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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Kohlensäureabscheidung abhängig von dem Lungenbau.
[Abbildung] Fig. 65.
geben eine Anschauung
der täglichen Schwan-
kung des CO2gehalts.
Ihre Ordinaten sind
die zu den bezeich-
neten Zeiten beobach-
teten CO2prozente der
Lungenluft. Von den beiden Curven stellt a b den Gang vor, wenn gar
keine Nahrung genommen, a c ist dagegen giltig, wenn um 1h ein ge-
wöhnliches Mittagsmahl genossen wurde. Darf man, wie es nicht un-
wahrscheinlich ist, annehmen, dass das Maximum des CO2gehalts im Blute
zusammenfällt mit demjenigen der Bildung dieses Gases, so gehen aus
dem von der Speise gelieferten Material die CO2- und Harnstoffbildung
nicht gleichzeitig vor sich, denn das Maximum des CO2gehalts fällt einige
Stunden früher, als das Maximum der Harnstoffausscheidung. Siehe Fig. 58.

Man könnte versucht sein, den Widerspruch in der Beobachtung von Vierordt
und Becher zu discutiren, indem der Erstere das Maximum der CO2ausscheidung
um eine Stunde früher nach dem Mittagsmahl fand, als der Letztere sein Maximum
der Blut- CO2. Die Vorsicht gebietet, so lange von einem Erklärungsversuch dieser
Abweichung abzustehen, bis an einem und demselben Beobachter beide Curven ge-
messen und dargethan ist, dass die zwischen Vierordt und Becher bestehenden
Unterschiede keine individuellen sind.

Abhängigkeit der Kohlensäureausscheidung von der
Lungenwand
. Hierbei kommt in Betracht das Verhältniss der Wand-
ausdehnung zum Luftvolum, welches die Lunge fasst, die Dicke und
die chemische Constitution der Trennungsschicht zwischen Blut und Luft.

Da uns alle Versuche über die auf diesen Elementen beruhenden in-
dividuellen Verschiedenheiten fehlen, so müssen wir uns damit begnügen,
aus theoretischen Gründen zu behaupten, dass bei gleicher Räumlichkeit
eine grossblasige (emphysematische) Lunge weniger CO2 liefern wird, als
eine kleinblasige, vorausgesetzt, dass die Spannung der Blut- CO2
und der Luftwechsel gleich angenommen werden. Denn im letztern Fall
ist die Fläche, welche CO2 ausscheidet, grösser, als im erstern. -- Mit
der Dicke der Lungenwand, dem Wassergehalt derselben u. s. w. hängt
der Widerstand ab, den die CO2 auf ihrem Wege vom Blut in die Lun-
genluft findet; also muss auch hiermit die CO2ausscheidung veränder-
lich werden.

Veränderlichkeit der CO2ausscheidung aus gemisch-
ten Gründen
. Aus einer Combination der bis dahin vorgeführten Ele-
mente, denen sich vielleicht noch andere anschliessen, lässt sich ableiten,
dass mit den Hirnzuständen, welche einen Einfluss auf die Erregbarkeit der
reflektorischen und automatischen Herde oder auf die willkührliche Muskel-
erregung gewinnen, mit der Gewohnheit, dem Lebensalter, dem Geschlecht,
den Tages- und Jahreszeiten, den Klimaten u. s. w. die in der Zeitein-

Kohlensäureabscheidung abhängig von dem Lungenbau.
[Abbildung] Fig. 65.
geben eine Anschauung
der täglichen Schwan-
kung des CO2gehalts.
Ihre Ordinaten sind
die zu den bezeich-
neten Zeiten beobach-
teten CO2prozente der
Lungenluft. Von den beiden Curven stellt a b den Gang vor, wenn gar
keine Nahrung genommen, a c ist dagegen giltig, wenn um 1h ein ge-
wöhnliches Mittagsmahl genossen wurde. Darf man, wie es nicht un-
wahrscheinlich ist, annehmen, dass das Maximum des CO2gehalts im Blute
zusammenfällt mit demjenigen der Bildung dieses Gases, so gehen aus
dem von der Speise gelieferten Material die CO2- und Harnstoffbildung
nicht gleichzeitig vor sich, denn das Maximum des CO2gehalts fällt einige
Stunden früher, als das Maximum der Harnstoffausscheidung. Siehe Fig. 58.

Man könnte versucht sein, den Widerspruch in der Beobachtung von Vierordt
und Becher zu discutiren, indem der Erstere das Maximum der CO2ausscheidung
um eine Stunde früher nach dem Mittagsmahl fand, als der Letztere sein Maximum
der Blut- CO2. Die Vorsicht gebietet, so lange von einem Erklärungsversuch dieser
Abweichung abzustehen, bis an einem und demselben Beobachter beide Curven ge-
messen und dargethan ist, dass die zwischen Vierordt und Becher bestehenden
Unterschiede keine individuellen sind.

Abhängigkeit der Kohlensäureausscheidung von der
Lungenwand
. Hierbei kommt in Betracht das Verhältniss der Wand-
ausdehnung zum Luftvolum, welches die Lunge fasst, die Dicke und
die chemische Constitution der Trennungsschicht zwischen Blut und Luft.

Da uns alle Versuche über die auf diesen Elementen beruhenden in-
dividuellen Verschiedenheiten fehlen, so müssen wir uns damit begnügen,
aus theoretischen Gründen zu behaupten, dass bei gleicher Räumlichkeit
eine grossblasige (emphysematische) Lunge weniger CO2 liefern wird, als
eine kleinblasige, vorausgesetzt, dass die Spannung der Blut- CO2
und der Luftwechsel gleich angenommen werden. Denn im letztern Fall
ist die Fläche, welche CO2 ausscheidet, grösser, als im erstern. — Mit
der Dicke der Lungenwand, dem Wassergehalt derselben u. s. w. hängt
der Widerstand ab, den die CO2 auf ihrem Wege vom Blut in die Lun-
genluft findet; also muss auch hiermit die CO2ausscheidung veränder-
lich werden.

Veränderlichkeit der CO2ausscheidung aus gemisch-
ten Gründen
. Aus einer Combination der bis dahin vorgeführten Ele-
mente, denen sich vielleicht noch andere anschliessen, lässt sich ableiten,
dass mit den Hirnzuständen, welche einen Einfluss auf die Erregbarkeit der
reflektorischen und automatischen Herde oder auf die willkührliche Muskel-
erregung gewinnen, mit der Gewohnheit, dem Lebensalter, dem Geschlecht,
den Tages- und Jahreszeiten, den Klimaten u. s. w. die in der Zeitein-

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[340/0356] Kohlensäureabscheidung abhängig von dem Lungenbau. [Abbildung Fig. 65.] geben eine Anschauung der täglichen Schwan- kung des CO2gehalts. Ihre Ordinaten sind die zu den bezeich- neten Zeiten beobach- teten CO2prozente der Lungenluft. Von den beiden Curven stellt a b den Gang vor, wenn gar keine Nahrung genommen, a c ist dagegen giltig, wenn um 1h ein ge- wöhnliches Mittagsmahl genossen wurde. Darf man, wie es nicht un- wahrscheinlich ist, annehmen, dass das Maximum des CO2gehalts im Blute zusammenfällt mit demjenigen der Bildung dieses Gases, so gehen aus dem von der Speise gelieferten Material die CO2- und Harnstoffbildung nicht gleichzeitig vor sich, denn das Maximum des CO2gehalts fällt einige Stunden früher, als das Maximum der Harnstoffausscheidung. Siehe Fig. 58. Man könnte versucht sein, den Widerspruch in der Beobachtung von Vierordt und Becher zu discutiren, indem der Erstere das Maximum der CO2ausscheidung um eine Stunde früher nach dem Mittagsmahl fand, als der Letztere sein Maximum der Blut- CO2. Die Vorsicht gebietet, so lange von einem Erklärungsversuch dieser Abweichung abzustehen, bis an einem und demselben Beobachter beide Curven ge- messen und dargethan ist, dass die zwischen Vierordt und Becher bestehenden Unterschiede keine individuellen sind. Abhängigkeit der Kohlensäureausscheidung von der Lungenwand. Hierbei kommt in Betracht das Verhältniss der Wand- ausdehnung zum Luftvolum, welches die Lunge fasst, die Dicke und die chemische Constitution der Trennungsschicht zwischen Blut und Luft. Da uns alle Versuche über die auf diesen Elementen beruhenden in- dividuellen Verschiedenheiten fehlen, so müssen wir uns damit begnügen, aus theoretischen Gründen zu behaupten, dass bei gleicher Räumlichkeit eine grossblasige (emphysematische) Lunge weniger CO2 liefern wird, als eine kleinblasige, vorausgesetzt, dass die Spannung der Blut- CO2 und der Luftwechsel gleich angenommen werden. Denn im letztern Fall ist die Fläche, welche CO2 ausscheidet, grösser, als im erstern. — Mit der Dicke der Lungenwand, dem Wassergehalt derselben u. s. w. hängt der Widerstand ab, den die CO2 auf ihrem Wege vom Blut in die Lun- genluft findet; also muss auch hiermit die CO2ausscheidung veränder- lich werden. Veränderlichkeit der CO2ausscheidung aus gemisch- ten Gründen. Aus einer Combination der bis dahin vorgeführten Ele- mente, denen sich vielleicht noch andere anschliessen, lässt sich ableiten, dass mit den Hirnzuständen, welche einen Einfluss auf die Erregbarkeit der reflektorischen und automatischen Herde oder auf die willkührliche Muskel- erregung gewinnen, mit der Gewohnheit, dem Lebensalter, dem Geschlecht, den Tages- und Jahreszeiten, den Klimaten u. s. w. die in der Zeitein-

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/356>, abgerufen am 27.04.2024.