Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

ferdecker spielen die Kinder der Stadt eine ganze Woche
lang.

Aber der kühne Mann beginnt nun erst sein Werk.
Er holt ein anderes Tau herauf und legt es als dreh¬
baren Ring unter dem Thurmknopf um die Stange.
Daran befestigt er den Flaschenzug mit drei Kloben,
an den Flaschenzug die Ringe seines Fahrzeugs. Ein
Sitzbrett mit zwei Ausschnitten für die herabhängenden
Beine, hinten eine niedrige, gekrümmte Lehne, hüben
und drüben Schiefer-, Nagel- und Werkzeugkasten;
zwischen den Ausschnitten vorn das Haueisen, ein klei¬
ner Ambos, auf dem er mit dem Deckhammer die Schie¬
fer zurichtet, wie er sie eben braucht; dies Geräth,
von vier starken Tauen gehalten, die sich oberhalb in
zwei Ringe für den Hacken des Flaschenzugs vereini¬
gen, das ist der Hängestuhl, wie er es nennt, das
leichte Schiff, mit dem er hoch in der Luft das Thurm¬
dach umsegelt. Mittelst des Flaschenzugs zieht er sich
mit leichter Mühe hinauf und läßt sich herab, so hoch
und tief er mag; der Ring oben dreht sich mit Flaschen¬
zug und Hängestuhl, nach welcher Seite er will, um
den Thurm. Ein leichter Fußstoß gegen die Dachfläche
setzt das Ganze in Schwung, den er einhalten kann,
wo es ihm gefällt. Und bald bleibt kein Menschenkind
mehr unten steh'n und sieht herauf; der Schieferdecker
und sein Fahrzeug sind nichts Neues mehr. Die Kinder
greifen wieder zu ihren alten Spielen. Die Dohlen

ferdecker ſpielen die Kinder der Stadt eine ganze Woche
lang.

Aber der kühne Mann beginnt nun erſt ſein Werk.
Er holt ein anderes Tau herauf und legt es als dreh¬
baren Ring unter dem Thurmknopf um die Stange.
Daran befeſtigt er den Flaſchenzug mit drei Kloben,
an den Flaſchenzug die Ringe ſeines Fahrzeugs. Ein
Sitzbrett mit zwei Ausſchnitten für die herabhängenden
Beine, hinten eine niedrige, gekrümmte Lehne, hüben
und drüben Schiefer-, Nagel- und Werkzeugkaſten;
zwiſchen den Ausſchnitten vorn das Haueiſen, ein klei¬
ner Ambos, auf dem er mit dem Deckhammer die Schie¬
fer zurichtet, wie er ſie eben braucht; dies Geräth,
von vier ſtarken Tauen gehalten, die ſich oberhalb in
zwei Ringe für den Hacken des Flaſchenzugs vereini¬
gen, das iſt der Hängeſtuhl, wie er es nennt, das
leichte Schiff, mit dem er hoch in der Luft das Thurm¬
dach umſegelt. Mittelſt des Flaſchenzugs zieht er ſich
mit leichter Mühe hinauf und läßt ſich herab, ſo hoch
und tief er mag; der Ring oben dreht ſich mit Flaſchen¬
zug und Hängeſtuhl, nach welcher Seite er will, um
den Thurm. Ein leichter Fußſtoß gegen die Dachfläche
ſetzt das Ganze in Schwung, den er einhalten kann,
wo es ihm gefällt. Und bald bleibt kein Menſchenkind
mehr unten ſteh'n und ſieht herauf; der Schieferdecker
und ſein Fahrzeug ſind nichts Neues mehr. Die Kinder
greifen wieder zu ihren alten Spielen. Die Dohlen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0081" n="72"/>
ferdecker &#x017F;pielen die Kinder der Stadt eine ganze Woche<lb/>
lang.</p><lb/>
        <p>Aber der kühne Mann beginnt nun er&#x017F;t &#x017F;ein Werk.<lb/>
Er holt ein anderes Tau herauf und legt es als dreh¬<lb/>
baren Ring unter dem Thurmknopf um die Stange.<lb/>
Daran befe&#x017F;tigt er den Fla&#x017F;chenzug mit drei Kloben,<lb/>
an den Fla&#x017F;chenzug die Ringe &#x017F;eines Fahrzeugs. Ein<lb/>
Sitzbrett mit zwei Aus&#x017F;chnitten für die herabhängenden<lb/>
Beine, hinten eine niedrige, gekrümmte Lehne, hüben<lb/>
und drüben Schiefer-, Nagel- und Werkzeugka&#x017F;ten;<lb/>
zwi&#x017F;chen den Aus&#x017F;chnitten vorn das Hauei&#x017F;en, ein klei¬<lb/>
ner Ambos, auf dem er mit dem Deckhammer die Schie¬<lb/>
fer zurichtet, wie er &#x017F;ie eben braucht; dies Geräth,<lb/>
von vier &#x017F;tarken Tauen gehalten, die &#x017F;ich oberhalb in<lb/>
zwei Ringe für den Hacken des Fla&#x017F;chenzugs vereini¬<lb/>
gen, das i&#x017F;t der Hänge&#x017F;tuhl, wie er es nennt, das<lb/>
leichte Schiff, mit dem er hoch in der Luft das Thurm¬<lb/>
dach um&#x017F;egelt. Mittel&#x017F;t des Fla&#x017F;chenzugs zieht er &#x017F;ich<lb/>
mit leichter Mühe hinauf und läßt &#x017F;ich herab, &#x017F;o hoch<lb/>
und tief er mag; der Ring oben dreht &#x017F;ich mit Fla&#x017F;chen¬<lb/>
zug und Hänge&#x017F;tuhl, nach welcher Seite er will, um<lb/>
den Thurm. Ein leichter Fuß&#x017F;toß gegen die Dachfläche<lb/>
&#x017F;etzt das Ganze in Schwung, den er einhalten kann,<lb/>
wo es ihm gefällt. Und bald bleibt kein Men&#x017F;chenkind<lb/>
mehr unten &#x017F;teh'n und &#x017F;ieht herauf; der Schieferdecker<lb/>
und &#x017F;ein Fahrzeug &#x017F;ind nichts Neues mehr. Die Kinder<lb/>
greifen wieder zu ihren alten Spielen. Die Dohlen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0081] ferdecker ſpielen die Kinder der Stadt eine ganze Woche lang. Aber der kühne Mann beginnt nun erſt ſein Werk. Er holt ein anderes Tau herauf und legt es als dreh¬ baren Ring unter dem Thurmknopf um die Stange. Daran befeſtigt er den Flaſchenzug mit drei Kloben, an den Flaſchenzug die Ringe ſeines Fahrzeugs. Ein Sitzbrett mit zwei Ausſchnitten für die herabhängenden Beine, hinten eine niedrige, gekrümmte Lehne, hüben und drüben Schiefer-, Nagel- und Werkzeugkaſten; zwiſchen den Ausſchnitten vorn das Haueiſen, ein klei¬ ner Ambos, auf dem er mit dem Deckhammer die Schie¬ fer zurichtet, wie er ſie eben braucht; dies Geräth, von vier ſtarken Tauen gehalten, die ſich oberhalb in zwei Ringe für den Hacken des Flaſchenzugs vereini¬ gen, das iſt der Hängeſtuhl, wie er es nennt, das leichte Schiff, mit dem er hoch in der Luft das Thurm¬ dach umſegelt. Mittelſt des Flaſchenzugs zieht er ſich mit leichter Mühe hinauf und läßt ſich herab, ſo hoch und tief er mag; der Ring oben dreht ſich mit Flaſchen¬ zug und Hängeſtuhl, nach welcher Seite er will, um den Thurm. Ein leichter Fußſtoß gegen die Dachfläche ſetzt das Ganze in Schwung, den er einhalten kann, wo es ihm gefällt. Und bald bleibt kein Menſchenkind mehr unten ſteh'n und ſieht herauf; der Schieferdecker und ſein Fahrzeug ſind nichts Neues mehr. Die Kinder greifen wieder zu ihren alten Spielen. Die Dohlen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/81
Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/81>, abgerufen am 19.05.2024.