Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.Bedingungen der veränderten Erregbarkeit. complizirten Zusammensetzung des Nerven wird dieser Aufgabe wie-derum nur eine Flüssigkeit sehr zusammengesetzter Art gewachsen sein, welche nicht allein alle die wesentlichen Nervenstoffe, sondern sie auch in dem bestimmten Verhältniss enthält, die es ihr ermög- lichen sie dem Nerven in dem der normalen Zusammensetzung ent- sprechenden Verhältniss zu liefern, eine Flüssigkeit, welche ferner so gestaltet ist, dass sie ihre Stoffe leicht an den Nerven abgibt, und die schliesslich auch die im Nerven entstandenen störenden Umsez- zungsprodukte anzieht und somit aus dem Nerven entfernt. Diesen mannigfachen Bedingungen genügt, soweit wir durch Erfahrung wis- sen, nur eine Flüssigkeit, das sog. arterielle Blut. Da diese Flüs- sigkeit aber bei den zahlreichen Thierarten, die sich einer lebhaften Erregbarkeit erfreuen, neben grossen Aehnlichkeiten sehr beträchtliche Verschiedenheiten bietet, so schliesst man mit Recht, dass entweder nicht alle das Blut constituirende Stoffe zur Erhaltung der Erreg- barkeit nöthig, oder dass bei verschiedenen Thieren die Nervenzu- sammensetzung wechselnd sein müsse. -- Alle andere Flüssigkeiten, die den gemachten Anforderungen nicht genügen, dürften darum als schädliche angesehen werden, eine Annahme, die insofern durch die Erfahrung unterstützt wird, als beobachtungsgemäss schon ein Blut, welches wenig oder gar keinen Sauerstoff enthält, reicher an Wasser, Kochsalz u. s. w., ist, als ein normales sich zur Erhaltung der Erreg- barkeit unfähig, ja sogar vernichtend erweisst. -- Wir besitzen nun eine grosse Zahl von Beobachtungen, welche das Verhalten chemi- scher Substanzen gegen den erregbaren Nerven betreffen. Aus ihnen ergibt sich, dass alle Stoffe, welche den Nerven allmählig auflösen, oder die, welche eine Verwandtschaft zu Fetten, Eiweissstoffen und dem Wasser zeigen, oder sie durch katalytische Wirkungen verän- dern, die Erregbarkeit vernichten. Einige dieser verändernden Stoffe zerstören bei ihrer Einwirkung den Nerven vollkommen, wie z. B. Säuren und Alkalien, so dass auch nach ihrer Entfernung der Nerv im- mer vollkommen todt zurückbleibt, andere aber, wie das Kochsalz, nur so lange sie gegenwärtig, indem der Nerv nach ihrer Entfernung wie- der erregbar wird. -- Ferner ist es eine aus chemischen Prinzipien leicht ableitbare und durch die Erfahrung bestätigte Folgerung, dass eine Lösung bei geringerem Prozentgehalt anders wirkt, als bei höhe- rem, und ferner, dass ein Stoff im Gemenge mit andern und namentlich im Gemenge mit den Blutbestandtheilen (wegen eintretender secundärer Zersetzungen) ganz anders wirkt, als für sich allein u. s. w. Das Ein- zelne gewährt bei dem niedrigen Stand unsrer chemischen Kenntnisse über die Nervensubstanz ein geringes Interesse. Ausser den schon genannten mineralischen und den meisten organischen Säuren Bedingungen der veränderten Erregbarkeit. complizirten Zusammensetzung des Nerven wird dieser Aufgabe wie-derum nur eine Flüssigkeit sehr zusammengesetzter Art gewachsen sein, welche nicht allein alle die wesentlichen Nervenstoffe, sondern sie auch in dem bestimmten Verhältniss enthält, die es ihr ermög- lichen sie dem Nerven in dem der normalen Zusammensetzung ent- sprechenden Verhältniss zu liefern, eine Flüssigkeit, welche ferner so gestaltet ist, dass sie ihre Stoffe leicht an den Nerven abgibt, und die schliesslich auch die im Nerven entstandenen störenden Umsez- zungsprodukte anzieht und somit aus dem Nerven entfernt. Diesen mannigfachen Bedingungen genügt, soweit wir durch Erfahrung wis- sen, nur eine Flüssigkeit, das sog. arterielle Blut. Da diese Flüs- sigkeit aber bei den zahlreichen Thierarten, die sich einer lebhaften Erregbarkeit erfreuen, neben grossen Aehnlichkeiten sehr beträchtliche Verschiedenheiten bietet, so schliesst man mit Recht, dass entweder nicht alle das Blut constituirende Stoffe zur Erhaltung der Erreg- barkeit nöthig, oder dass bei verschiedenen Thieren die Nervenzu- sammensetzung wechselnd sein müsse. — Alle andere Flüssigkeiten, die den gemachten Anforderungen nicht genügen, dürften darum als schädliche angesehen werden, eine Annahme, die insofern durch die Erfahrung unterstützt wird, als beobachtungsgemäss schon ein Blut, welches wenig oder gar keinen Sauerstoff enthält, reicher an Wasser, Kochsalz u. s. w., ist, als ein normales sich zur Erhaltung der Erreg- barkeit unfähig, ja sogar vernichtend erweisst. — Wir besitzen nun eine grosse Zahl von Beobachtungen, welche das Verhalten chemi- scher Substanzen gegen den erregbaren Nerven betreffen. Aus ihnen ergibt sich, dass alle Stoffe, welche den Nerven allmählig auflösen, oder die, welche eine Verwandtschaft zu Fetten, Eiweissstoffen und dem Wasser zeigen, oder sie durch katalytische Wirkungen verän- dern, die Erregbarkeit vernichten. Einige dieser verändernden Stoffe zerstören bei ihrer Einwirkung den Nerven vollkommen, wie z. B. Säuren und Alkalien, so dass auch nach ihrer Entfernung der Nerv im- mer vollkommen todt zurückbleibt, andere aber, wie das Kochsalz, nur so lange sie gegenwärtig, indem der Nerv nach ihrer Entfernung wie- der erregbar wird. — Ferner ist es eine aus chemischen Prinzipien leicht ableitbare und durch die Erfahrung bestätigte Folgerung, dass eine Lösung bei geringerem Prozentgehalt anders wirkt, als bei höhe- rem, und ferner, dass ein Stoff im Gemenge mit andern und namentlich im Gemenge mit den Blutbestandtheilen (wegen eintretender secundärer Zersetzungen) ganz anders wirkt, als für sich allein u. s. w. 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Bedingungen der veränderten Erregbarkeit.
complizirten Zusammensetzung des Nerven wird dieser Aufgabe wie-
derum nur eine Flüssigkeit sehr zusammengesetzter Art gewachsen
sein, welche nicht allein alle die wesentlichen Nervenstoffe, sondern
sie auch in dem bestimmten Verhältniss enthält, die es ihr ermög-
lichen sie dem Nerven in dem der normalen Zusammensetzung ent-
sprechenden Verhältniss zu liefern, eine Flüssigkeit, welche ferner
so gestaltet ist, dass sie ihre Stoffe leicht an den Nerven abgibt, und
die schliesslich auch die im Nerven entstandenen störenden Umsez-
zungsprodukte anzieht und somit aus dem Nerven entfernt. Diesen
mannigfachen Bedingungen genügt, soweit wir durch Erfahrung wis-
sen, nur eine Flüssigkeit, das sog. arterielle Blut. Da diese Flüs-
sigkeit aber bei den zahlreichen Thierarten, die sich einer lebhaften
Erregbarkeit erfreuen, neben grossen Aehnlichkeiten sehr beträchtliche
Verschiedenheiten bietet, so schliesst man mit Recht, dass entweder
nicht alle das Blut constituirende Stoffe zur Erhaltung der Erreg-
barkeit nöthig, oder dass bei verschiedenen Thieren die Nervenzu-
sammensetzung wechselnd sein müsse. — Alle andere Flüssigkeiten,
die den gemachten Anforderungen nicht genügen, dürften darum als
schädliche angesehen werden, eine Annahme, die insofern durch die
Erfahrung unterstützt wird, als beobachtungsgemäss schon ein Blut,
welches wenig oder gar keinen Sauerstoff enthält, reicher an Wasser,
Kochsalz u. s. w., ist, als ein normales sich zur Erhaltung der Erreg-
barkeit unfähig, ja sogar vernichtend erweisst. — Wir besitzen nun
eine grosse Zahl von Beobachtungen, welche das Verhalten chemi-
scher Substanzen gegen den erregbaren Nerven betreffen. Aus ihnen
ergibt sich, dass alle Stoffe, welche den Nerven allmählig auflösen,
oder die, welche eine Verwandtschaft zu Fetten, Eiweissstoffen und
dem Wasser zeigen, oder sie durch katalytische Wirkungen verän-
dern, die Erregbarkeit vernichten. Einige dieser verändernden Stoffe
zerstören bei ihrer Einwirkung den Nerven vollkommen, wie z. B.
Säuren und Alkalien, so dass auch nach ihrer Entfernung der Nerv im-
mer vollkommen todt zurückbleibt, andere aber, wie das Kochsalz, nur
so lange sie gegenwärtig, indem der Nerv nach ihrer Entfernung wie-
der erregbar wird. — Ferner ist es eine aus chemischen Prinzipien
leicht ableitbare und durch die Erfahrung bestätigte Folgerung, dass
eine Lösung bei geringerem Prozentgehalt anders wirkt, als bei höhe-
rem, und ferner, dass ein Stoff im Gemenge mit andern und namentlich im
Gemenge mit den Blutbestandtheilen (wegen eintretender secundärer
Zersetzungen) ganz anders wirkt, als für sich allein u. s. w. Das Ein-
zelne gewährt bei dem niedrigen Stand unsrer chemischen Kenntnisse
über die Nervensubstanz ein geringes Interesse.
Ausser den schon genannten mineralischen und den meisten organischen Säuren
und Alkalien, zerstören die Nervenerregbarkeit namentlich Aether, Alkohol, wässrige
Opiumtinktur, Kreosot, verdünnte Lösungen der Metall- und dichtere der Neutral und
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