welche die Röhrenwände und Scheiden zurücklässt, das Röhrenmark aber löst, aus den Muskeln alter Thiere einen grössern proportionalen Antheil auflöst, als aus denen junger.
Die Muskelzelle entsteht durch Auswachsen der Bildungszellen; im spätern Leben bildet sie sich sehr leicht nach ihrer Zerstörung wie- der, ohne dass die gleichzeitige Entwickelung von Nerven beobach- tet wird.
Der Inhalt des lebenden Muskelrohrs kommt niemals zu einem che- mischen Gleichgewicht. Aus den frühern ausführlichen Mittheilungen hierüber heben wir nur noch hervor, dass der Inhalt erstarrt, wenn der zu ihnen führende Blutstrom unterbunden ist, dass sie aber, so lange dieser zu ihnen tritt, auch Kohlensäure und zu den Zeiten der Erre- gung Kreatin, Kreatinin, Michsäure u. s. w. liefern. Ueber die Geschwin- digkeit des Stoffwechsels fehlen Angaben; etwas weniges ist uns nur be- kannt über das Verhältniss der zu- und abgehenden Strömung. Die Zu- fuhr überwiegt den Abfluss, wenn bei hinreichender und insbesondere bei fleischhaltiger Nahrung die Muskeln häufig und angestrengt in Ver- kürzung gerathen. In diesem Falle nehmen nemlich die Muskeln an Umfang zu. -- Umgekehrt verhalten sich die Dinge bei Entziehung der Nahrung, namentlich verdünnen sich die Muskelröhren auch, wenn die Thiere nur mit Eiweiss gefüttert werden, so dass sie aus Mangel an Fett oder Amylon verhungern. Doch ist die Abnahme derselben dann gerin- ger, als wenn sie umgekehrt durch Entziehung des Eiweisses verhun- gern (Schuchardt) *). Die Muskeln nehmen auch an Gewicht ab, wenn sie bei noch so guter Ernährung lange Zeit in dem verlänger- ten Zustand verharren, hierbei ist es gleichgiltig, ob das Verharren in diesem Zustand bedingt war durch Abwesenheit der Nervenerregung, Zerstörung eines Gelenkes u. s. w. -- Die Umsetzung der Stoffe im Rohr wird damit auch qualitativ geändert, da die verkümmerten Mus- keln sehr reich an Fett werden.
Die Muskeln sind öfter auch im Ganzen analysirt worden; bei einem Mangel an genügenden Hilfsmitteln, um Bindegewebe, Gefässe, Fett, Muskelröhren, Blut und Muskelsäfte zu scheiden, sind diese Beobachtungen natürlich unvollkommen; für die Physiologie der Muskelernährung sind sie auch noch nicht von Bedeutung geworden; dagegen nehmen sie ihren wahren Platz ein in den Verzeichnissen der Nahrungs- mittel. -- Das einzige, was vielleicht schon hier bemerkt werden musste, ist die Beobachtung von Schottin, nach welcher das Blutserum eines Thiers 10 pCt. Wasser mehr enthält, als die Muskeln, welche möglichst von Fett und Bindegewebe befreit sind. Damit kommt nun allerdings die Erfahrung von Schlossberger und Bibra**) nicht überein, wonach die Muskeln junger Thiere um 2 pCt. wasserhalti- ger sind, als die der ältern.
*) Quaedam de effectn etc. Marburg 1847.
**)Schlossberger im Jahresbericht v. Berzelius. XXIII. Bd. 608. -- v. Bibra im Jahresbe- richt v. Scherer für 1845. 131.
Muskeln.
welche die Röhrenwände und Scheiden zurücklässt, das Röhrenmark aber löst, aus den Muskeln alter Thiere einen grössern proportionalen Antheil auflöst, als aus denen junger.
Die Muskelzelle entsteht durch Auswachsen der Bildungszellen; im spätern Leben bildet sie sich sehr leicht nach ihrer Zerstörung wie- der, ohne dass die gleichzeitige Entwickelung von Nerven beobach- tet wird.
Der Inhalt des lebenden Muskelrohrs kommt niemals zu einem che- mischen Gleichgewicht. Aus den frühern ausführlichen Mittheilungen hierüber heben wir nur noch hervor, dass der Inhalt erstarrt, wenn der zu ihnen führende Blutstrom unterbunden ist, dass sie aber, so lange dieser zu ihnen tritt, auch Kohlensäure und zu den Zeiten der Erre- gung Kreatin, Kreatinin, Michsäure u. s. w. liefern. Ueber die Geschwin- digkeit des Stoffwechsels fehlen Angaben; etwas weniges ist uns nur be- kannt über das Verhältniss der zu- und abgehenden Strömung. Die Zu- fuhr überwiegt den Abfluss, wenn bei hinreichender und insbesondere bei fleischhaltiger Nahrung die Muskeln häufig und angestrengt in Ver- kürzung gerathen. In diesem Falle nehmen nemlich die Muskeln an Umfang zu. — Umgekehrt verhalten sich die Dinge bei Entziehung der Nahrung, namentlich verdünnen sich die Muskelröhren auch, wenn die Thiere nur mit Eiweiss gefüttert werden, so dass sie aus Mangel an Fett oder Amylon verhungern. Doch ist die Abnahme derselben dann gerin- ger, als wenn sie umgekehrt durch Entziehung des Eiweisses verhun- gern (Schuchardt) *). Die Muskeln nehmen auch an Gewicht ab, wenn sie bei noch so guter Ernährung lange Zeit in dem verlänger- ten Zustand verharren, hierbei ist es gleichgiltig, ob das Verharren in diesem Zustand bedingt war durch Abwesenheit der Nervenerregung, Zerstörung eines Gelenkes u. s. w. — Die Umsetzung der Stoffe im Rohr wird damit auch qualitativ geändert, da die verkümmerten Mus- keln sehr reich an Fett werden.
Die Muskeln sind öfter auch im Ganzen analysirt worden; bei einem Mangel an genügenden Hilfsmitteln, um Bindegewebe, Gefässe, Fett, Muskelröhren, Blut und Muskelsäfte zu scheiden, sind diese Beobachtungen natürlich unvollkommen; für die Physiologie der Muskelernährung sind sie auch noch nicht von Bedeutung geworden; dagegen nehmen sie ihren wahren Platz ein in den Verzeichnissen der Nahrungs- mittel. — Das einzige, was vielleicht schon hier bemerkt werden musste, ist die Beobachtung von Schottin, nach welcher das Blutserum eines Thiers 10 pCt. Wasser mehr enthält, als die Muskeln, welche möglichst von Fett und Bindegewebe befreit sind. Damit kommt nun allerdings die Erfahrung von Schlossberger und Bibra**) nicht überein, wonach die Muskeln junger Thiere um 2 pCt. wasserhalti- ger sind, als die der ältern.
*) Quaedam de effectn etc. Marburg 1847.
**)Schlossberger im Jahresbericht v. Berzelius. XXIII. Bd. 608. — v. Bibra im Jahresbe- richt v. Scherer für 1845. 131.
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Muskeln.
welche die Röhrenwände und Scheiden zurücklässt, das Röhrenmark aber
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auflöst, als aus denen junger.
Die Muskelzelle entsteht durch Auswachsen der Bildungszellen;
im spätern Leben bildet sie sich sehr leicht nach ihrer Zerstörung wie-
der, ohne dass die gleichzeitige Entwickelung von Nerven beobach-
tet wird.
Der Inhalt des lebenden Muskelrohrs kommt niemals zu einem che-
mischen Gleichgewicht. Aus den frühern ausführlichen Mittheilungen
hierüber heben wir nur noch hervor, dass der Inhalt erstarrt, wenn der
zu ihnen führende Blutstrom unterbunden ist, dass sie aber, so lange
dieser zu ihnen tritt, auch Kohlensäure und zu den Zeiten der Erre-
gung Kreatin, Kreatinin, Michsäure u. s. w. liefern. Ueber die Geschwin-
digkeit des Stoffwechsels fehlen Angaben; etwas weniges ist uns nur be-
kannt über das Verhältniss der zu- und abgehenden Strömung. Die Zu-
fuhr überwiegt den Abfluss, wenn bei hinreichender und insbesondere
bei fleischhaltiger Nahrung die Muskeln häufig und angestrengt in Ver-
kürzung gerathen. In diesem Falle nehmen nemlich die Muskeln an
Umfang zu. — Umgekehrt verhalten sich die Dinge bei Entziehung der
Nahrung, namentlich verdünnen sich die Muskelröhren auch, wenn die
Thiere nur mit Eiweiss gefüttert werden, so dass sie aus Mangel an Fett
oder Amylon verhungern. Doch ist die Abnahme derselben dann gerin-
ger, als wenn sie umgekehrt durch Entziehung des Eiweisses verhun-
gern (Schuchardt) *). Die Muskeln nehmen auch an Gewicht ab,
wenn sie bei noch so guter Ernährung lange Zeit in dem verlänger-
ten Zustand verharren, hierbei ist es gleichgiltig, ob das Verharren
in diesem Zustand bedingt war durch Abwesenheit der Nervenerregung,
Zerstörung eines Gelenkes u. s. w. — Die Umsetzung der Stoffe im
Rohr wird damit auch qualitativ geändert, da die verkümmerten Mus-
keln sehr reich an Fett werden.
Die Muskeln sind öfter auch im Ganzen analysirt worden; bei einem Mangel an
genügenden Hilfsmitteln, um Bindegewebe, Gefässe, Fett, Muskelröhren, Blut und
Muskelsäfte zu scheiden, sind diese Beobachtungen natürlich unvollkommen; für die
Physiologie der Muskelernährung sind sie auch noch nicht von Bedeutung geworden;
dagegen nehmen sie ihren wahren Platz ein in den Verzeichnissen der Nahrungs-
mittel. — Das einzige, was vielleicht schon hier bemerkt werden musste, ist die
Beobachtung von Schottin, nach welcher das Blutserum eines Thiers 10 pCt.
Wasser mehr enthält, als die Muskeln, welche möglichst von Fett und Bindegewebe
befreit sind. Damit kommt nun allerdings die Erfahrung von Schlossberger und
Bibra **) nicht überein, wonach die Muskeln junger Thiere um 2 pCt. wasserhalti-
ger sind, als die der ältern.
*) Quaedam de effectn etc. Marburg 1847.
**) Schlossberger im Jahresbericht v. Berzelius. XXIII. Bd. 608. — v. Bibra im Jahresbe-
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/226>, abgerufen am 28.11.2024.
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