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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Parelectronomische Schicht.
welche das Hervortreten des Gegensatzes zwischen Oberfläche und
Querschnitt verhindert. Du Bois vermuthet, es geschehe dieses
dadurch, dass von den zu einem peripolaren Systeme zusammengeord-
neten Molekeln am Ende der Röhre nur die eine Abtheilung vorhanden
sei, wie dieses die Fig. 82 versinnlicht, in welcher 1 u. 2 ein voll-
[Abbildung] Fig. 82.
kommen peripolares Molekel
darstellen, 3 aber ein nur zur
Hälfte vorhandenes. Es be-
darf keiner Auseinandersez-
zung, dass durch eine solche
Einrichtung, welche Oberfläche und Querschnitt positiv macht, der
Gegensatz zum Verschwinden kommt. -- Bei den Bewegungserschei-
nungen der Muskelmolekeln werden wir erfahren, warum gerade
diese Annahme die meisten Gründe für sich hat.

Diese besonders gelagerte Schichte von Muskelmolekeln, welche
du Bois mit dem Namen der parelectronomischen belegt, ist im
lebenden Thier in verschiedentlicher Ausbildung vorhanden; am aus-
geprägtesten oder vollständigsten erscheint sie bei Fröschen, welche
sich längere Zeit in der Temperatur des schmelzenden Eises aufhiel-
ten, so dass an den Muskeln dieser Thiere scheinbar gar kein Strom
oder auch ein Strom in umgekehrter Richtung erscheint. -- Aber auch
hier genügt die nur kurz dauernde Berührung der Sehne mit Wasser,
Eiweiss, Alcohol, Säuren, Alkalien, Salzlösung u. s. w. u. s. w., um
den Strom zu erwecken.

Durch den stromprüfenden Froschschenkel gelingt der Nachweiss
des elektrischen Gegensatzes zwischen Längs- und Querschnitt eben-
falls leicht; und wegen der kräftigeren Ströme mit geringeren Hülfsmit-
teln als bei den Nerven. Es genügt, den freipräparirten n. ischiadicus des
stromprüfenden Schenkels auf den Längsschnitt zu legen und ihn dann
plötzlich mit einem andern Theile seiner Länge auf den Querschnitt zu
senken um die Zuckung erscheinen zu machen. Hiebei ist es gleichgül-
tig, ob man den natürlichen oder künstlichen Querschnitt wählt, voraus-
gesetzt, dass am erstern die parelectronomische Schicht durch ein
entsprechendes Mittel (Salzwasser, Erhitzen etc.) zerstört ist. -- Der
hier erwähnte Versuch stellt die voreinst so berühmte Zuckung ohne
Metalle dar, welche von Galvani entdeckt und durch v. Humboldt
den Angriffen Volta's gegenüber aufrecht erhalten wurde.

2. Elastische Eigenschaften. Die Untersuchung der
elastischen Eigenschaften des Muskels, welche von Ed. Weber *)
in ausgezeichneter Weise begonnen wurde, ist aus theoretischen und
praktischen Gründen von grosser Bedeutung. Zunächst gibt sie uns
Aufschluss über die sogenannten molekulären Verhältnisse des Mus-
kels, oder mit andern Worten, über den Werth der Kraft, mit welcher

*) Muskelbewegung in Wagner's Handwörterb. III. 2. Abth.

Parelectronomische Schicht.
welche das Hervortreten des Gegensatzes zwischen Oberfläche und
Querschnitt verhindert. Du Bois vermuthet, es geschehe dieses
dadurch, dass von den zu einem peripolaren Systeme zusammengeord-
neten Molekeln am Ende der Röhre nur die eine Abtheilung vorhanden
sei, wie dieses die Fig. 82 versinnlicht, in welcher 1 u. 2 ein voll-
[Abbildung] Fig. 82.
kommen peripolares Molekel
darstellen, 3 aber ein nur zur
Hälfte vorhandenes. Es be-
darf keiner Auseinandersez-
zung, dass durch eine solche
Einrichtung, welche Oberfläche und Querschnitt positiv macht, der
Gegensatz zum Verschwinden kommt. — Bei den Bewegungserschei-
nungen der Muskelmolekeln werden wir erfahren, warum gerade
diese Annahme die meisten Gründe für sich hat.

Diese besonders gelagerte Schichte von Muskelmolekeln, welche
du Bois mit dem Namen der parelectronomischen belegt, ist im
lebenden Thier in verschiedentlicher Ausbildung vorhanden; am aus-
geprägtesten oder vollständigsten erscheint sie bei Fröschen, welche
sich längere Zeit in der Temperatur des schmelzenden Eises aufhiel-
ten, so dass an den Muskeln dieser Thiere scheinbar gar kein Strom
oder auch ein Strom in umgekehrter Richtung erscheint. — Aber auch
hier genügt die nur kurz dauernde Berührung der Sehne mit Wasser,
Eiweiss, Alcohol, Säuren, Alkalien, Salzlösung u. s. w. u. s. w., um
den Strom zu erwecken.

Durch den stromprüfenden Froschschenkel gelingt der Nachweiss
des elektrischen Gegensatzes zwischen Längs- und Querschnitt eben-
falls leicht; und wegen der kräftigeren Ströme mit geringeren Hülfsmit-
teln als bei den Nerven. Es genügt, den freipräparirten n. ischiadicus des
stromprüfenden Schenkels auf den Längsschnitt zu legen und ihn dann
plötzlich mit einem andern Theile seiner Länge auf den Querschnitt zu
senken um die Zuckung erscheinen zu machen. Hiebei ist es gleichgül-
tig, ob man den natürlichen oder künstlichen Querschnitt wählt, voraus-
gesetzt, dass am erstern die parelectronomische Schicht durch ein
entsprechendes Mittel (Salzwasser, Erhitzen etc.) zerstört ist. — Der
hier erwähnte Versuch stellt die voreinst so berühmte Zuckung ohne
Metalle dar, welche von Galvani entdeckt und durch v. Humboldt
den Angriffen Volta’s gegenüber aufrecht erhalten wurde.

2. Elastische Eigenschaften. Die Untersuchung der
elastischen Eigenschaften des Muskels, welche von Ed. Weber *)
in ausgezeichneter Weise begonnen wurde, ist aus theoretischen und
praktischen Gründen von grosser Bedeutung. Zunächst gibt sie uns
Aufschluss über die sogenannten molekulären Verhältnisse des Mus-
kels, oder mit andern Worten, über den Werth der Kraft, mit welcher

*) Muskelbewegung in Wagner’s Handwörterb. III. 2. Abth.
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[319/0333] Parelectronomische Schicht. welche das Hervortreten des Gegensatzes zwischen Oberfläche und Querschnitt verhindert. Du Bois vermuthet, es geschehe dieses dadurch, dass von den zu einem peripolaren Systeme zusammengeord- neten Molekeln am Ende der Röhre nur die eine Abtheilung vorhanden sei, wie dieses die Fig. 82 versinnlicht, in welcher 1 u. 2 ein voll- [Abbildung Fig. 82.] kommen peripolares Molekel darstellen, 3 aber ein nur zur Hälfte vorhandenes. Es be- darf keiner Auseinandersez- zung, dass durch eine solche Einrichtung, welche Oberfläche und Querschnitt positiv macht, der Gegensatz zum Verschwinden kommt. — Bei den Bewegungserschei- nungen der Muskelmolekeln werden wir erfahren, warum gerade diese Annahme die meisten Gründe für sich hat. Diese besonders gelagerte Schichte von Muskelmolekeln, welche du Bois mit dem Namen der parelectronomischen belegt, ist im lebenden Thier in verschiedentlicher Ausbildung vorhanden; am aus- geprägtesten oder vollständigsten erscheint sie bei Fröschen, welche sich längere Zeit in der Temperatur des schmelzenden Eises aufhiel- ten, so dass an den Muskeln dieser Thiere scheinbar gar kein Strom oder auch ein Strom in umgekehrter Richtung erscheint. — Aber auch hier genügt die nur kurz dauernde Berührung der Sehne mit Wasser, Eiweiss, Alcohol, Säuren, Alkalien, Salzlösung u. s. w. u. s. w., um den Strom zu erwecken. Durch den stromprüfenden Froschschenkel gelingt der Nachweiss des elektrischen Gegensatzes zwischen Längs- und Querschnitt eben- falls leicht; und wegen der kräftigeren Ströme mit geringeren Hülfsmit- teln als bei den Nerven. Es genügt, den freipräparirten n. ischiadicus des stromprüfenden Schenkels auf den Längsschnitt zu legen und ihn dann plötzlich mit einem andern Theile seiner Länge auf den Querschnitt zu senken um die Zuckung erscheinen zu machen. Hiebei ist es gleichgül- tig, ob man den natürlichen oder künstlichen Querschnitt wählt, voraus- gesetzt, dass am erstern die parelectronomische Schicht durch ein entsprechendes Mittel (Salzwasser, Erhitzen etc.) zerstört ist. — Der hier erwähnte Versuch stellt die voreinst so berühmte Zuckung ohne Metalle dar, welche von Galvani entdeckt und durch v. Humboldt den Angriffen Volta’s gegenüber aufrecht erhalten wurde. 2. Elastische Eigenschaften. Die Untersuchung der elastischen Eigenschaften des Muskels, welche von Ed. Weber *) in ausgezeichneter Weise begonnen wurde, ist aus theoretischen und praktischen Gründen von grosser Bedeutung. Zunächst gibt sie uns Aufschluss über die sogenannten molekulären Verhältnisse des Mus- kels, oder mit andern Worten, über den Werth der Kraft, mit welcher *) Muskelbewegung in Wagner’s Handwörterb. III. 2. Abth.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/333>, abgerufen am 28.04.2024.