Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.Elastische Eigenschaften. die kleinsten Theilchen einer Masse ihre gegenseitige Lagerung zuerhalten, oder wenn sie aus ihr entfernt sind, wieder einzunehmen streben. Dieses Streben der kleinsten Theilchen einer scheinbar noch so homogenen Masse, ihre gegenseitige Lagerung zu behaupten, ist nun aber, wie die Erfahrung lehrt, meist nicht die Folge einer ein- fachen, sondern sehr complizirter Gegenwirkungen, und so u. A. namentlich der electrischen Spannungen, der Wärme, der Entfernung der Moleküle von einander (des spez. Gewichts) u. s. w. Soll dem- gemäss die Untersuchung über Elastizität dazu dienen uns über die molekulären Verhältnisse in das Klare zu bringen, so muss dieselbe mit Rücksicht auf die erwähnten und andere Umstände geschehen, so dass z. B. die Ausdehnbarkeit einer Masse durch Gewichte be- stimmt würde, während sie verschiedene Temperaturen, electrische Spannungen u. s. w. angenommen hätte. Diese interessante Beobach- tungsreihe ist am lebenden Muskel nicht in wünschenswerther Aus- dehnung möglich, weil derselbe nur in sehr engen Grenzen möglicher Veränderungen seine Lebenseigenschaften bewahrt. Weber hat sich darum darauf beschränkt, die Elastizität des ruhenden Muskels in ihrer Veränderlichkeit zu bestimmen, mit dem Wechsel der Entfernung der Molekeln von einander (oder wie man auch sagt ihrer jeweiligen Spannung) und mit ihrem Vermögen, mechanische Leistungen zu voll- führen (oder mit dem Grade ihrer Ermüdung). -- Die Untersuchung der Muskelelastizität ist aber auch von nicht minderer praktischer Bedeutung; denn es versteht sich von selbst, dass eine Substanz, welche wie die des Muskels zum Tragen von Gewichten bestimmt ist, untersucht werden muss auf die Veränderungen der Form, die sie unter dem Einfluss der Gewichte erleidet. Die Weber'schen Untersuchungen am frischen Froschmuskel ha- Elastische Eigenschaften. die kleinsten Theilchen einer Masse ihre gegenseitige Lagerung zuerhalten, oder wenn sie aus ihr entfernt sind, wieder einzunehmen streben. Dieses Streben der kleinsten Theilchen einer scheinbar noch so homogenen Masse, ihre gegenseitige Lagerung zu behaupten, ist nun aber, wie die Erfahrung lehrt, meist nicht die Folge einer ein- fachen, sondern sehr complizirter Gegenwirkungen, und so u. A. namentlich der electrischen Spannungen, der Wärme, der Entfernung der Moleküle von einander (des spez. Gewichts) u. s. w. Soll dem- gemäss die Untersuchung über Elastizität dazu dienen uns über die molekulären Verhältnisse in das Klare zu bringen, so muss dieselbe mit Rücksicht auf die erwähnten und andere Umstände geschehen, so dass z. B. die Ausdehnbarkeit einer Masse durch Gewichte be- stimmt würde, während sie verschiedene Temperaturen, electrische Spannungen u. s. w. angenommen hätte. Diese interessante Beobach- tungsreihe ist am lebenden Muskel nicht in wünschenswerther Aus- dehnung möglich, weil derselbe nur in sehr engen Grenzen möglicher Veränderungen seine Lebenseigenschaften bewahrt. Weber hat sich darum darauf beschränkt, die Elastizität des ruhenden Muskels in ihrer Veränderlichkeit zu bestimmen, mit dem Wechsel der Entfernung der Molekeln von einander (oder wie man auch sagt ihrer jeweiligen Spannung) und mit ihrem Vermögen, mechanische Leistungen zu voll- führen (oder mit dem Grade ihrer Ermüdung). — Die Untersuchung der Muskelelastizität ist aber auch von nicht minderer praktischer Bedeutung; denn es versteht sich von selbst, dass eine Substanz, welche wie die des Muskels zum Tragen von Gewichten bestimmt ist, untersucht werden muss auf die Veränderungen der Form, die sie unter dem Einfluss der Gewichte erleidet. 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Innerhalb niederer Grenzen des Werthes und der Zeit-<lb/> dauer der Ausdehnung ist die Elastizität (gleich der des Kautschouks)<lb/> eine sehr vollkommene, d. h. es nimmt der Muskel genau seine frü-<lb/> here Form wieder an, wenn die durch Gewichte veranlasste Ausdeh-<lb/> nung eine nicht allzubeträchtliche war, und wenn der Muskel nicht<lb/> allzulange im ausgedehnten Zustande verharren musste. — b. Mit zu-<lb/> nehmender Spannung des Muskels nimmt die Ausdehnbarkeit dessel-<lb/> ben rasch ab oder was Gleiches bedeutet, der Elastizitätscoeffizient<lb/> rasch zu; denn die Beobachtung gab das Resultat, dass durch kleine<lb/> Gewichte die Muskelfaser um einen grossen Bruchtheil ihrer Länge<lb/> ausgedehnt wurde, dass aber die proportionale Ausdehnung nicht ent-<lb/> sprechend dem Wachsthum der Belastung zunahm. Das Verhältniss zwi-<lb/> schen dem Zuwachs der Verlängerung und der Belastung ist durch die<lb/> Curve Fig. 83 versinnlicht. Auf die Ordinatenachse <hi rendition="#i">Y</hi> ist der Längenzu-<lb/> wachs in Bruchtheilen der Längeneinheit aufgetragen, welche durch<lb/> die an die Querschnittseinheit angehängten Gewichte, wie sie der Rei-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [320/0334]
Elastische Eigenschaften.
die kleinsten Theilchen einer Masse ihre gegenseitige Lagerung zu
erhalten, oder wenn sie aus ihr entfernt sind, wieder einzunehmen
streben. Dieses Streben der kleinsten Theilchen einer scheinbar noch
so homogenen Masse, ihre gegenseitige Lagerung zu behaupten, ist
nun aber, wie die Erfahrung lehrt, meist nicht die Folge einer ein-
fachen, sondern sehr complizirter Gegenwirkungen, und so u. A.
namentlich der electrischen Spannungen, der Wärme, der Entfernung
der Moleküle von einander (des spez. Gewichts) u. s. w. Soll dem-
gemäss die Untersuchung über Elastizität dazu dienen uns über die
molekulären Verhältnisse in das Klare zu bringen, so muss dieselbe
mit Rücksicht auf die erwähnten und andere Umstände geschehen,
so dass z. B. die Ausdehnbarkeit einer Masse durch Gewichte be-
stimmt würde, während sie verschiedene Temperaturen, electrische
Spannungen u. s. w. angenommen hätte. Diese interessante Beobach-
tungsreihe ist am lebenden Muskel nicht in wünschenswerther Aus-
dehnung möglich, weil derselbe nur in sehr engen Grenzen möglicher
Veränderungen seine Lebenseigenschaften bewahrt. Weber hat sich
darum darauf beschränkt, die Elastizität des ruhenden Muskels in ihrer
Veränderlichkeit zu bestimmen, mit dem Wechsel der Entfernung der
Molekeln von einander (oder wie man auch sagt ihrer jeweiligen
Spannung) und mit ihrem Vermögen, mechanische Leistungen zu voll-
führen (oder mit dem Grade ihrer Ermüdung). — Die Untersuchung
der Muskelelastizität ist aber auch von nicht minderer praktischer
Bedeutung; denn es versteht sich von selbst, dass eine Substanz,
welche wie die des Muskels zum Tragen von Gewichten bestimmt
ist, untersucht werden muss auf die Veränderungen der Form, die
sie unter dem Einfluss der Gewichte erleidet.
Die Weber’schen Untersuchungen am frischen Froschmuskel ha-
ben gelehrt: a. Innerhalb niederer Grenzen des Werthes und der Zeit-
dauer der Ausdehnung ist die Elastizität (gleich der des Kautschouks)
eine sehr vollkommene, d. h. es nimmt der Muskel genau seine frü-
here Form wieder an, wenn die durch Gewichte veranlasste Ausdeh-
nung eine nicht allzubeträchtliche war, und wenn der Muskel nicht
allzulange im ausgedehnten Zustande verharren musste. — b. Mit zu-
nehmender Spannung des Muskels nimmt die Ausdehnbarkeit dessel-
ben rasch ab oder was Gleiches bedeutet, der Elastizitätscoeffizient
rasch zu; denn die Beobachtung gab das Resultat, dass durch kleine
Gewichte die Muskelfaser um einen grossen Bruchtheil ihrer Länge
ausgedehnt wurde, dass aber die proportionale Ausdehnung nicht ent-
sprechend dem Wachsthum der Belastung zunahm. Das Verhältniss zwi-
schen dem Zuwachs der Verlängerung und der Belastung ist durch die
Curve Fig. 83 versinnlicht. Auf die Ordinatenachse Y ist der Längenzu-
wachs in Bruchtheilen der Längeneinheit aufgetragen, welche durch
die an die Querschnittseinheit angehängten Gewichte, wie sie der Rei-
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