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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Leber; Galle.

Um die Gallenmenge zu erfahren, welche in der Zeiteinheit abgesondert
wird, legt man nach dem Vorgang von Schwann meist permanente Fisteln der
Gallenblase an, nachdem man den gemeinschaftlichen Gallengang unterbunden hat.
Die Beobachtung beginnt man erst dann, wenn die Wunde vollkommen vernarbt und
die in Folge des operativen Eingriffs eingetretene Bauchfellentzündung gehoben ist.
Bei Anwendung dieses allerdings unschätzbaren Verfahrens hat man zu berücksichti-
gen: 1) Der Abschluss der Galle von dem Darmrohr verändert die Verdauung inso-
fern, als sie die Aufnahme der genossenen Fette in das Blut hindert oder mindestens
erschwert; zugleich aber wird die Galle, welche unter normalen Verhältnissen in den
Darmkanal ergossen und von dort wieder in das Blut zurückgeführt worden wäre,
jetzt aus dem Kreislauf des Lebens entfernt. Aus beiden Gründen magern die Thiere,
vorausgesetzt, dass man ihnen das Maass der im gewöhnlichen Leben hinreichenden
Kost giebt, so beträchtlich ab, dass sie in Folge davon zu Grunde gehen. Man
muss also, um diesen Ausfall zu decken, das Gewicht ihrer Nahrung steigern; aber
eine einfache Deckung desselben scheint nach den Beobachtungen von Arnold nicht
zu genügen, sondern es muss ein sehr beträchtlicher Ueberschuss gegeben werden.
Wenn sich diese interessante Entdeckung bestätigt, so kann sie nur durch die An-
nahme erklärt werden, dass bei der Anwesenheit der Gallenbestandtheile im Blut der
Stoffumsatz im thierischen Körper langsamer als bei ihrer Abwesenheit vor sich geht.
Daraus resultirt aber, dass die quantitativen Verhältnisse der Gallenabsonderung nicht
die normalen sein können. Arnold ist geneigt anzunehmen, dass sie wegen der
reichlichen Fütterung gesteigert sein möchte. -- 2) Die Zustände der Leber oder
des Körpers überhaupt scheinen sich während des Bestehens der Fistel allmählig da-
hin zu ändern, dass aus denselben eine Verminderung der Gallenabsonderung resul-
tirt; es ist also die Gallenabsonderung bei ein und demselben Thier zu Anfang und
zu Ende einer länger dauernden Beobachtungsreihe nicht vergleichbar (H. Nasse).

Diesen Uebelständen suchten Bidder und Schmidt dadurch aus dem Wege
zu gehen, dass sie temporäre Gallenfisteln benutzten, indem sie einige Stunden nach
der Anlegung derselben, und namentlich bevor entzündliche Erscheinungen im Unter-
leibe eingetreten, die Galle auffingen. So sehr es nach den vorliegenden Beobach-
tungen den Anschein hat, als ob dieses freilich nur für kurze Zeiträume verwendbare
Verfahren die obigen Bedenken ausschliesst, so wäre es doch wünschenswerth, an
einem und demselben Thiere beide Methoden zu benutzen, um sich von ihrem rela-
tiven Werthe zu überzeugen. -- 3) Der Ableitung und dem Auffangen der Galle aus
der Fistelöffnung muss endlich die grösste Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wird
sie nicht sorgsam entleert, und verstopft sich namentlich die Fistelöffnung, so dass
der Inhalt der Gallengefässe unter eine erhöhte Spannung kommt, so tritt ein Theil
und unter Umständen die ganze Galle in das Blut zurück (Kölliker und Müller),
so dass aus der Fistel, selbst wenn sie nun eröffnet wird, gar keine Galle zum Vor-
schein kommt. Um diesen Ausfluss zu reguliren, sind verschiedene Canülen angege-
ben, unter denen die von Arnold empfehlenswerth zu sein scheint, indem ihre An-
wendung den Vortheil gewährt, dass die ausgetretene Galle in einen vor Verdunstung
geschützten Ort zu liegen kommt. -- Ein ganz eigenthümlicher Fehler wird in die
Gallenbestimmung noch dadurch eingeführt, dass der unterbundene und durchschnittene
Gallengang sich häufig wieder herstellt, so dass sich dann die Galle ganz oder theil-
weise wieder in den Darmkanal ergiessen kann. Im zweifelhaften Fall kann am
lebenden Thier die Wiederherstellung des Gallengangs ermittelt werden durch eine
Injektion der Gallenblase mit Wasser, in dem gefärbte Partikelchen aufgeschwemmt
sind. Erscheinen diese im Koth wieder, so war der Gang natürlich wieder herge-
stellt; meistentheils leistet den Dienst des eben vorgeschlagenen Mittels schon der
Gallenfarbstoff.

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Leber; Galle.

Um die Gallenmenge zu erfahren, welche in der Zeiteinheit abgesondert
wird, legt man nach dem Vorgang von Schwann meist permanente Fisteln der
Gallenblase an, nachdem man den gemeinschaftlichen Gallengang unterbunden hat.
Die Beobachtung beginnt man erst dann, wenn die Wunde vollkommen vernarbt und
die in Folge des operativen Eingriffs eingetretene Bauchfellentzündung gehoben ist.
Bei Anwendung dieses allerdings unschätzbaren Verfahrens hat man zu berücksichti-
gen: 1) Der Abschluss der Galle von dem Darmrohr verändert die Verdauung inso-
fern, als sie die Aufnahme der genossenen Fette in das Blut hindert oder mindestens
erschwert; zugleich aber wird die Galle, welche unter normalen Verhältnissen in den
Darmkanal ergossen und von dort wieder in das Blut zurückgeführt worden wäre,
jetzt aus dem Kreislauf des Lebens entfernt. Aus beiden Gründen magern die Thiere,
vorausgesetzt, dass man ihnen das Maass der im gewöhnlichen Leben hinreichenden
Kost giebt, so beträchtlich ab, dass sie in Folge davon zu Grunde gehen. Man
muss also, um diesen Ausfall zu decken, das Gewicht ihrer Nahrung steigern; aber
eine einfache Deckung desselben scheint nach den Beobachtungen von Arnold nicht
zu genügen, sondern es muss ein sehr beträchtlicher Ueberschuss gegeben werden.
Wenn sich diese interessante Entdeckung bestätigt, so kann sie nur durch die An-
nahme erklärt werden, dass bei der Anwesenheit der Gallenbestandtheile im Blut der
Stoffumsatz im thierischen Körper langsamer als bei ihrer Abwesenheit vor sich geht.
Daraus resultirt aber, dass die quantitativen Verhältnisse der Gallenabsonderung nicht
die normalen sein können. Arnold ist geneigt anzunehmen, dass sie wegen der
reichlichen Fütterung gesteigert sein möchte. — 2) Die Zustände der Leber oder
des Körpers überhaupt scheinen sich während des Bestehens der Fistel allmählig da-
hin zu ändern, dass aus denselben eine Verminderung der Gallenabsonderung resul-
tirt; es ist also die Gallenabsonderung bei ein und demselben Thier zu Anfang und
zu Ende einer länger dauernden Beobachtungsreihe nicht vergleichbar (H. Nasse).

Diesen Uebelständen suchten Bidder und Schmidt dadurch aus dem Wege
zu gehen, dass sie temporäre Gallenfisteln benutzten, indem sie einige Stunden nach
der Anlegung derselben, und namentlich bevor entzündliche Erscheinungen im Unter-
leibe eingetreten, die Galle auffingen. So sehr es nach den vorliegenden Beobach-
tungen den Anschein hat, als ob dieses freilich nur für kurze Zeiträume verwendbare
Verfahren die obigen Bedenken ausschliesst, so wäre es doch wünschenswerth, an
einem und demselben Thiere beide Methoden zu benutzen, um sich von ihrem rela-
tiven Werthe zu überzeugen. — 3) Der Ableitung und dem Auffangen der Galle aus
der Fistelöffnung muss endlich die grösste Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wird
sie nicht sorgsam entleert, und verstopft sich namentlich die Fistelöffnung, so dass
der Inhalt der Gallengefässe unter eine erhöhte Spannung kommt, so tritt ein Theil
und unter Umständen die ganze Galle in das Blut zurück (Kölliker und Müller),
so dass aus der Fistel, selbst wenn sie nun eröffnet wird, gar keine Galle zum Vor-
schein kommt. Um diesen Ausfluss zu reguliren, sind verschiedene Canülen angege-
ben, unter denen die von Arnold empfehlenswerth zu sein scheint, indem ihre An-
wendung den Vortheil gewährt, dass die ausgetretene Galle in einen vor Verdunstung
geschützten Ort zu liegen kommt. — Ein ganz eigenthümlicher Fehler wird in die
Gallenbestimmung noch dadurch eingeführt, dass der unterbundene und durchschnittene
Gallengang sich häufig wieder herstellt, so dass sich dann die Galle ganz oder theil-
weise wieder in den Darmkanal ergiessen kann. Im zweifelhaften Fall kann am
lebenden Thier die Wiederherstellung des Gallengangs ermittelt werden durch eine
Injektion der Gallenblase mit Wasser, in dem gefärbte Partikelchen aufgeschwemmt
sind. Erscheinen diese im Koth wieder, so war der Gang natürlich wieder herge-
stellt; meistentheils leistet den Dienst des eben vorgeschlagenen Mittels schon der
Gallenfarbstoff.

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[227/0243] Leber; Galle. Um die Gallenmenge zu erfahren, welche in der Zeiteinheit abgesondert wird, legt man nach dem Vorgang von Schwann meist permanente Fisteln der Gallenblase an, nachdem man den gemeinschaftlichen Gallengang unterbunden hat. Die Beobachtung beginnt man erst dann, wenn die Wunde vollkommen vernarbt und die in Folge des operativen Eingriffs eingetretene Bauchfellentzündung gehoben ist. Bei Anwendung dieses allerdings unschätzbaren Verfahrens hat man zu berücksichti- gen: 1) Der Abschluss der Galle von dem Darmrohr verändert die Verdauung inso- fern, als sie die Aufnahme der genossenen Fette in das Blut hindert oder mindestens erschwert; zugleich aber wird die Galle, welche unter normalen Verhältnissen in den Darmkanal ergossen und von dort wieder in das Blut zurückgeführt worden wäre, jetzt aus dem Kreislauf des Lebens entfernt. Aus beiden Gründen magern die Thiere, vorausgesetzt, dass man ihnen das Maass der im gewöhnlichen Leben hinreichenden Kost giebt, so beträchtlich ab, dass sie in Folge davon zu Grunde gehen. Man muss also, um diesen Ausfall zu decken, das Gewicht ihrer Nahrung steigern; aber eine einfache Deckung desselben scheint nach den Beobachtungen von Arnold nicht zu genügen, sondern es muss ein sehr beträchtlicher Ueberschuss gegeben werden. Wenn sich diese interessante Entdeckung bestätigt, so kann sie nur durch die An- nahme erklärt werden, dass bei der Anwesenheit der Gallenbestandtheile im Blut der Stoffumsatz im thierischen Körper langsamer als bei ihrer Abwesenheit vor sich geht. Daraus resultirt aber, dass die quantitativen Verhältnisse der Gallenabsonderung nicht die normalen sein können. Arnold ist geneigt anzunehmen, dass sie wegen der reichlichen Fütterung gesteigert sein möchte. — 2) Die Zustände der Leber oder des Körpers überhaupt scheinen sich während des Bestehens der Fistel allmählig da- hin zu ändern, dass aus denselben eine Verminderung der Gallenabsonderung resul- tirt; es ist also die Gallenabsonderung bei ein und demselben Thier zu Anfang und zu Ende einer länger dauernden Beobachtungsreihe nicht vergleichbar (H. Nasse). Diesen Uebelständen suchten Bidder und Schmidt dadurch aus dem Wege zu gehen, dass sie temporäre Gallenfisteln benutzten, indem sie einige Stunden nach der Anlegung derselben, und namentlich bevor entzündliche Erscheinungen im Unter- leibe eingetreten, die Galle auffingen. So sehr es nach den vorliegenden Beobach- tungen den Anschein hat, als ob dieses freilich nur für kurze Zeiträume verwendbare Verfahren die obigen Bedenken ausschliesst, so wäre es doch wünschenswerth, an einem und demselben Thiere beide Methoden zu benutzen, um sich von ihrem rela- tiven Werthe zu überzeugen. — 3) Der Ableitung und dem Auffangen der Galle aus der Fistelöffnung muss endlich die grösste Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wird sie nicht sorgsam entleert, und verstopft sich namentlich die Fistelöffnung, so dass der Inhalt der Gallengefässe unter eine erhöhte Spannung kommt, so tritt ein Theil und unter Umständen die ganze Galle in das Blut zurück (Kölliker und Müller), so dass aus der Fistel, selbst wenn sie nun eröffnet wird, gar keine Galle zum Vor- schein kommt. Um diesen Ausfluss zu reguliren, sind verschiedene Canülen angege- ben, unter denen die von Arnold empfehlenswerth zu sein scheint, indem ihre An- wendung den Vortheil gewährt, dass die ausgetretene Galle in einen vor Verdunstung geschützten Ort zu liegen kommt. — Ein ganz eigenthümlicher Fehler wird in die Gallenbestimmung noch dadurch eingeführt, dass der unterbundene und durchschnittene Gallengang sich häufig wieder herstellt, so dass sich dann die Galle ganz oder theil- weise wieder in den Darmkanal ergiessen kann. Im zweifelhaften Fall kann am lebenden Thier die Wiederherstellung des Gallengangs ermittelt werden durch eine Injektion der Gallenblase mit Wasser, in dem gefärbte Partikelchen aufgeschwemmt sind. Erscheinen diese im Koth wieder, so war der Gang natürlich wieder herge- stellt; meistentheils leistet den Dienst des eben vorgeschlagenen Mittels schon der Gallenfarbstoff. 15*

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/243>, abgerufen am 23.11.2024.