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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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Stirn der Wittwe, die Schraube über Apollonius'
Stirne bleichten; die Kinder waren Männer geworden,
stark und mild wie ihr Erzieher und Lehrherr; Locke
und Schraube waren weiß; das Leben der beiden
Menschen blieb dasselbe.

Nun weiß der Leser die ganze Vergangenheit, die
der alte Herr, wenn die Glocken Sonntags zum Vor¬
mittagsgottesdienste rufen, in seiner Laube sitzend vom
Thurmdach von Sankt Georg abliest. Heute sieht er
mehr vorwärts in die Zukunft, als in die Vergangen¬
heit zurück. Denn der ältere Neffe wird bald Anna
Wohligs Tochter zum Altare von Sankt Georg, und
dann heimführen; aber nicht in das Haus mit den
grünen Fensterladen, sondern in das große Haus da¬
neben. Das rosige ist für das gewachsene Geschäft
zu klein geworden, auch hat der neue Haushalt nicht
Platz darin; Herr Nettenmair hat das große Haus
über dem Gäßchen drüben gekauft. Der jüngere Neffe
geht nach Köln. Der alte Vetter dort, dem Apollonius
soviel dankt, ist lange todt, auch der Sohn des Vetters
ist gestorben. Dieser hat das große Geschäft seinem
einzigen Kinde hinterlassen, der Braut des jüngsten
Sohnes von Fritz Nettenmair. Beide Paare werden
zusammen in Sankt Georg getraut. Dann wohnen
die beiden Alten allein in dem Hause mit den grünen
Fensterladen. Der alte Herr hat schon lang das Ge¬
schäft übergeben wollen; die Jungen haben es bis jetzt

Stirn der Wittwe, die Schraube über Apollonius'
Stirne bleichten; die Kinder waren Männer geworden,
ſtark und mild wie ihr Erzieher und Lehrherr; Locke
und Schraube waren weiß; das Leben der beiden
Menſchen blieb dasſelbe.

Nun weiß der Leſer die ganze Vergangenheit, die
der alte Herr, wenn die Glocken Sonntags zum Vor¬
mittagsgottesdienſte rufen, in ſeiner Laube ſitzend vom
Thurmdach von Sankt Georg ablieſt. Heute ſieht er
mehr vorwärts in die Zukunft, als in die Vergangen¬
heit zurück. Denn der ältere Neffe wird bald Anna
Wohligs Tochter zum Altare von Sankt Georg, und
dann heimführen; aber nicht in das Haus mit den
grünen Fenſterladen, ſondern in das große Haus da¬
neben. Das roſige iſt für das gewachſene Geſchäft
zu klein geworden, auch hat der neue Haushalt nicht
Platz darin; Herr Nettenmair hat das große Haus
über dem Gäßchen drüben gekauft. Der jüngere Neffe
geht nach Köln. Der alte Vetter dort, dem Apollonius
ſoviel dankt, iſt lange todt, auch der Sohn des Vetters
iſt geſtorben. Dieſer hat das große Geſchäft ſeinem
einzigen Kinde hinterlaſſen, der Braut des jüngſten
Sohnes von Fritz Nettenmair. Beide Paare werden
zuſammen in Sankt Georg getraut. Dann wohnen
die beiden Alten allein in dem Hauſe mit den grünen
Fenſterladen. Der alte Herr hat ſchon lang das Ge¬
ſchäft übergeben wollen; die Jungen haben es bis jetzt

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[318/0327] Stirn der Wittwe, die Schraube über Apollonius' Stirne bleichten; die Kinder waren Männer geworden, ſtark und mild wie ihr Erzieher und Lehrherr; Locke und Schraube waren weiß; das Leben der beiden Menſchen blieb dasſelbe. Nun weiß der Leſer die ganze Vergangenheit, die der alte Herr, wenn die Glocken Sonntags zum Vor¬ mittagsgottesdienſte rufen, in ſeiner Laube ſitzend vom Thurmdach von Sankt Georg ablieſt. Heute ſieht er mehr vorwärts in die Zukunft, als in die Vergangen¬ heit zurück. Denn der ältere Neffe wird bald Anna Wohligs Tochter zum Altare von Sankt Georg, und dann heimführen; aber nicht in das Haus mit den grünen Fenſterladen, ſondern in das große Haus da¬ neben. Das roſige iſt für das gewachſene Geſchäft zu klein geworden, auch hat der neue Haushalt nicht Platz darin; Herr Nettenmair hat das große Haus über dem Gäßchen drüben gekauft. Der jüngere Neffe geht nach Köln. Der alte Vetter dort, dem Apollonius ſoviel dankt, iſt lange todt, auch der Sohn des Vetters iſt geſtorben. Dieſer hat das große Geſchäft ſeinem einzigen Kinde hinterlaſſen, der Braut des jüngſten Sohnes von Fritz Nettenmair. Beide Paare werden zuſammen in Sankt Georg getraut. Dann wohnen die beiden Alten allein in dem Hauſe mit den grünen Fenſterladen. Der alte Herr hat ſchon lang das Ge¬ ſchäft übergeben wollen; die Jungen haben es bis jetzt

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/327>, abgerufen am 24.11.2024.