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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Leber; Ausfuhr der neu gebildeten Stoffe.
eine Folge sein der neuen Stoffe, welche die Verdauung in das Blut führt,
oder die Folge der höhern Spannung, unter der das Blut während der
Verdauung die Leber durchströmt. -- Diese Thatsache weist aber jeden-
falls darauf hin, dass die Gallenbildung langsam vor sich gehe, und es
schliesst sich dieselbe somit an die früher erwähnte Erfahrung, dass der
Uebergang von einem Futter zum andern nicht momentan in der Gallen-
absonderung fühlbar sei.

7. Ausfuhr der neu gebildeten Stoffe aus der Leber. Der Inhalt der
Leberzellen entleert sich nach zwei Seiten hin, nach der einen, dem
Blut, geht der Zucker (und die stickstoffreichen Bestandtheile?), nach der
andern, den Lebergängen, die Galle. Die Strömung nach dem Blute
kann nur ein Diffusionsvorgang, die nach den Lebergängen zugleich eine
Filtration sein. Die auf den ersten Blick räthselhafte Scheidung dieser
beiden Lösungen ist zu erklären, entweder, wenn man annimmt, dass
die Diffusionsgeschwindigkeit der Gallenbestandtheile in das Blut hinein
geringer ist, als die des Zuckers; die Scheidung würde dann nach der
Seite des Bluts hin unvollständig sein, indem der Zucker mit einer Bei-
mengung von Galle dort erschiene. Oder man muss die Unterstellung
machen, dass der Zucker zu irgend einem Bestandtheile des Bluts An-
ziehungen besitzt, die der Galle fehlen.

Der Zucker tritt mit dem Lebervenenblut in das Herz und von dort
in die Lungen. Auf diesem Wege verschwindet er rasch, so dass schon
in dem linken Herzen keine Spur desselben mehr nachweisbar ist, wenn
nicht sehr grosse Mengen von Zucker aus der Leber traten (Cl. Bernard).

Die Galle kommt in die Lebergänge und wird in diesen weiter be-
fördert durch die Kräfte, welche sie in den Anfang derselben einpress-
ten. Wir sind zu dieser Vermuthung gedrängt durch die Abwesenheit
von Muskelfasern in den Wänden der Gänge, oder mit andern Worten
durch die Unmöglichkeit, den Strom durch die Gänge anders zu erklä-
ren. -- Anders verhält es sich mit dem Blaseninhalt; er kann nicht
durch die von den Wurzeln der Lebergefässe herrührenden Drücke aus
ihr gepresst werden. Man ist darum geneigt, ihrer Muskelschicht die
Austreibung der Galle zuzuschreiben, und zwar um so mehr, als man zu-
weilen wenigstens Zusammenziehungen derselben gesehen hat (H. Meyer *),
E. Brücke) **). Jedenfalls geschieht aber diese Zusammenziehung in
grossen Intervallen, ähnlich den Darmmuskeln. Wie es scheint, fallen
die Zeiten lebhafter Gallenabsonderung zusammen mit denen der erhöh-
ten Erregbarkeit in den Blasenmuskeln; denn es fanden Bidder und
Schmidt ***) die Blase bei hungernden Thieren immer gefüllt, bei ge-
fütterten dagegen leer.

*) De musculis in ductu effer. glandular. Berolini 1837. p. 29.
**) Sitzungsberichte der Wiener Akademie. 1851. 420.
***) l. c. p. 209.

Leber; Ausfuhr der neu gebildeten Stoffe.
eine Folge sein der neuen Stoffe, welche die Verdauung in das Blut führt,
oder die Folge der höhern Spannung, unter der das Blut während der
Verdauung die Leber durchströmt. — Diese Thatsache weist aber jeden-
falls darauf hin, dass die Gallenbildung langsam vor sich gehe, und es
schliesst sich dieselbe somit an die früher erwähnte Erfahrung, dass der
Uebergang von einem Futter zum andern nicht momentan in der Gallen-
absonderung fühlbar sei.

7. Ausfuhr der neu gebildeten Stoffe aus der Leber. Der Inhalt der
Leberzellen entleert sich nach zwei Seiten hin, nach der einen, dem
Blut, geht der Zucker (und die stickstoffreichen Bestandtheile?), nach der
andern, den Lebergängen, die Galle. Die Strömung nach dem Blute
kann nur ein Diffusionsvorgang, die nach den Lebergängen zugleich eine
Filtration sein. Die auf den ersten Blick räthselhafte Scheidung dieser
beiden Lösungen ist zu erklären, entweder, wenn man annimmt, dass
die Diffusionsgeschwindigkeit der Gallenbestandtheile in das Blut hinein
geringer ist, als die des Zuckers; die Scheidung würde dann nach der
Seite des Bluts hin unvollständig sein, indem der Zucker mit einer Bei-
mengung von Galle dort erschiene. Oder man muss die Unterstellung
machen, dass der Zucker zu irgend einem Bestandtheile des Bluts An-
ziehungen besitzt, die der Galle fehlen.

Der Zucker tritt mit dem Lebervenenblut in das Herz und von dort
in die Lungen. Auf diesem Wege verschwindet er rasch, so dass schon
in dem linken Herzen keine Spur desselben mehr nachweisbar ist, wenn
nicht sehr grosse Mengen von Zucker aus der Leber traten (Cl. Bernard).

Die Galle kommt in die Lebergänge und wird in diesen weiter be-
fördert durch die Kräfte, welche sie in den Anfang derselben einpress-
ten. Wir sind zu dieser Vermuthung gedrängt durch die Abwesenheit
von Muskelfasern in den Wänden der Gänge, oder mit andern Worten
durch die Unmöglichkeit, den Strom durch die Gänge anders zu erklä-
ren. — Anders verhält es sich mit dem Blaseninhalt; er kann nicht
durch die von den Wurzeln der Lebergefässe herrührenden Drücke aus
ihr gepresst werden. Man ist darum geneigt, ihrer Muskelschicht die
Austreibung der Galle zuzuschreiben, und zwar um so mehr, als man zu-
weilen wenigstens Zusammenziehungen derselben gesehen hat (H. Meyer *),
E. Brücke) **). Jedenfalls geschieht aber diese Zusammenziehung in
grossen Intervallen, ähnlich den Darmmuskeln. Wie es scheint, fallen
die Zeiten lebhafter Gallenabsonderung zusammen mit denen der erhöh-
ten Erregbarkeit in den Blasenmuskeln; denn es fanden Bidder und
Schmidt ***) die Blase bei hungernden Thieren immer gefüllt, bei ge-
fütterten dagegen leer.

*) De musculis in ductu effer. glandular. Berolini 1837. p. 29.
**) Sitzungsberichte der Wiener Akademie. 1851. 420.
***) l. c. p. 209.
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[232/0248] Leber; Ausfuhr der neu gebildeten Stoffe. eine Folge sein der neuen Stoffe, welche die Verdauung in das Blut führt, oder die Folge der höhern Spannung, unter der das Blut während der Verdauung die Leber durchströmt. — Diese Thatsache weist aber jeden- falls darauf hin, dass die Gallenbildung langsam vor sich gehe, und es schliesst sich dieselbe somit an die früher erwähnte Erfahrung, dass der Uebergang von einem Futter zum andern nicht momentan in der Gallen- absonderung fühlbar sei. 7. Ausfuhr der neu gebildeten Stoffe aus der Leber. Der Inhalt der Leberzellen entleert sich nach zwei Seiten hin, nach der einen, dem Blut, geht der Zucker (und die stickstoffreichen Bestandtheile?), nach der andern, den Lebergängen, die Galle. Die Strömung nach dem Blute kann nur ein Diffusionsvorgang, die nach den Lebergängen zugleich eine Filtration sein. Die auf den ersten Blick räthselhafte Scheidung dieser beiden Lösungen ist zu erklären, entweder, wenn man annimmt, dass die Diffusionsgeschwindigkeit der Gallenbestandtheile in das Blut hinein geringer ist, als die des Zuckers; die Scheidung würde dann nach der Seite des Bluts hin unvollständig sein, indem der Zucker mit einer Bei- mengung von Galle dort erschiene. Oder man muss die Unterstellung machen, dass der Zucker zu irgend einem Bestandtheile des Bluts An- ziehungen besitzt, die der Galle fehlen. Der Zucker tritt mit dem Lebervenenblut in das Herz und von dort in die Lungen. Auf diesem Wege verschwindet er rasch, so dass schon in dem linken Herzen keine Spur desselben mehr nachweisbar ist, wenn nicht sehr grosse Mengen von Zucker aus der Leber traten (Cl. Bernard). Die Galle kommt in die Lebergänge und wird in diesen weiter be- fördert durch die Kräfte, welche sie in den Anfang derselben einpress- ten. Wir sind zu dieser Vermuthung gedrängt durch die Abwesenheit von Muskelfasern in den Wänden der Gänge, oder mit andern Worten durch die Unmöglichkeit, den Strom durch die Gänge anders zu erklä- ren. — Anders verhält es sich mit dem Blaseninhalt; er kann nicht durch die von den Wurzeln der Lebergefässe herrührenden Drücke aus ihr gepresst werden. Man ist darum geneigt, ihrer Muskelschicht die Austreibung der Galle zuzuschreiben, und zwar um so mehr, als man zu- weilen wenigstens Zusammenziehungen derselben gesehen hat (H. Meyer *), E. Brücke) **). Jedenfalls geschieht aber diese Zusammenziehung in grossen Intervallen, ähnlich den Darmmuskeln. Wie es scheint, fallen die Zeiten lebhafter Gallenabsonderung zusammen mit denen der erhöh- ten Erregbarkeit in den Blasenmuskeln; denn es fanden Bidder und Schmidt ***) die Blase bei hungernden Thieren immer gefüllt, bei ge- fütterten dagegen leer. *) De musculis in ductu effer. glandular. Berolini 1837. p. 29. **) Sitzungsberichte der Wiener Akademie. 1851. 420. ***) l. c. p. 209.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/248>, abgerufen am 24.04.2024.