nicht betrafen, redete er mit den Söhnen gar nicht. Dagegen war es des Vetters Weise, eh' er selbst seine Ansicht über einen Punkt des Geschäftes aussprach, seine Gehülfen um ihre Meinung zu fragen. Es war dann nicht genug an der Meinung, er wollte auch die Gründe wissen. Dann machte er Einwürfe; war ihre Meinung die richtige, mußten sie dieselbe siegreich durch¬ kämpfen; irrten sie, nöthigte er sie, durch eigenes Den¬ ken auf das Rechte zu kommen. So erzog er sich Helfer, die nicht um jede Kleinigkeit, ihn fragen mu߬ ten, denen er Manches überlassen konnte. Und so hielt er es auch mit andern Dingen. Es waren wenig Verhältnisse des bürgerlichen Lebens, die er nicht nach seiner Weise mit seiner Familie -- und Apollonius gehörte dazu -- durchsprach. Indem er zunächst nur darauf auszugehen schien, das Urtheil der jungen Leute zu bilden, gab er ihnen einen Reichthum von Lebens¬ regeln und Grundsätzen, die um so mehr Frucht ver¬ sprachen, da die jungen Leute sie selbst hatten finden müssen. Woran der Vetter bei seinem Verwandten nicht tastete, das war dessen Gewissenhaftigkeit, Eigen¬ sinn in der Arbeit und Sauberkeit des Leibes und der Seele. Doch ließ er es nicht an Winken und Beispie¬ len fehlen, wie auch diese Tugenden an Uebermaß er¬ kranken könnten.
Apollonius erkannte sehr deutlich, daß sein Glück ihn zu dem Vetter geführt. Er verlor das träumerische
nicht betrafen, redete er mit den Söhnen gar nicht. Dagegen war es des Vetters Weiſe, eh' er ſelbſt ſeine Anſicht über einen Punkt des Geſchäftes ausſprach, ſeine Gehülfen um ihre Meinung zu fragen. Es war dann nicht genug an der Meinung, er wollte auch die Gründe wiſſen. Dann machte er Einwürfe; war ihre Meinung die richtige, mußten ſie dieſelbe ſiegreich durch¬ kämpfen; irrten ſie, nöthigte er ſie, durch eigenes Den¬ ken auf das Rechte zu kommen. So erzog er ſich Helfer, die nicht um jede Kleinigkeit, ihn fragen mu߬ ten, denen er Manches überlaſſen konnte. Und ſo hielt er es auch mit andern Dingen. Es waren wenig Verhältniſſe des bürgerlichen Lebens, die er nicht nach ſeiner Weiſe mit ſeiner Familie — und Apollonius gehörte dazu — durchſprach. Indem er zunächſt nur darauf auszugehen ſchien, das Urtheil der jungen Leute zu bilden, gab er ihnen einen Reichthum von Lebens¬ regeln und Grundſätzen, die um ſo mehr Frucht ver¬ ſprachen, da die jungen Leute ſie ſelbſt hatten finden müſſen. Woran der Vetter bei ſeinem Verwandten nicht taſtete, das war deſſen Gewiſſenhaftigkeit, Eigen¬ ſinn in der Arbeit und Sauberkeit des Leibes und der Seele. Doch ließ er es nicht an Winken und Beiſpie¬ len fehlen, wie auch dieſe Tugenden an Uebermaß er¬ kranken könnten.
Apollonius erkannte ſehr deutlich, daß ſein Glück ihn zu dem Vetter geführt. Er verlor das träumeriſche
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nicht betrafen, redete er mit den Söhnen gar nicht.
Dagegen war es des Vetters Weiſe, eh' er ſelbſt ſeine
Anſicht über einen Punkt des Geſchäftes ausſprach,
ſeine Gehülfen um ihre Meinung zu fragen. Es war
dann nicht genug an der Meinung, er wollte auch die
Gründe wiſſen. Dann machte er Einwürfe; war ihre
Meinung die richtige, mußten ſie dieſelbe ſiegreich durch¬
kämpfen; irrten ſie, nöthigte er ſie, durch eigenes Den¬
ken auf das Rechte zu kommen. So erzog er ſich
Helfer, die nicht um jede Kleinigkeit, ihn fragen mu߬
ten, denen er Manches überlaſſen konnte. Und ſo hielt
er es auch mit andern Dingen. Es waren wenig
Verhältniſſe des bürgerlichen Lebens, die er nicht nach
ſeiner Weiſe mit ſeiner Familie — und Apollonius
gehörte dazu — durchſprach. Indem er zunächſt nur
darauf auszugehen ſchien, das Urtheil der jungen Leute
zu bilden, gab er ihnen einen Reichthum von Lebens¬
regeln und Grundſätzen, die um ſo mehr Frucht ver¬
ſprachen, da die jungen Leute ſie ſelbſt hatten finden
müſſen. Woran der Vetter bei ſeinem Verwandten
nicht taſtete, das war deſſen Gewiſſenhaftigkeit, Eigen¬
ſinn in der Arbeit und Sauberkeit des Leibes und der
Seele. Doch ließ er es nicht an Winken und Beiſpie¬
len fehlen, wie auch dieſe Tugenden an Uebermaß er¬
kranken könnten.
Apollonius erkannte ſehr deutlich, daß ſein Glück
ihn zu dem Vetter geführt. Er verlor das träumeriſche
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/35>, abgerufen am 23.11.2024.
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