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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Blutveränderung durch das Athmen.
ist geringer, als das der eingeathmeten. Diese Thatsache, welche La-
voisier
entdeckt hat, haben alle genaueren Beobachter nach ihm be-
stätigt. -- 2) Nach dem Genuss von Pflanzenstoffen (Körner, Gras) er-
reicht der Unterschied zwischen dem eingenommenen Sauerstoffvolum
und ausgeathmeten CO2volum seinen geringsten Werth, seinen grössten
aber nach der Ernährung mit Fleischkost (Dulong)*); Regnault und
Reiset geben, wenn das Volum der eingesogenen O2 = 1 gesetzt wird,
als Grenzwerthe der Verhältnisszahlen für den ersten = 1,04 und für
den letzten Fall = 0,62 an. -- Hungernde Thiere verhalten sich wie
Fleischfressende. Hinge die Volumverminderung allein von dem Unter-
schied zwischen der verschluckten O und der ausgeathmeten CO2 ab,
so müsste sie bei der Fleischnahrung am bedeutendsten werden. Da nun
aber auch bei Fleischnahrung Stickstoff ausgehaucht, beim Hungern aber
aufgesogen wird, so wird sie in der That in den letzten Bedingungen am
merklichsten sein.

7. Blutveränderung in der Lunge während der Ath-
mung
. Zu Erfahrungen über die Umwandlungen, welche das in den
Lungencapillaren strömende Blut innerhalb derselben erfährt, kann man
gelangen theils durch Folgerungen aus der bekannten Veränderung der
Einathmungsluft, theils aus einer Vergleichung des in die Lunge ein-
und ausströmenden Blutes. Der letztere Weg steht uns noch nicht
offen, weil uns Untersuchungen des Bluts aus der arteria und vena pul-
monalis, oder des linken und rechten Herzens fehlen; denn wollte man
vergleichen, wie es zuweilen geschieht, das Blut einer beliebigen Haut-,
Muskel- oder Eingeweidevene mit dem arteriellen, so ist es einleuchtend,
dass der zwischen beiden Objekten bestehende Unterschied nicht allein
aus der Einwirkung der Lungen abgeleitet werden darf, da sich dem
analysirten Venenblut, bevor es in die Lunge eindringt, noch der anders
zusammengesetzte Inhalt der grossen Lymphstämme und vieler andern
Venen beimengt. Welche chemischen Folgen aber aus dieser Mischung
der verschiedenartigen Flüssigkeiten eintreten, lässt sich gegenwärtig
nicht angeben, und somit fehlt uns das Mittel, die Veränderungen, welche
die Lunge allein ausgeführt hat, auszuscheiden. Wenn wir also zu er-
mitteln gedenken, wie weit der Unterschied des arteriellen und des uns
bekannten venösen Bluts von der Athmung abhänge, so bleibt uns nur
übrig, nachzusehen, welche Veränderungen des Bluts aus der bekannten
Umwandlung der Einathmungsluft abgeleitet werden können.

a) Wir gehen bei dieser Betrachtung aus von dem durch mecha-
nische Mittel abscheidbaren Gasgehalte beider Blutarten. Bis dahin
musste sich die Bestimmung jener Gase beschränken auf die verhältniss-
mässige Menge, in der sie in den beiden Blutarten enthalten waren, und

*) Schweigger, Journal für Chemie, 38. Bd. 506. (1823).

Blutveränderung durch das Athmen.
ist geringer, als das der eingeathmeten. Diese Thatsache, welche La-
voisier
entdeckt hat, haben alle genaueren Beobachter nach ihm be-
stätigt. — 2) Nach dem Genuss von Pflanzenstoffen (Körner, Gras) er-
reicht der Unterschied zwischen dem eingenommenen Sauerstoffvolum
und ausgeathmeten CO2volum seinen geringsten Werth, seinen grössten
aber nach der Ernährung mit Fleischkost (Dulong)*); Regnault und
Reiset geben, wenn das Volum der eingesogenen O2 = 1 gesetzt wird,
als Grenzwerthe der Verhältnisszahlen für den ersten = 1,04 und für
den letzten Fall = 0,62 an. — Hungernde Thiere verhalten sich wie
Fleischfressende. Hinge die Volumverminderung allein von dem Unter-
schied zwischen der verschluckten O und der ausgeathmeten CO2 ab,
so müsste sie bei der Fleischnahrung am bedeutendsten werden. Da nun
aber auch bei Fleischnahrung Stickstoff ausgehaucht, beim Hungern aber
aufgesogen wird, so wird sie in der That in den letzten Bedingungen am
merklichsten sein.

7. Blutveränderung in der Lunge während der Ath-
mung
. Zu Erfahrungen über die Umwandlungen, welche das in den
Lungencapillaren strömende Blut innerhalb derselben erfährt, kann man
gelangen theils durch Folgerungen aus der bekannten Veränderung der
Einathmungsluft, theils aus einer Vergleichung des in die Lunge ein-
und ausströmenden Blutes. Der letztere Weg steht uns noch nicht
offen, weil uns Untersuchungen des Bluts aus der arteria und vena pul-
monalis, oder des linken und rechten Herzens fehlen; denn wollte man
vergleichen, wie es zuweilen geschieht, das Blut einer beliebigen Haut-,
Muskel- oder Eingeweidevene mit dem arteriellen, so ist es einleuchtend,
dass der zwischen beiden Objekten bestehende Unterschied nicht allein
aus der Einwirkung der Lungen abgeleitet werden darf, da sich dem
analysirten Venenblut, bevor es in die Lunge eindringt, noch der anders
zusammengesetzte Inhalt der grossen Lymphstämme und vieler andern
Venen beimengt. Welche chemischen Folgen aber aus dieser Mischung
der verschiedenartigen Flüssigkeiten eintreten, lässt sich gegenwärtig
nicht angeben, und somit fehlt uns das Mittel, die Veränderungen, welche
die Lunge allein ausgeführt hat, auszuscheiden. Wenn wir also zu er-
mitteln gedenken, wie weit der Unterschied des arteriellen und des uns
bekannten venösen Bluts von der Athmung abhänge, so bleibt uns nur
übrig, nachzusehen, welche Veränderungen des Bluts aus der bekannten
Umwandlung der Einathmungsluft abgeleitet werden können.

a) Wir gehen bei dieser Betrachtung aus von dem durch mecha-
nische Mittel abscheidbaren Gasgehalte beider Blutarten. Bis dahin
musste sich die Bestimmung jener Gase beschränken auf die verhältniss-
mässige Menge, in der sie in den beiden Blutarten enthalten waren, und

*) Schweigger, Journal für Chemie, 38. Bd. 506. (1823).
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[347/0363] Blutveränderung durch das Athmen. ist geringer, als das der eingeathmeten. Diese Thatsache, welche La- voisier entdeckt hat, haben alle genaueren Beobachter nach ihm be- stätigt. — 2) Nach dem Genuss von Pflanzenstoffen (Körner, Gras) er- reicht der Unterschied zwischen dem eingenommenen Sauerstoffvolum und ausgeathmeten CO2volum seinen geringsten Werth, seinen grössten aber nach der Ernährung mit Fleischkost (Dulong) *); Regnault und Reiset geben, wenn das Volum der eingesogenen O2 = 1 gesetzt wird, als Grenzwerthe der Verhältnisszahlen für den ersten = 1,04 und für den letzten Fall = 0,62 an. — Hungernde Thiere verhalten sich wie Fleischfressende. Hinge die Volumverminderung allein von dem Unter- schied zwischen der verschluckten O und der ausgeathmeten CO2 ab, so müsste sie bei der Fleischnahrung am bedeutendsten werden. Da nun aber auch bei Fleischnahrung Stickstoff ausgehaucht, beim Hungern aber aufgesogen wird, so wird sie in der That in den letzten Bedingungen am merklichsten sein. 7. Blutveränderung in der Lunge während der Ath- mung. Zu Erfahrungen über die Umwandlungen, welche das in den Lungencapillaren strömende Blut innerhalb derselben erfährt, kann man gelangen theils durch Folgerungen aus der bekannten Veränderung der Einathmungsluft, theils aus einer Vergleichung des in die Lunge ein- und ausströmenden Blutes. Der letztere Weg steht uns noch nicht offen, weil uns Untersuchungen des Bluts aus der arteria und vena pul- monalis, oder des linken und rechten Herzens fehlen; denn wollte man vergleichen, wie es zuweilen geschieht, das Blut einer beliebigen Haut-, Muskel- oder Eingeweidevene mit dem arteriellen, so ist es einleuchtend, dass der zwischen beiden Objekten bestehende Unterschied nicht allein aus der Einwirkung der Lungen abgeleitet werden darf, da sich dem analysirten Venenblut, bevor es in die Lunge eindringt, noch der anders zusammengesetzte Inhalt der grossen Lymphstämme und vieler andern Venen beimengt. Welche chemischen Folgen aber aus dieser Mischung der verschiedenartigen Flüssigkeiten eintreten, lässt sich gegenwärtig nicht angeben, und somit fehlt uns das Mittel, die Veränderungen, welche die Lunge allein ausgeführt hat, auszuscheiden. Wenn wir also zu er- mitteln gedenken, wie weit der Unterschied des arteriellen und des uns bekannten venösen Bluts von der Athmung abhänge, so bleibt uns nur übrig, nachzusehen, welche Veränderungen des Bluts aus der bekannten Umwandlung der Einathmungsluft abgeleitet werden können. a) Wir gehen bei dieser Betrachtung aus von dem durch mecha- nische Mittel abscheidbaren Gasgehalte beider Blutarten. Bis dahin musste sich die Bestimmung jener Gase beschränken auf die verhältniss- mässige Menge, in der sie in den beiden Blutarten enthalten waren, und *) Schweigger, Journal für Chemie, 38. Bd. 506. (1823).

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/363>, abgerufen am 27.04.2024.