Er trat dem Sohn um einen Schritt näher. Es war wie ein Kampf in ihm. Er wollte etwas sagen, das Niemand hören sollte, als der Sohn. Aber er schwieg. Ein Gedankenschatten von Mißtrauen und Furcht, sich etwas zu vergeben, flog über sein steiner¬ nes Gesicht. Er winkte dem Sohn, zu geh'n. Aber er selbst blieb regungslos steh'n, bis sein scharfes Ohr die Thür der Wohnstube öffnen und schließen gehört. Dann ging er nach der Laube, immer voll Anstrengung und scheinbarer Sorglosigkeit. Drinn stand er lang, mit dem Gesichte der grünen Hinterwand zugekehrt, und schien die Ranken von Teufelszwirn, die diese bildeten, angelegentlich zu mustern. Allerlei Gedanken zogen über seine Stirn. Es waren sorgenvolle, seltener von Hoffnung angeschimmert, als von Argwohn über¬ dunkelt; und alle galten dem Geschäft und der Ehre des Hauses, um das er vor Allen, selbst vor den Gliedern dieses Hauses, sich nicht im entferntesten zu kümmern sich den Anschein gab.
Warum er unterdrückt, was er dem Ankömmling sagen wollte? War es vom Geschäft oder von der Ehre des Hauses? Und wußte oder ahnte er, der anstatt seiner nun um Beides zu sorgen hatte, stand an die Thür des Gärtchens gelehnt und konnte hören, was er sprach, und wenn er heimlich mit ihm sprach, wenig¬ stens sehen, daß er dies that? War es der Grund, warum er Apollonius hatte zurückrufen lassen aus der
Er trat dem Sohn um einen Schritt näher. Es war wie ein Kampf in ihm. Er wollte etwas ſagen, das Niemand hören ſollte, als der Sohn. Aber er ſchwieg. Ein Gedankenſchatten von Mißtrauen und Furcht, ſich etwas zu vergeben, flog über ſein ſteiner¬ nes Geſicht. Er winkte dem Sohn, zu geh'n. Aber er ſelbſt blieb regungslos ſteh'n, bis ſein ſcharfes Ohr die Thür der Wohnſtube öffnen und ſchließen gehört. Dann ging er nach der Laube, immer voll Anſtrengung und ſcheinbarer Sorgloſigkeit. Drinn ſtand er lang, mit dem Geſichte der grünen Hinterwand zugekehrt, und ſchien die Ranken von Teufelszwirn, die dieſe bildeten, angelegentlich zu muſtern. Allerlei Gedanken zogen über ſeine Stirn. Es waren ſorgenvolle, ſeltener von Hoffnung angeſchimmert, als von Argwohn über¬ dunkelt; und alle galten dem Geſchäft und der Ehre des Hauſes, um das er vor Allen, ſelbſt vor den Gliedern dieſes Hauſes, ſich nicht im entfernteſten zu kümmern ſich den Anſchein gab.
Warum er unterdrückt, was er dem Ankömmling ſagen wollte? War es vom Geſchäft oder von der Ehre des Hauſes? Und wußte oder ahnte er, der anſtatt ſeiner nun um Beides zu ſorgen hatte, ſtand an die Thür des Gärtchens gelehnt und konnte hören, was er ſprach, und wenn er heimlich mit ihm ſprach, wenig¬ ſtens ſehen, daß er dies that? War es der Grund, warum er Apollonius hatte zurückrufen laſſen aus der
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Er trat dem Sohn um einen Schritt näher. Es
war wie ein Kampf in ihm. Er wollte etwas ſagen,
das Niemand hören ſollte, als der Sohn. Aber er
ſchwieg. Ein Gedankenſchatten von Mißtrauen und
Furcht, ſich etwas zu vergeben, flog über ſein ſteiner¬
nes Geſicht. Er winkte dem Sohn, zu geh'n. Aber
er ſelbſt blieb regungslos ſteh'n, bis ſein ſcharfes Ohr
die Thür der Wohnſtube öffnen und ſchließen gehört.
Dann ging er nach der Laube, immer voll Anſtrengung
und ſcheinbarer Sorgloſigkeit. Drinn ſtand er lang,
mit dem Geſichte der grünen Hinterwand zugekehrt,
und ſchien die Ranken von Teufelszwirn, die dieſe
bildeten, angelegentlich zu muſtern. Allerlei Gedanken
zogen über ſeine Stirn. Es waren ſorgenvolle, ſeltener
von Hoffnung angeſchimmert, als von Argwohn über¬
dunkelt; und alle galten dem Geſchäft und der Ehre des
Hauſes, um das er vor Allen, ſelbſt vor den Gliedern
dieſes Hauſes, ſich nicht im entfernteſten zu kümmern
ſich den Anſchein gab.
Warum er unterdrückt, was er dem Ankömmling
ſagen wollte? War es vom Geſchäft oder von der Ehre
des Hauſes? Und wußte oder ahnte er, der anſtatt
ſeiner nun um Beides zu ſorgen hatte, ſtand an die
Thür des Gärtchens gelehnt und konnte hören, was
er ſprach, und wenn er heimlich mit ihm ſprach, wenig¬
ſtens ſehen, daß er dies that? War es der Grund,
warum er Apollonius hatte zurückrufen laſſen aus der
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/59>, abgerufen am 24.11.2024.
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