das offene Aug' des Tages hinein. Die Dohlen hören's mit Entsetzen; das Menschenkind unten auf der festen Erde vernimmt es nicht, die Wolken oben am Himmel ziehen gleichmüthig darüber hin. Lang währt das Pochen, dann verstummt's. Und den Rüst¬ stangen nach und quer auf ihnen liegend schieben sich zwei, drei kurze Bretter. Hinter ihnen erscheint ein Menschenhaupt und ein Paar rüstige Arme. Eine Hand hält den Nagel, die andere trifft ihn mit ge¬ schwungenem Hammer, bis die Bretter fest aufgenagelt sind und die fliegende Rüstung fertig. So nennt sie ihr Baumeister, dem sie eine Brücke zum Himmel wer¬ den kann, ohne daß er es begehrt. Auf die Rüstung baut sich nun die Leiter und, ist das Thurmdach sehr hoch, Leiter auf Leiter. Nichts hält sie zusammen, als der eiserne Längehacken, nichts hält sie fest, als auf der Rüstung vier Männerhände und oben die Helmstange, an der sie lehnt. Ist sie einmal über der Ausfahrthür und an der Helmstange mit starken Tauen angebunden, dann sieht der kühne Schieferdecker keine Gefahr mehr in ihrem Besteigen, so weh dem schwindelnden Men¬ schenkinde tief unten auf der sichern Erde wird, wenn es heraufschaut und meint, die Leiter sei aus leichten Spänen zusammengeleimt wie ein Weihnachtsspielwerk für Kinder. Aber eh' er die Leiter angebunden hat -- und um das zu thun, muß er erst einmal hinauf¬ gestiegen sein, -- mag er seine arme Seele Gott befeh¬
das offene Aug' des Tages hinein. Die Dohlen hören's mit Entſetzen; das Menſchenkind unten auf der feſten Erde vernimmt es nicht, die Wolken oben am Himmel ziehen gleichmüthig darüber hin. Lang währt das Pochen, dann verſtummt's. Und den Rüſt¬ ſtangen nach und quer auf ihnen liegend ſchieben ſich zwei, drei kurze Bretter. Hinter ihnen erſcheint ein Menſchenhaupt und ein Paar rüſtige Arme. Eine Hand hält den Nagel, die andere trifft ihn mit ge¬ ſchwungenem Hammer, bis die Bretter feſt aufgenagelt ſind und die fliegende Rüſtung fertig. So nennt ſie ihr Baumeiſter, dem ſie eine Brücke zum Himmel wer¬ den kann, ohne daß er es begehrt. Auf die Rüſtung baut ſich nun die Leiter und, iſt das Thurmdach ſehr hoch, Leiter auf Leiter. Nichts hält ſie zuſammen, als der eiſerne Längehacken, nichts hält ſie feſt, als auf der Rüſtung vier Männerhände und oben die Helmſtange, an der ſie lehnt. Iſt ſie einmal über der Ausfahrthür und an der Helmſtange mit ſtarken Tauen angebunden, dann ſieht der kühne Schieferdecker keine Gefahr mehr in ihrem Beſteigen, ſo weh dem ſchwindelnden Men¬ ſchenkinde tief unten auf der ſichern Erde wird, wenn es heraufſchaut und meint, die Leiter ſei aus leichten Spänen zuſammengeleimt wie ein Weihnachtsſpielwerk für Kinder. Aber eh' er die Leiter angebunden hat — und um das zu thun, muß er erſt einmal hinauf¬ geſtiegen ſein, — mag er ſeine arme Seele Gott befeh¬
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das offene Aug' des Tages hinein. Die Dohlen
hören's mit Entſetzen; das Menſchenkind unten auf
der feſten Erde vernimmt es nicht, die Wolken oben
am Himmel ziehen gleichmüthig darüber hin. Lang
währt das Pochen, dann verſtummt's. Und den Rüſt¬
ſtangen nach und quer auf ihnen liegend ſchieben ſich
zwei, drei kurze Bretter. Hinter ihnen erſcheint ein
Menſchenhaupt und ein Paar rüſtige Arme. Eine
Hand hält den Nagel, die andere trifft ihn mit ge¬
ſchwungenem Hammer, bis die Bretter feſt aufgenagelt
ſind und die fliegende Rüſtung fertig. So nennt ſie
ihr Baumeiſter, dem ſie eine Brücke zum Himmel wer¬
den kann, ohne daß er es begehrt. Auf die Rüſtung
baut ſich nun die Leiter und, iſt das Thurmdach ſehr
hoch, Leiter auf Leiter. Nichts hält ſie zuſammen, als
der eiſerne Längehacken, nichts hält ſie feſt, als auf der
Rüſtung vier Männerhände und oben die Helmſtange,
an der ſie lehnt. Iſt ſie einmal über der Ausfahrthür
und an der Helmſtange mit ſtarken Tauen angebunden,
dann ſieht der kühne Schieferdecker keine Gefahr mehr
in ihrem Beſteigen, ſo weh dem ſchwindelnden Men¬
ſchenkinde tief unten auf der ſichern Erde wird, wenn
es heraufſchaut und meint, die Leiter ſei aus leichten
Spänen zuſammengeleimt wie ein Weihnachtsſpielwerk
für Kinder. Aber eh' er die Leiter angebunden hat
— und um das zu thun, muß er erſt einmal hinauf¬
geſtiegen ſein, — mag er ſeine arme Seele Gott befeh¬
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/79>, abgerufen am 25.11.2024.
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