der Musik -- jeder Tanz war eine Jubelouvertüre auf den Namen Nettenmair -- er fühlte keinen Boden, keine Füße, keine Beine mehr unter sich, kaum noch die junge Frau Nettenmair, die neben ihm schwamm, an seiner rechten Floßfeder hangend, die Schönste unter den Schönen, wie er der Jovialste unter den Jovialen, der Daumen an der Hand des Balles war. Und zwei Stunden darauf klang es wirklich von allen Seiten: da ist er! rief's wirklich aus allen Ecken: nun wird's famos! Wo sie vorbeikamen, wurden Stühle ange¬ boten. Keine Hand wurde so oft und anhaltend ge¬ schüttelt, als des jovialen Fritz Nettenmair's, keinem Gesellschaftsmitgliede so viel ungeheucheltes Lob in die Ohren gegossen, als ihm. Aber wie liebenswürdig war er auch! Wie herablassend nahm er all' die ver¬ dienten Huldigungen auf. Wie witzig zeigt' er sich; wie gefällig lachte er. Und nicht allein über seine eige¬ nen Spässe -- denn das war keine Kunst; sie waren so geistreich, daß er lachen mußte, wenn er nicht wollte -- auch über andere, so wenig die es, gegen die seinen gehalten, verdienten. Es gab freilich auch Leute, die sich wenig an ihn kehrten, aber er bemerkte sie nicht, und die es deutlicher zeigten, waren Philister, Alltags¬ kerle, unbedeutende Menschen, wie er dem Bruder mit verächtlichem Bedauern in's Ohr sagte. Es war ganz eigen; man konnte an dem Grad ihrer Verehrung von Fritz Nettenmair ihre größere oder geringere Bedeutung
der Muſik — jeder Tanz war eine Jubelouvertüre auf den Namen Nettenmair — er fühlte keinen Boden, keine Füße, keine Beine mehr unter ſich, kaum noch die junge Frau Nettenmair, die neben ihm ſchwamm, an ſeiner rechten Floßfeder hangend, die Schönſte unter den Schönen, wie er der Jovialſte unter den Jovialen, der Daumen an der Hand des Balles war. Und zwei Stunden darauf klang es wirklich von allen Seiten: da iſt er! rief's wirklich aus allen Ecken: nun wird's famos! Wo ſie vorbeikamen, wurden Stühle ange¬ boten. Keine Hand wurde ſo oft und anhaltend ge¬ ſchüttelt, als des jovialen Fritz Nettenmair's, keinem Geſellſchaftsmitgliede ſo viel ungeheucheltes Lob in die Ohren gegoſſen, als ihm. Aber wie liebenswürdig war er auch! Wie herablaſſend nahm er all' die ver¬ dienten Huldigungen auf. Wie witzig zeigt' er ſich; wie gefällig lachte er. Und nicht allein über ſeine eige¬ nen Späſſe — denn das war keine Kunſt; ſie waren ſo geiſtreich, daß er lachen mußte, wenn er nicht wollte — auch über andere, ſo wenig die es, gegen die ſeinen gehalten, verdienten. Es gab freilich auch Leute, die ſich wenig an ihn kehrten, aber er bemerkte ſie nicht, und die es deutlicher zeigten, waren Philiſter, Alltags¬ kerle, unbedeutende Menſchen, wie er dem Bruder mit verächtlichem Bedauern in's Ohr ſagte. Es war ganz eigen; man konnte an dem Grad ihrer Verehrung von Fritz Nettenmair ihre größere oder geringere Bedeutung
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der Muſik — jeder Tanz war eine Jubelouvertüre auf
den Namen Nettenmair — er fühlte keinen Boden,
keine Füße, keine Beine mehr unter ſich, kaum noch die
junge Frau Nettenmair, die neben ihm ſchwamm, an
ſeiner rechten Floßfeder hangend, die Schönſte unter
den Schönen, wie er der Jovialſte unter den Jovialen,
der Daumen an der Hand des Balles war. Und zwei
Stunden darauf klang es wirklich von allen Seiten:
da iſt er! rief's wirklich aus allen Ecken: nun wird's
famos! Wo ſie vorbeikamen, wurden Stühle ange¬
boten. Keine Hand wurde ſo oft und anhaltend ge¬
ſchüttelt, als des jovialen Fritz Nettenmair's, keinem
Geſellſchaftsmitgliede ſo viel ungeheucheltes Lob in die
Ohren gegoſſen, als ihm. Aber wie liebenswürdig
war er auch! Wie herablaſſend nahm er all' die ver¬
dienten Huldigungen auf. Wie witzig zeigt' er ſich;
wie gefällig lachte er. Und nicht allein über ſeine eige¬
nen Späſſe — denn das war keine Kunſt; ſie waren
ſo geiſtreich, daß er lachen mußte, wenn er nicht wollte
— auch über andere, ſo wenig die es, gegen die ſeinen
gehalten, verdienten. Es gab freilich auch Leute, die
ſich wenig an ihn kehrten, aber er bemerkte ſie nicht,
und die es deutlicher zeigten, waren Philiſter, Alltags¬
kerle, unbedeutende Menſchen, wie er dem Bruder mit
verächtlichem Bedauern in's Ohr ſagte. Es war ganz
eigen; man konnte an dem Grad ihrer Verehrung von
Fritz Nettenmair ihre größere oder geringere Bedeutung
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/62>, abgerufen am 24.11.2024.
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