gewichten an N, C, H
geradezu die gasförmigen ausgeschiedenen Gewichte der bezeichneten Stoffe. Es sind
die hierbei angenommenen Voraussetzungen nicht in allen bisher angestellten Versuchen
erwiesen. Wenn sie somit Vertrauen erwecken sollen, so müsste wenigstens die
empirische Anwendbarkeit vorgängig dadurch festgestellt werden, dass man einige Zeit
hindurch gleichzeitig feste, flüssige und luftförmige Ausleerungen der beobachteten
Individuen bestimmte, um zu sehen, ob ihre Summe und atomistische Qualität gleich
ist derjenigen der Nahrung.

Aus den Versuchen über Gesammtausscheidung der Gase ergab sich:

1. Aus dem thierischen Körper wird Kohlensäure, Wasserstoff, für
gewöhnlich auch Stickstoff und gasförmiger Kohlenwasserstoff ausgestossen;
die Ausscheidung des Kohlenwasserstoffs geschieht wahrscheinlich aus
dem Darmkanal; sie ist zugleich meist so unbedeutend, dass sie ver-
nachlässigt werden kann.

*) Annales de chimie et physique. XII. Bd. (1845) 478.
**) Abhandlungen der K. sächsische Gesellschaft der Wissenschaften für 1845. 461.
***) Versuche über Respiration einiger mit Lungen athmender Wirbelthiere. Bern 1846.
†) Valentin’s Jahresbericht über Physiologie für 1845. 222.
††) Annales de chimie et physique. X. (1844) 456.
†††) Statique chimique des animaux. Paris 1850. 230. — Journal für prakt. Chemie. 48. Bd.
§) Journal für prakt. Chemie. 36. Bd.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0374" n="358"/><fw place="top" type="header">Gesammtgaswechsel.</fw><lb/><figure><head>Fig. 68.</head></figure><lb/>
Fass (<hi rendition="#i">B</hi>), dessen Inhalt aus der mit einem Hahne versehenen Oeffnung <hi rendition="#i">c</hi> in beliebig<lb/>
raschem Strome gelassen werden kann. Der Luftstrom, der durch das Rohr <hi rendition="#i">b d</hi> von<lb/>
dem ausfliessenden Wasser angesaugt hindurchging, musste zuerst einen gebogenen<lb/>
Abschnitt <hi rendition="#i">e</hi>, der mit SO<hi rendition="#sub">3</hi> und Bimsteinstücke, dann einen <hi rendition="#g">Liebig</hi>&#x2019;schen Kugelapparat<lb/><hi rendition="#i">f</hi> und darauf abermals ein Schwefelsäurerohr g durchlaufen. Die Gewichtszunahme,<lb/>
welche die Stücke <hi rendition="#i">f</hi> und <hi rendition="#i">g</hi> während des Versuches erfahren, rührt von der beim<lb/>
Athmen gebildeten CO<hi rendition="#sub">2</hi> her. Diese Methode ist mit geringen Abweichungen von <hi rendition="#g">Le-<lb/>
tellier</hi><note place="foot" n="*)">Annales de chimie et physique. XII. Bd. (1845) 478.</note>, <hi rendition="#g">Lehmann</hi><note place="foot" n="**)">Abhandlungen der K. sächsische Gesellschaft der Wissenschaften für 1845. 461.</note>, <hi rendition="#g">Erlach</hi><note place="foot" n="***)">Versuche über Respiration einiger mit Lungen athmender Wirbelthiere. Bern 1846.</note>, <hi rendition="#g">Philippi</hi><note place="foot" n="&#x2020;)"><hi rendition="#g">Valentin</hi>&#x2019;s Jahresbericht über Physiologie für 1845. 222.</note> u. A. in Anwendung gebracht.</p><lb/>
              <p>2. Die indirekte Methode zur Ermittelung der Gesammtmenge der Athmungs-<lb/>
produkte hat <hi rendition="#g">Boussingault</hi><note place="foot" n="&#x2020;&#x2020;)">Annales de chimie et physique. X. (1844) 456.</note> und nach ihm <hi rendition="#g">Barral</hi><note place="foot" n="&#x2020;&#x2020;&#x2020;)">Statique chimique des animaux. Paris 1850. 230. &#x2014; Journal für prakt. Chemie. 48. Bd.</note>, <hi rendition="#g">Scharling</hi><note place="foot" n="§)">Journal für prakt. Chemie. 36. Bd.</note> u. A.<lb/>
in Anwendung gebracht. Sie besteht darin, dass man einmal ermittelt, wie viel N,<lb/>
C, H während eines Tages in der Nahrung aufgenommen und ebenso bestimmt, wie<lb/>
viel derselben in der nemlichen Zeit durch den Harn und Koth entleert wurde. Unter<lb/>
der Voraussetzung, dass zu Beginn und Ende der Beobachtungszeit der thierische<lb/>
Körper dieselbe quantitative und qualitative Zusammensetzung besitzt, und dass kein<lb/>
Verlust an Speichel, Hautabschuppung, Härung u. dergl. vor sich gegangen, giebt der<lb/>
Unterschied zwischen den aufgenommenen und entleerten Gewichten an N, C, H<lb/>
geradezu die gasförmigen ausgeschiedenen Gewichte der bezeichneten Stoffe. Es sind<lb/>
die hierbei angenommenen Voraussetzungen nicht in allen bisher angestellten Versuchen<lb/>
erwiesen. Wenn sie somit Vertrauen erwecken sollen, so müsste wenigstens die<lb/>
empirische Anwendbarkeit vorgängig dadurch festgestellt werden, dass man einige Zeit<lb/>
hindurch gleichzeitig feste, flüssige und luftförmige Ausleerungen der beobachteten<lb/>
Individuen bestimmte, um zu sehen, ob ihre Summe und atomistische Qualität gleich<lb/>
ist derjenigen der Nahrung.</p><lb/>
              <p>Aus den Versuchen über Gesammtausscheidung der Gase ergab sich:</p><lb/>
              <p><hi rendition="#b">1.</hi> Aus dem thierischen Körper wird Kohlensäure, Wasserstoff, für<lb/>
gewöhnlich auch Stickstoff und gasförmiger Kohlenwasserstoff ausgestossen;<lb/>
die Ausscheidung des Kohlenwasserstoffs geschieht wahrscheinlich aus<lb/>
dem Darmkanal; sie ist zugleich meist so unbedeutend, dass sie ver-<lb/>
nachlässigt werden kann.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[358/0374] Gesammtgaswechsel. [Abbildung Fig. 68.] Fass (B), dessen Inhalt aus der mit einem Hahne versehenen Oeffnung c in beliebig raschem Strome gelassen werden kann. Der Luftstrom, der durch das Rohr b d von dem ausfliessenden Wasser angesaugt hindurchging, musste zuerst einen gebogenen Abschnitt e, der mit SO3 und Bimsteinstücke, dann einen Liebig’schen Kugelapparat f und darauf abermals ein Schwefelsäurerohr g durchlaufen. Die Gewichtszunahme, welche die Stücke f und g während des Versuches erfahren, rührt von der beim Athmen gebildeten CO2 her. Diese Methode ist mit geringen Abweichungen von Le- tellier *), Lehmann **), Erlach ***), Philippi †) u. A. in Anwendung gebracht. 2. Die indirekte Methode zur Ermittelung der Gesammtmenge der Athmungs- produkte hat Boussingault ††) und nach ihm Barral †††), Scharling §) u. A. in Anwendung gebracht. Sie besteht darin, dass man einmal ermittelt, wie viel N, C, H während eines Tages in der Nahrung aufgenommen und ebenso bestimmt, wie viel derselben in der nemlichen Zeit durch den Harn und Koth entleert wurde. Unter der Voraussetzung, dass zu Beginn und Ende der Beobachtungszeit der thierische Körper dieselbe quantitative und qualitative Zusammensetzung besitzt, und dass kein Verlust an Speichel, Hautabschuppung, Härung u. dergl. vor sich gegangen, giebt der Unterschied zwischen den aufgenommenen und entleerten Gewichten an N, C, H geradezu die gasförmigen ausgeschiedenen Gewichte der bezeichneten Stoffe. Es sind die hierbei angenommenen Voraussetzungen nicht in allen bisher angestellten Versuchen erwiesen. Wenn sie somit Vertrauen erwecken sollen, so müsste wenigstens die empirische Anwendbarkeit vorgängig dadurch festgestellt werden, dass man einige Zeit hindurch gleichzeitig feste, flüssige und luftförmige Ausleerungen der beobachteten Individuen bestimmte, um zu sehen, ob ihre Summe und atomistische Qualität gleich ist derjenigen der Nahrung. Aus den Versuchen über Gesammtausscheidung der Gase ergab sich: 1. Aus dem thierischen Körper wird Kohlensäure, Wasserstoff, für gewöhnlich auch Stickstoff und gasförmiger Kohlenwasserstoff ausgestossen; die Ausscheidung des Kohlenwasserstoffs geschieht wahrscheinlich aus dem Darmkanal; sie ist zugleich meist so unbedeutend, dass sie ver- nachlässigt werden kann. *) Annales de chimie et physique. XII. Bd. (1845) 478. **) Abhandlungen der K. sächsische Gesellschaft der Wissenschaften für 1845. 461. ***) Versuche über Respiration einiger mit Lungen athmender Wirbelthiere. Bern 1846. †) Valentin’s Jahresbericht über Physiologie für 1845. 222. ††) Annales de chimie et physique. X. (1844) 456. †††) Statique chimique des animaux. Paris 1850. 230. — Journal für prakt. Chemie. 48. Bd. §) Journal für prakt. Chemie. 36. Bd.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/374
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/374>, abgerufen am 27.04.2024.