Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Hirn- und Rückenmark.
sauren Alkalien in Lösung; ausserdem hat man in ihm gefunden die Häute
der Gefässe und Nervenröhren, unlösliche eiweisshaltige (?) Körper, Gly-
cerinphosphorsäure, Cerebrinsäure, Cholestearin, Olein, Margarin und ein
Gemenge anderer nicht näher untersuchter, fettartiger Stoffe, Eisen,
Kieselsäure, phosphorsaurer Kalk und Talk. -- Das Verhältniss, in wel-
chem diese Stoffe in den verschiedenen Hirntheilen vorkommen, ist nicht
gleich. John und Lassaigne hatten schon gefunden, dass die weisse,
nur aus Nervenröhren zusammengesetzte Substanz viel reicher an Fett
und dagegen viel ärmer an Wasser sei, als die graue. Diese Beobach-
tung ist durch eine ausgedehnte Versuchsreihe von Hauff, Walther
und v. Bibra bestätigt worden, welche in der weissen Substanz 69,6
bis 70,6 pCt., in der grauen dagegen nur 84,8 bis 86,4 pCt. Wasser fan-
den, während die erstere 14,9 bis 17,0 pCt., die letztere dagegen 4,8
bis 5,1 pCt. Fett enthielt. Schlossberger fügt hierzu die Erfah-
rung, dass diese Unterschiede zwischen weisser und grauer Substanz in
dem Hirn von Neugeborenen noch nicht bestehen, indem beide zwischen
88,5 und 89,8 pCt. Wasser und 3,5 bis 3,8 Fett enthalten. Die Fette
der beiden Substanzen unterscheiden sich dadurch, dass in der weissen
die Cerebrinsäure, in der grauen dagegen die unbekannten Fettarten
überwiegen, Cholestarin scheint in beiden Fettarten ungefähr gleich viel
zu sein (v. Bibra), und ebenso ist auch die Asche beider Hirnmassen
nicht gleich zusammengesetzt, da diejenige der weissen Substanz stark
sauer, die der grauen aber alkalisch reagirt (Lassaigne, Schloss-
berger
). Der Grund für die saure Beschaffenheit der Weisshirnasche
ist gelegen in dem starken Gehalt ihrer phosphor- und phosphorsäure-
haltigen Fette.

Beliebige Stücke der Hirnsubstanz, die man ohne Sonderung der
weissen und grauen Masse ausgeschnitten hatte, sind demnach begreif-
lich nicht überall gleich zusammengesetzt. Vauquelin beobachtete, dass
medulla spinalis und oblongata am fettreichsten sei, und Bibra, der
dieses bestätigt, setzt hinzu, dass dann mit abnehmendem Fettgehalt der
Reihe nach folgen die Grosshirnhemisphären, cerebellum und pons, crura
cerebri, corpora striata und thalami optici. Dieser Fettgehalt ist bei
Embryonen und jungen Kindern geringer, späterhin, namentlich jenseits
der Pubertät ist er unabhängig vom Alter; dasselbe gilt von dem Fett-
reichthum des übrigen Körpers, indem magere und fette Personen ganz
denselben Fettwerth bieten (v. Bibra). Um einen Begriff von der Zu-
sammensetzung der mineralischen Hirnbestandtheile zu geben, fügen wir
eine Analyse derselben von Breed bei. 100 Theile frischen Hirns hinter-
liessen 0,027 Asche, welche in 100 Theilen aus 55,24 pyrophosphor-
saurem Kali; 22,93 pyroph. Natron; 1,23 pyroph. Eisen; 1,62 pyroph.
Kalk; 3,4 pyroph. Magnesia; 4,74 Chlornatrium; 1,64 schwefelsaurem

Hirn- und Rückenmark.
sauren Alkalien in Lösung; ausserdem hat man in ihm gefunden die Häute
der Gefässe und Nervenröhren, unlösliche eiweisshaltige (?) Körper, Gly-
cerinphosphorsäure, Cerebrinsäure, Cholestearin, Olein, Margarin und ein
Gemenge anderer nicht näher untersuchter, fettartiger Stoffe, Eisen,
Kieselsäure, phosphorsaurer Kalk und Talk. — Das Verhältniss, in wel-
chem diese Stoffe in den verschiedenen Hirntheilen vorkommen, ist nicht
gleich. John und Lassaigne hatten schon gefunden, dass die weisse,
nur aus Nervenröhren zusammengesetzte Substanz viel reicher an Fett
und dagegen viel ärmer an Wasser sei, als die graue. Diese Beobach-
tung ist durch eine ausgedehnte Versuchsreihe von Hauff, Walther
und v. Bibra bestätigt worden, welche in der weissen Substanz 69,6
bis 70,6 pCt., in der grauen dagegen nur 84,8 bis 86,4 pCt. Wasser fan-
den, während die erstere 14,9 bis 17,0 pCt., die letztere dagegen 4,8
bis 5,1 pCt. Fett enthielt. Schlossberger fügt hierzu die Erfah-
rung, dass diese Unterschiede zwischen weisser und grauer Substanz in
dem Hirn von Neugeborenen noch nicht bestehen, indem beide zwischen
88,5 und 89,8 pCt. Wasser und 3,5 bis 3,8 Fett enthalten. Die Fette
der beiden Substanzen unterscheiden sich dadurch, dass in der weissen
die Cerebrinsäure, in der grauen dagegen die unbekannten Fettarten
überwiegen, Cholestarin scheint in beiden Fettarten ungefähr gleich viel
zu sein (v. Bibra), und ebenso ist auch die Asche beider Hirnmassen
nicht gleich zusammengesetzt, da diejenige der weissen Substanz stark
sauer, die der grauen aber alkalisch reagirt (Lassaigne, Schloss-
berger
). Der Grund für die saure Beschaffenheit der Weisshirnasche
ist gelegen in dem starken Gehalt ihrer phosphor- und phosphorsäure-
haltigen Fette.

Beliebige Stücke der Hirnsubstanz, die man ohne Sonderung der
weissen und grauen Masse ausgeschnitten hatte, sind demnach begreif-
lich nicht überall gleich zusammengesetzt. Vauquelin beobachtete, dass
medulla spinalis und oblongata am fettreichsten sei, und Bibra, der
dieses bestätigt, setzt hinzu, dass dann mit abnehmendem Fettgehalt der
Reihe nach folgen die Grosshirnhemisphären, cerebellum und pons, crura
cerebri, corpora striata und thalami optici. Dieser Fettgehalt ist bei
Embryonen und jungen Kindern geringer, späterhin, namentlich jenseits
der Pubertät ist er unabhängig vom Alter; dasselbe gilt von dem Fett-
reichthum des übrigen Körpers, indem magere und fette Personen ganz
denselben Fettwerth bieten (v. Bibra). Um einen Begriff von der Zu-
sammensetzung der mineralischen Hirnbestandtheile zu geben, fügen wir
eine Analyse derselben von Breed bei. 100 Theile frischen Hirns hinter-
liessen 0,027 Asche, welche in 100 Theilen aus 55,24 pyrophosphor-
saurem Kali; 22,93 pyroph. Natron; 1,23 pyroph. Eisen; 1,62 pyroph.
Kalk; 3,4 pyroph. Magnesia; 4,74 Chlornatrium; 1,64 schwefelsaurem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0224" n="208"/><fw place="top" type="header">Hirn- und Rückenmark.</fw><lb/>
sauren Alkalien in Lösung; ausserdem hat man in ihm gefunden die Häute<lb/>
der Gefässe und Nervenröhren, unlösliche eiweisshaltige (?) Körper, Gly-<lb/>
cerinphosphorsäure, Cerebrinsäure, Cholestearin, Olein, Margarin und ein<lb/>
Gemenge anderer nicht näher untersuchter, fettartiger Stoffe, Eisen,<lb/>
Kieselsäure, phosphorsaurer Kalk und Talk. &#x2014; Das Verhältniss, in wel-<lb/>
chem diese Stoffe in den verschiedenen Hirntheilen vorkommen, ist nicht<lb/>
gleich. <hi rendition="#g">John</hi> und <hi rendition="#g">Lassaigne</hi> hatten schon gefunden, dass die weisse,<lb/>
nur aus Nervenröhren zusammengesetzte Substanz viel reicher an Fett<lb/>
und dagegen viel ärmer an Wasser sei, als die graue. Diese Beobach-<lb/>
tung ist durch eine ausgedehnte Versuchsreihe von <hi rendition="#g">Hauff, Walther</hi><lb/>
und v. <hi rendition="#g">Bibra</hi> bestätigt worden, welche in der weissen Substanz <hi rendition="#b">69,6</hi><lb/>
bis <hi rendition="#b">70,6</hi> pCt., in der grauen dagegen nur <hi rendition="#b">84,8</hi> bis <hi rendition="#b">86,4</hi> pCt. Wasser fan-<lb/>
den, während die erstere <hi rendition="#b">14,9</hi> bis <hi rendition="#b">17,0</hi> pCt., die letztere dagegen <hi rendition="#b">4,8</hi><lb/>
bis <hi rendition="#b">5,1</hi> pCt. Fett enthielt. <hi rendition="#g">Schlossberger</hi> fügt hierzu die Erfah-<lb/>
rung, dass diese Unterschiede zwischen weisser und grauer Substanz in<lb/>
dem Hirn von Neugeborenen noch nicht bestehen, indem beide zwischen<lb/><hi rendition="#b">88,5</hi> und <hi rendition="#b">89,8</hi> pCt. Wasser und <hi rendition="#b">3,5</hi> bis <hi rendition="#b">3,8</hi> Fett enthalten. Die Fette<lb/>
der beiden Substanzen unterscheiden sich dadurch, dass in der weissen<lb/>
die Cerebrinsäure, in der grauen dagegen die unbekannten Fettarten<lb/>
überwiegen, Cholestarin scheint in beiden Fettarten ungefähr gleich viel<lb/>
zu sein (v. <hi rendition="#g">Bibra</hi>), und ebenso ist auch die Asche beider Hirnmassen<lb/>
nicht gleich zusammengesetzt, da diejenige der weissen Substanz stark<lb/>
sauer, die der grauen aber alkalisch reagirt (<hi rendition="#g">Lassaigne, Schloss-<lb/>
berger</hi>). Der Grund für die saure Beschaffenheit der Weisshirnasche<lb/>
ist gelegen in dem starken Gehalt ihrer phosphor- und phosphorsäure-<lb/>
haltigen Fette.</p><lb/>
            <p>Beliebige Stücke der Hirnsubstanz, die man ohne Sonderung der<lb/>
weissen und grauen Masse ausgeschnitten hatte, sind demnach begreif-<lb/>
lich nicht überall gleich zusammengesetzt. <hi rendition="#g">Vauquelin</hi> beobachtete, dass<lb/>
medulla spinalis und oblongata am fettreichsten sei, und <hi rendition="#g">Bibra</hi>, der<lb/>
dieses bestätigt, setzt hinzu, dass dann mit abnehmendem Fettgehalt der<lb/>
Reihe nach folgen die Grosshirnhemisphären, cerebellum und pons, crura<lb/>
cerebri, corpora striata und thalami optici. Dieser Fettgehalt ist bei<lb/>
Embryonen und jungen Kindern geringer, späterhin, namentlich jenseits<lb/>
der Pubertät ist er unabhängig vom Alter; dasselbe gilt von dem Fett-<lb/>
reichthum des übrigen Körpers, indem magere und fette Personen ganz<lb/>
denselben Fettwerth bieten (v. <hi rendition="#g">Bibra</hi>). Um einen Begriff von der Zu-<lb/>
sammensetzung der mineralischen Hirnbestandtheile zu geben, fügen wir<lb/>
eine Analyse derselben von <hi rendition="#g">Breed</hi> bei. <hi rendition="#b">100</hi> Theile frischen Hirns hinter-<lb/>
liessen <hi rendition="#b">0,027</hi> Asche, welche in <hi rendition="#b">100</hi> Theilen aus <hi rendition="#b">55,24</hi> pyrophosphor-<lb/>
saurem Kali; <hi rendition="#b">22,93</hi> pyroph. Natron; <hi rendition="#b">1,23</hi> pyroph. Eisen; <hi rendition="#b">1,62</hi> pyroph.<lb/>
Kalk; <hi rendition="#b">3,4</hi> pyroph. Magnesia; <hi rendition="#b">4,74</hi> Chlornatrium; <hi rendition="#b">1,64</hi> schwefelsaurem<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[208/0224] Hirn- und Rückenmark. sauren Alkalien in Lösung; ausserdem hat man in ihm gefunden die Häute der Gefässe und Nervenröhren, unlösliche eiweisshaltige (?) Körper, Gly- cerinphosphorsäure, Cerebrinsäure, Cholestearin, Olein, Margarin und ein Gemenge anderer nicht näher untersuchter, fettartiger Stoffe, Eisen, Kieselsäure, phosphorsaurer Kalk und Talk. — Das Verhältniss, in wel- chem diese Stoffe in den verschiedenen Hirntheilen vorkommen, ist nicht gleich. John und Lassaigne hatten schon gefunden, dass die weisse, nur aus Nervenröhren zusammengesetzte Substanz viel reicher an Fett und dagegen viel ärmer an Wasser sei, als die graue. Diese Beobach- tung ist durch eine ausgedehnte Versuchsreihe von Hauff, Walther und v. Bibra bestätigt worden, welche in der weissen Substanz 69,6 bis 70,6 pCt., in der grauen dagegen nur 84,8 bis 86,4 pCt. Wasser fan- den, während die erstere 14,9 bis 17,0 pCt., die letztere dagegen 4,8 bis 5,1 pCt. Fett enthielt. Schlossberger fügt hierzu die Erfah- rung, dass diese Unterschiede zwischen weisser und grauer Substanz in dem Hirn von Neugeborenen noch nicht bestehen, indem beide zwischen 88,5 und 89,8 pCt. Wasser und 3,5 bis 3,8 Fett enthalten. Die Fette der beiden Substanzen unterscheiden sich dadurch, dass in der weissen die Cerebrinsäure, in der grauen dagegen die unbekannten Fettarten überwiegen, Cholestarin scheint in beiden Fettarten ungefähr gleich viel zu sein (v. Bibra), und ebenso ist auch die Asche beider Hirnmassen nicht gleich zusammengesetzt, da diejenige der weissen Substanz stark sauer, die der grauen aber alkalisch reagirt (Lassaigne, Schloss- berger). Der Grund für die saure Beschaffenheit der Weisshirnasche ist gelegen in dem starken Gehalt ihrer phosphor- und phosphorsäure- haltigen Fette. Beliebige Stücke der Hirnsubstanz, die man ohne Sonderung der weissen und grauen Masse ausgeschnitten hatte, sind demnach begreif- lich nicht überall gleich zusammengesetzt. Vauquelin beobachtete, dass medulla spinalis und oblongata am fettreichsten sei, und Bibra, der dieses bestätigt, setzt hinzu, dass dann mit abnehmendem Fettgehalt der Reihe nach folgen die Grosshirnhemisphären, cerebellum und pons, crura cerebri, corpora striata und thalami optici. Dieser Fettgehalt ist bei Embryonen und jungen Kindern geringer, späterhin, namentlich jenseits der Pubertät ist er unabhängig vom Alter; dasselbe gilt von dem Fett- reichthum des übrigen Körpers, indem magere und fette Personen ganz denselben Fettwerth bieten (v. Bibra). Um einen Begriff von der Zu- sammensetzung der mineralischen Hirnbestandtheile zu geben, fügen wir eine Analyse derselben von Breed bei. 100 Theile frischen Hirns hinter- liessen 0,027 Asche, welche in 100 Theilen aus 55,24 pyrophosphor- saurem Kali; 22,93 pyroph. Natron; 1,23 pyroph. Eisen; 1,62 pyroph. Kalk; 3,4 pyroph. Magnesia; 4,74 Chlornatrium; 1,64 schwefelsaurem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/224
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/224>, abgerufen am 29.03.2024.