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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Niere; Harn, seltene Bestandtheile. Harnbereitung.
sprützt würde, dass eine beträchtliche Athemnoth entstand, oder auch nach anhalten-
dem Einathmen von Chlor, wurde Allantoin im Harn gefunden (Staedeler).

Xanthin kommt zuweilen im Harn als Harnstein vor.

Von Cystin, einem starken schwefelhaltigen Körper, gilt dasselbe.

2. Wenn Salicin, harnsaure Salze, Eichengerbsäure, Senfölammoniak, citronen-,
äpfel-, wein-, essigsaures Natron, Ammoniaksalze und Schwefelkalium genossen wer-
den, so erscheinen nicht diese Stoffe, sondern Umwandlungsprodukte derselben im
Harn wieder:

Salicin *) = C26H18O14 liefert spiroylige Säure = C14H6O4 (Millon und Le-
veran
). Diese Säure ist, wie man glaubt, hervorgegangen aus einer Spaltung des
Salicins. Es würde demnach das Salicin, nach Aufnahme von 2 At. Wasser =
C26H20O16, in Zucker = C12H12O12 und Saligenin = C14H8O4 zerfällt, welches letztere
nach Austritt von 2H in spiroylige Säure ühergeht.

Gerbsäure **) = C18H8O12 erscheint im Harn als Gallussäure = C14H6O10
und Brenzgallussäure C12H6O6 (Wöhler und Frerichs). Diese Umwandlung ist
dieselbe, welche Gerbsäure u. A. in schwach alkalischen Lösungen erleidet; sie ge-
schieht, wie man sieht, unter Abscheidung nur von C4H2O2, oder gleichzeitig von 2CO2.

Harnsäure = C5H2N2O3 bewirkt das Erscheinen von Oxalsäure C2O3 und
Harnstoff C2H4N2O2 (Wöhler und Frerichs); um in diesen Stoff zerfallen zu kön-
nen, muss, abgesehen von der Bildung anderer Zwischenprodukte, die Harnsäure 2HO
aufgenommen haben.

Thiosinammin = N2C8H8S2 gab Rhodanammonium = N2C2H4S2; aus dem ersten
sind also C4H4 ausgeschieden worden.

Essigsäure (= C4H3O3), äpfelsaure (C4H2O4), weinsaure (C4H2O5), citronensaure
(C6H3O6) Kalien erscheinen im Harn als kohlensaure (Wöhler), vorausgesetzt, dass
sie in nicht grosser Menge gereicht werden, in welchem Fall sie unverändert in den
Harn übergehen (Millon). Organische Ammoniaksalze kommen im Harn als Salpeter-
säure wieder (B. Jones) ***). Schwefelkalium erscheint im Harn als schwefelsau-
res Kali.

3. Zimmt- und Benzoesäure, oder Stoffe, welche eine dieser Säuren enthalten
(Benzoeäther und Perubalsam), oder durch Oxydation leicht in sie übergehen (Bitter-
mandelöl), erscheinen im Harn als Hippursäure (Ure, Wöhler, Marchand, Fre-
richs
). Nach der vorgängigen Umwandlung dieser Stoffe in Benzoesäure C14H6O4 tritt
zu dieser der Paarling = C4H3NO2 zur Bildung von Hippursäure = C18H9NO6. -- In
gleicher Weise geht Nitrobenzoesäure in Nitrohippursäure über (Bertagini) +). --
Die der Benzoesäure homologe Amminsäure geht aber unverändert in den Harn über
(W. Hofmann).

Ferrocyanid kommt im Harn als Ferrocyanür wieder, in Folge einer von der
Harnsäure ausgeübten Desoxydation (Buchheim) ++).

Nach einem längern oder kürzern Gebrauch gehen Quecksilber, Wismuth, Blei,
Zinn, Blutlaugensalz, Bernsteinsäure, Jod, der Farbstoff des Rhabarbers, des Lakmus,
der Cochenille u. s. w., in den Urin über.

6. Harnbereitung. -- a) Die wesentlichen Stoffe des Harns sind
keine Produkte einer chemischen Thätigkeit der Niere; sie sind schon
mit dem Blute in die Niere geführt und dort nur abgeschieden worden.
Dafür spricht einmal die chemische Analyse der Blutextraktivstoffe und

*) Mulder, l. c. 1279.
**) Liebig's Annalen. 65. Bd.
***) Liebig's Annalen. 78. Bd. 251. -- Proceedings of the royal society. vol. VII. 94.
+) Compt. rend. XXXI. 490.
++) Mayer, De ratione qua ferrum nutetur in corpore. Dorp. 1850.

Niere; Harn, seltene Bestandtheile. Harnbereitung.
sprützt würde, dass eine beträchtliche Athemnoth entstand, oder auch nach anhalten-
dem Einathmen von Chlor, wurde Allantoin im Harn gefunden (Staedeler).

Xanthin kommt zuweilen im Harn als Harnstein vor.

Von Cystin, einem starken schwefelhaltigen Körper, gilt dasselbe.

2. Wenn Salicin, harnsaure Salze, Eichengerbsäure, Senfölammoniak, citronen-,
äpfel-, wein-, essigsaures Natron, Ammoniaksalze und Schwefelkalium genossen wer-
den, so erscheinen nicht diese Stoffe, sondern Umwandlungsprodukte derselben im
Harn wieder:

Salicin *) = C26H18O14 liefert spiroylige Säure = C14H6O4 (Millon und Le-
veran
). Diese Säure ist, wie man glaubt, hervorgegangen aus einer Spaltung des
Salicins. Es würde demnach das Salicin, nach Aufnahme von 2 At. Wasser =
C26H20O16, in Zucker = C12H12O12 und Saligenin = C14H8O4 zerfällt, welches letztere
nach Austritt von 2H in spiroylige Säure ühergeht.

Gerbsäure **) = C18H8O12 erscheint im Harn als Gallussäure = C14H6O10
und Brenzgallussäure C12H6O6 (Wöhler und Frerichs). Diese Umwandlung ist
dieselbe, welche Gerbsäure u. A. in schwach alkalischen Lösungen erleidet; sie ge-
schieht, wie man sieht, unter Abscheidung nur von C4H2O2, oder gleichzeitig von 2CO2.

Harnsäure = C5H2N2O3 bewirkt das Erscheinen von Oxalsäure C2O3 und
Harnstoff C2H4N2O2 (Wöhler und Frerichs); um in diesen Stoff zerfallen zu kön-
nen, muss, abgesehen von der Bildung anderer Zwischenprodukte, die Harnsäure 2HO
aufgenommen haben.

Thiosinammin = N2C8H8S2 gab Rhodanammonium = N2C2H4S2; aus dem ersten
sind also C4H4 ausgeschieden worden.

Essigsäure (= C4H3O3), äpfelsaure (C4H2O4), weinsaure (C4H2O5), citronensaure
(C6H3O6) Kalien erscheinen im Harn als kohlensaure (Wöhler), vorausgesetzt, dass
sie in nicht grosser Menge gereicht werden, in welchem Fall sie unverändert in den
Harn übergehen (Millon). Organische Ammoniaksalze kommen im Harn als Salpeter-
säure wieder (B. Jones) ***). Schwefelkalium erscheint im Harn als schwefelsau-
res Kali.

3. Zimmt- und Benzoesäure, oder Stoffe, welche eine dieser Säuren enthalten
(Benzoeäther und Perubalsam), oder durch Oxydation leicht in sie übergehen (Bitter-
mandelöl), erscheinen im Harn als Hippursäure (Ure, Wöhler, Marchand, Fre-
richs
). Nach der vorgängigen Umwandlung dieser Stoffe in Benzoesäure C14H6O4 tritt
zu dieser der Paarling = C4H3NO2 zur Bildung von Hippursäure = C18H9NO6. — In
gleicher Weise geht Nitrobenzoesäure in Nitrohippursäure über (Bertagini) †). —
Die der Benzoesäure homologe Amminsäure geht aber unverändert in den Harn über
(W. Hofmann).

Ferrocyanid kommt im Harn als Ferrocyanür wieder, in Folge einer von der
Harnsäure ausgeübten Desoxydation (Buchheim) ††).

Nach einem längern oder kürzern Gebrauch gehen Quecksilber, Wismuth, Blei,
Zinn, Blutlaugensalz, Bernsteinsäure, Jod, der Farbstoff des Rhabarbers, des Lakmus,
der Cochenille u. s. w., in den Urin über.

6. Harnbereitung. — a) Die wesentlichen Stoffe des Harns sind
keine Produkte einer chemischen Thätigkeit der Niere; sie sind schon
mit dem Blute in die Niere geführt und dort nur abgeschieden worden.
Dafür spricht einmal die chemische Analyse der Blutextraktivstoffe und

*) Mulder, l. c. 1279.
**) Liebig’s Annalen. 65. Bd.
***) Liebig’s Annalen. 78. Bd. 251. — Proceedings of the royal society. vol. VII. 94.
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[272/0288] Niere; Harn, seltene Bestandtheile. Harnbereitung. sprützt würde, dass eine beträchtliche Athemnoth entstand, oder auch nach anhalten- dem Einathmen von Chlor, wurde Allantoin im Harn gefunden (Staedeler). Xanthin kommt zuweilen im Harn als Harnstein vor. Von Cystin, einem starken schwefelhaltigen Körper, gilt dasselbe. 2. Wenn Salicin, harnsaure Salze, Eichengerbsäure, Senfölammoniak, citronen-, äpfel-, wein-, essigsaures Natron, Ammoniaksalze und Schwefelkalium genossen wer- den, so erscheinen nicht diese Stoffe, sondern Umwandlungsprodukte derselben im Harn wieder: Salicin *) = C26H18O14 liefert spiroylige Säure = C14H6O4 (Millon und Le- veran). Diese Säure ist, wie man glaubt, hervorgegangen aus einer Spaltung des Salicins. Es würde demnach das Salicin, nach Aufnahme von 2 At. Wasser = C26H20O16, in Zucker = C12H12O12 und Saligenin = C14H8O4 zerfällt, welches letztere nach Austritt von 2H in spiroylige Säure ühergeht. Gerbsäure **) = C18H8O12 erscheint im Harn als Gallussäure = C14H6O10 und Brenzgallussäure C12H6O6 (Wöhler und Frerichs). Diese Umwandlung ist dieselbe, welche Gerbsäure u. A. in schwach alkalischen Lösungen erleidet; sie ge- schieht, wie man sieht, unter Abscheidung nur von C4H2O2, oder gleichzeitig von 2CO2. Harnsäure = C5H2N2O3 bewirkt das Erscheinen von Oxalsäure C2O3 und Harnstoff C2H4N2O2 (Wöhler und Frerichs); um in diesen Stoff zerfallen zu kön- nen, muss, abgesehen von der Bildung anderer Zwischenprodukte, die Harnsäure 2HO aufgenommen haben. Thiosinammin = N2C8H8S2 gab Rhodanammonium = N2C2H4S2; aus dem ersten sind also C4H4 ausgeschieden worden. Essigsäure (= C4H3O3), äpfelsaure (C4H2O4), weinsaure (C4H2O5), citronensaure (C6H3O6) Kalien erscheinen im Harn als kohlensaure (Wöhler), vorausgesetzt, dass sie in nicht grosser Menge gereicht werden, in welchem Fall sie unverändert in den Harn übergehen (Millon). Organische Ammoniaksalze kommen im Harn als Salpeter- säure wieder (B. Jones) ***). Schwefelkalium erscheint im Harn als schwefelsau- res Kali. 3. Zimmt- und Benzoesäure, oder Stoffe, welche eine dieser Säuren enthalten (Benzoeäther und Perubalsam), oder durch Oxydation leicht in sie übergehen (Bitter- mandelöl), erscheinen im Harn als Hippursäure (Ure, Wöhler, Marchand, Fre- richs). Nach der vorgängigen Umwandlung dieser Stoffe in Benzoesäure C14H6O4 tritt zu dieser der Paarling = C4H3NO2 zur Bildung von Hippursäure = C18H9NO6. — In gleicher Weise geht Nitrobenzoesäure in Nitrohippursäure über (Bertagini) †). — Die der Benzoesäure homologe Amminsäure geht aber unverändert in den Harn über (W. Hofmann). Ferrocyanid kommt im Harn als Ferrocyanür wieder, in Folge einer von der Harnsäure ausgeübten Desoxydation (Buchheim) ††). Nach einem längern oder kürzern Gebrauch gehen Quecksilber, Wismuth, Blei, Zinn, Blutlaugensalz, Bernsteinsäure, Jod, der Farbstoff des Rhabarbers, des Lakmus, der Cochenille u. s. w., in den Urin über. 6. Harnbereitung. — a) Die wesentlichen Stoffe des Harns sind keine Produkte einer chemischen Thätigkeit der Niere; sie sind schon mit dem Blute in die Niere geführt und dort nur abgeschieden worden. Dafür spricht einmal die chemische Analyse der Blutextraktivstoffe und *) Mulder, l. c. 1279. **) Liebig’s Annalen. 65. Bd. ***) Liebig’s Annalen. 78. Bd. 251. — Proceedings of the royal society. vol. VII. 94. †) Compt. rend. XXXI. 490. ††) Mayer, De ratione qua ferrum nutetur in corpore. Dorp. 1850.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/288>, abgerufen am 25.11.2024.