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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Sprache.

1. Allgemeine Bedingungen zur Spracherzeugung.

Die Sprache oder besser die einzelnen zur Sprache gehörigen
Laute werden erzeugt, indem die vom Brustkasten eingesogene oder
ausgestossene Luft durch die Mund- oder Nasenhöhle hindurchstreicht,
während die einzelnen beweglichen Theile derselben, Lippe, Unter-
kiefer mit der Zahnreihe, Zunge, Gaumen eine gewisse Stellung ein-
genommen haben oder einzunehmen im Begriff sind. In diesem Sinne
bezeichnen die Buchstaben auch gewisse Stellungen der Mundtheile
während eines durch dieselben dringenden Luftstroms.

Die allgemeine physiologische Aufgabe, welche sich nach dieser
Mittheilung stellt, bestünde darin, anzugeben, welche Geräusche mit-
telst der erwähnten Hilfsmittel erzeugt werden können, und welche
Beziehungen zwischen den erzeugten Geräuschen und den erzeugen-
den Hilfsmitteln bestehen, d. h. warum mit Nothwendigkeit den Stel-
lungen der Mundtheile die hervorgebrachten Laute entsprechen. In
dieser allgemeinen Form ist aber unsere Aufgabe bei dem niedrigen
Stand der akustischen Fundamente noch nicht angreifbar. Man be-
gnügt sich damit, empirisch zu ermitteln, welche Veränderungen der
Sprachwerkzeuge zur Erzeugung der beschränkten Zahl von Lauten
nothwendig sind, welche die Sprachen zur Bildung ihrer Worte be-
nutzen. -- In diesem beschränkten Sinne werden wir nun ebenfalls un-
sere Mittheilungen halten müssen, die unter allen Umständen schon
darum etwas sehr scwankendes haben, weil für den einzelnen
Laut der betreffenden Sprache die akustische Bestimmtheit fehlt, in-
dem er von verschiedenen Menschen verschieden ausgesprochen wird.

Die Sprachbildung ist unabhängig von der Stimmbildung im Kehl-
kopf, kann aber mit ihr in Combination treten; Flüstern und Lautiren.

Bekanntlich können wir beim Ausstossen der Luft, wenn die
Stimmritzenbänder so gestellt sind, dass sie keinen Ton angeben,
sprechen; die einzelnen hier gebildeten Geräusche sind vollkommen
distinkt, die aus ihnen zusammengesetzten Worte vollkommen ver-
ständlich, aber die Sprache ist klanglos, flüsternd. Der besondere
Beweis, dass in diesem Fall der Kehlkopf keinen Theil an der Sprache
nimmt, liegt darin, dass dieselbe mit gleichen oder wenigstens sehr
ähnlichen akustischen Eigenschaften auch beim schwachen Einziehen
der Luft, wobei der Kehlkopf gar keinen Ton zu geben im Stande ist,
gebildet werden kann. Diese Art zu sprechen, benützen wir nur aus-
nahmsweise, gewöhnlich aber erzeugen wir die Sprache gleichzeitig
mit Sprech- und Stimmwerkzeugen, so dass der gehörte Laut eine re-
sultirende Schallbewegung aus den Wirkungen beider wird. Dass
hier aber wiederum die Sprachwerkzeuge den bestimmenden, den
Laut charakterisirenden Einfluss üben, ergibt sich daraus, dass wenn
wir alle Laute bei derselben, oder umgekehrt einen Laut bei sehr ver-
schiedenen Tonhöhen sprechen, die Sprache nichts von ihrer Verständ-

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Sprache.

1. Allgemeine Bedingungen zur Spracherzeugung.

Die Sprache oder besser die einzelnen zur Sprache gehörigen
Laute werden erzeugt, indem die vom Brustkasten eingesogene oder
ausgestossene Luft durch die Mund- oder Nasenhöhle hindurchstreicht,
während die einzelnen beweglichen Theile derselben, Lippe, Unter-
kiefer mit der Zahnreihe, Zunge, Gaumen eine gewisse Stellung ein-
genommen haben oder einzunehmen im Begriff sind. In diesem Sinne
bezeichnen die Buchstaben auch gewisse Stellungen der Mundtheile
während eines durch dieselben dringenden Luftstroms.

Die allgemeine physiologische Aufgabe, welche sich nach dieser
Mittheilung stellt, bestünde darin, anzugeben, welche Geräusche mit-
telst der erwähnten Hilfsmittel erzeugt werden können, und welche
Beziehungen zwischen den erzeugten Geräuschen und den erzeugen-
den Hilfsmitteln bestehen, d. h. warum mit Nothwendigkeit den Stel-
lungen der Mundtheile die hervorgebrachten Laute entsprechen. In
dieser allgemeinen Form ist aber unsere Aufgabe bei dem niedrigen
Stand der akustischen Fundamente noch nicht angreifbar. Man be-
gnügt sich damit, empirisch zu ermitteln, welche Veränderungen der
Sprachwerkzeuge zur Erzeugung der beschränkten Zahl von Lauten
nothwendig sind, welche die Sprachen zur Bildung ihrer Worte be-
nutzen. — In diesem beschränkten Sinne werden wir nun ebenfalls un-
sere Mittheilungen halten müssen, die unter allen Umständen schon
darum etwas sehr scwankendes haben, weil für den einzelnen
Laut der betreffenden Sprache die akustische Bestimmtheit fehlt, in-
dem er von verschiedenen Menschen verschieden ausgesprochen wird.

Die Sprachbildung ist unabhängig von der Stimmbildung im Kehl-
kopf, kann aber mit ihr in Combination treten; Flüstern und Lautiren.

Bekanntlich können wir beim Ausstossen der Luft, wenn die
Stimmritzenbänder so gestellt sind, dass sie keinen Ton angeben,
sprechen; die einzelnen hier gebildeten Geräusche sind vollkommen
distinkt, die aus ihnen zusammengesetzten Worte vollkommen ver-
ständlich, aber die Sprache ist klanglos, flüsternd. Der besondere
Beweis, dass in diesem Fall der Kehlkopf keinen Theil an der Sprache
nimmt, liegt darin, dass dieselbe mit gleichen oder wenigstens sehr
ähnlichen akustischen Eigenschaften auch beim schwachen Einziehen
der Luft, wobei der Kehlkopf gar keinen Ton zu geben im Stande ist,
gebildet werden kann. Diese Art zu sprechen, benützen wir nur aus-
nahmsweise, gewöhnlich aber erzeugen wir die Sprache gleichzeitig
mit Sprech- und Stimmwerkzeugen, so dass der gehörte Laut eine re-
sultirende Schallbewegung aus den Wirkungen beider wird. Dass
hier aber wiederum die Sprachwerkzeuge den bestimmenden, den
Laut charakterisirenden Einfluss üben, ergibt sich daraus, dass wenn
wir alle Laute bei derselben, oder umgekehrt einen Laut bei sehr ver-
schiedenen Tonhöhen sprechen, die Sprache nichts von ihrer Verständ-

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[435/0449] Sprache. 1. Allgemeine Bedingungen zur Spracherzeugung. Die Sprache oder besser die einzelnen zur Sprache gehörigen Laute werden erzeugt, indem die vom Brustkasten eingesogene oder ausgestossene Luft durch die Mund- oder Nasenhöhle hindurchstreicht, während die einzelnen beweglichen Theile derselben, Lippe, Unter- kiefer mit der Zahnreihe, Zunge, Gaumen eine gewisse Stellung ein- genommen haben oder einzunehmen im Begriff sind. In diesem Sinne bezeichnen die Buchstaben auch gewisse Stellungen der Mundtheile während eines durch dieselben dringenden Luftstroms. Die allgemeine physiologische Aufgabe, welche sich nach dieser Mittheilung stellt, bestünde darin, anzugeben, welche Geräusche mit- telst der erwähnten Hilfsmittel erzeugt werden können, und welche Beziehungen zwischen den erzeugten Geräuschen und den erzeugen- den Hilfsmitteln bestehen, d. h. warum mit Nothwendigkeit den Stel- lungen der Mundtheile die hervorgebrachten Laute entsprechen. In dieser allgemeinen Form ist aber unsere Aufgabe bei dem niedrigen Stand der akustischen Fundamente noch nicht angreifbar. Man be- gnügt sich damit, empirisch zu ermitteln, welche Veränderungen der Sprachwerkzeuge zur Erzeugung der beschränkten Zahl von Lauten nothwendig sind, welche die Sprachen zur Bildung ihrer Worte be- nutzen. — In diesem beschränkten Sinne werden wir nun ebenfalls un- sere Mittheilungen halten müssen, die unter allen Umständen schon darum etwas sehr scwankendes haben, weil für den einzelnen Laut der betreffenden Sprache die akustische Bestimmtheit fehlt, in- dem er von verschiedenen Menschen verschieden ausgesprochen wird. Die Sprachbildung ist unabhängig von der Stimmbildung im Kehl- kopf, kann aber mit ihr in Combination treten; Flüstern und Lautiren. Bekanntlich können wir beim Ausstossen der Luft, wenn die Stimmritzenbänder so gestellt sind, dass sie keinen Ton angeben, sprechen; die einzelnen hier gebildeten Geräusche sind vollkommen distinkt, die aus ihnen zusammengesetzten Worte vollkommen ver- ständlich, aber die Sprache ist klanglos, flüsternd. Der besondere Beweis, dass in diesem Fall der Kehlkopf keinen Theil an der Sprache nimmt, liegt darin, dass dieselbe mit gleichen oder wenigstens sehr ähnlichen akustischen Eigenschaften auch beim schwachen Einziehen der Luft, wobei der Kehlkopf gar keinen Ton zu geben im Stande ist, gebildet werden kann. Diese Art zu sprechen, benützen wir nur aus- nahmsweise, gewöhnlich aber erzeugen wir die Sprache gleichzeitig mit Sprech- und Stimmwerkzeugen, so dass der gehörte Laut eine re- sultirende Schallbewegung aus den Wirkungen beider wird. Dass hier aber wiederum die Sprachwerkzeuge den bestimmenden, den Laut charakterisirenden Einfluss üben, ergibt sich daraus, dass wenn wir alle Laute bei derselben, oder umgekehrt einen Laut bei sehr ver- schiedenen Tonhöhen sprechen, die Sprache nichts von ihrer Verständ- 28*

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/449>, abgerufen am 22.11.2024.