Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich kann's nicht mehr mit anseh'n, wie du abmagerst
und immer bleicher wirst, sagte der Bruder eines Abends
zu unserm Helden, nachdem er ihm gemeldet, wie er
heut' wieder erfolglos für ihn gesprochen. Du mußt
fort eine Zeit lang von hier, das wird nach zwei Seiten
gute Folgen für dich haben. Wenn ich ihr sage, du
bist um ihretwillen in die Welt gegangen, wird sie sich
vielleicht bekehren. Glaub' mir, ich kenne, was lange
Haare trägt und weiß damit umzugeh'n. Du schreibst
ihr einen beweglichen Brief zum Abschied, den bekommt
sie durch mich und ich will ihr schon das Herz weich
machen. Und ist's nicht zu erreichen, so wird dir's gut
thun, wenn du ein oder mehre Jahre von hier weg
bist, wo dich Alles an sie erinnert. Und zuletzt wird
die Fremde einen andern Kerl aus dir machen, der mit
der Art, die Schürzen trägt, besser umzuspringen weiß.
Du mußt tanzen lernen, das ist schon der halbe Weg
dazu. Und der Alte im blauen Rock ist ohnehin vom
Vetter in Köln angegangen worden, einen von uns zu
ihm zu schicken; ich las neulich in einem Brief, der
ihm aus der Tasche gefallen war. Sag' ihm nur, du
hätt'st aus seinen Reden so was gemerkt und wenn er's
haben wollte, so woll'st du geh'n. Oder laß' mich das
machen. Du bist zu ehrlich.

Und er macht' es wirklich. Es ist die Frage, ob
sich unser Held freiwillig hätte entschließen können, die
Heimath zu verlassen, er, der nicht begriff, wie Jemand

Ich kann's nicht mehr mit anſeh'n, wie du abmagerſt
und immer bleicher wirſt, ſagte der Bruder eines Abends
zu unſerm Helden, nachdem er ihm gemeldet, wie er
heut' wieder erfolglos für ihn geſprochen. Du mußt
fort eine Zeit lang von hier, das wird nach zwei Seiten
gute Folgen für dich haben. Wenn ich ihr ſage, du
biſt um ihretwillen in die Welt gegangen, wird ſie ſich
vielleicht bekehren. Glaub' mir, ich kenne, was lange
Haare trägt und weiß damit umzugeh'n. Du ſchreibſt
ihr einen beweglichen Brief zum Abſchied, den bekommt
ſie durch mich und ich will ihr ſchon das Herz weich
machen. Und iſt's nicht zu erreichen, ſo wird dir's gut
thun, wenn du ein oder mehre Jahre von hier weg
biſt, wo dich Alles an ſie erinnert. Und zuletzt wird
die Fremde einen andern Kerl aus dir machen, der mit
der Art, die Schürzen trägt, beſſer umzuſpringen weiß.
Du mußt tanzen lernen, das iſt ſchon der halbe Weg
dazu. Und der Alte im blauen Rock iſt ohnehin vom
Vetter in Köln angegangen worden, einen von uns zu
ihm zu ſchicken; ich las neulich in einem Brief, der
ihm aus der Taſche gefallen war. Sag' ihm nur, du
hätt'ſt aus ſeinen Reden ſo was gemerkt und wenn er's
haben wollte, ſo woll'ſt du geh'n. Oder laß' mich das
machen. Du biſt zu ehrlich.

Und er macht' es wirklich. Es iſt die Frage, ob
ſich unſer Held freiwillig hätte entſchließen können, die
Heimath zu verlaſſen, er, der nicht begriff, wie Jemand

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0030" n="21"/>
        <p>Ich kann's nicht mehr mit an&#x017F;eh'n, wie du abmager&#x017F;t<lb/>
und immer bleicher wir&#x017F;t, &#x017F;agte der Bruder eines Abends<lb/>
zu un&#x017F;erm Helden, nachdem er ihm gemeldet, wie er<lb/>
heut' wieder erfolglos für ihn ge&#x017F;prochen. Du mußt<lb/>
fort eine Zeit lang von hier, das wird nach zwei Seiten<lb/>
gute Folgen für dich haben. Wenn ich ihr &#x017F;age, du<lb/>
bi&#x017F;t um ihretwillen in die Welt gegangen, wird &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
vielleicht bekehren. Glaub' mir, ich kenne, was lange<lb/>
Haare trägt und weiß damit umzugeh'n. Du &#x017F;chreib&#x017F;t<lb/>
ihr einen beweglichen Brief zum Ab&#x017F;chied, den bekommt<lb/>
&#x017F;ie durch mich und ich will ihr &#x017F;chon das Herz weich<lb/>
machen. Und i&#x017F;t's nicht zu erreichen, &#x017F;o wird dir's gut<lb/>
thun, wenn du ein oder mehre Jahre von hier weg<lb/>
bi&#x017F;t, wo dich Alles an &#x017F;ie erinnert. Und zuletzt wird<lb/>
die Fremde einen andern Kerl aus dir machen, der mit<lb/>
der Art, die Schürzen trägt, be&#x017F;&#x017F;er umzu&#x017F;pringen weiß.<lb/>
Du mußt tanzen lernen, das i&#x017F;t &#x017F;chon der halbe Weg<lb/>
dazu. Und der Alte im blauen Rock i&#x017F;t ohnehin vom<lb/>
Vetter in Köln angegangen worden, einen von uns zu<lb/>
ihm zu &#x017F;chicken; ich las neulich in einem Brief, der<lb/>
ihm aus der Ta&#x017F;che gefallen war. Sag' ihm nur, du<lb/>
hätt'&#x017F;t aus &#x017F;einen Reden &#x017F;o was gemerkt und wenn er's<lb/>
haben wollte, &#x017F;o woll'&#x017F;t du geh'n. Oder laß' mich das<lb/>
machen. Du bi&#x017F;t zu ehrlich.</p><lb/>
        <p>Und er macht' es wirklich. Es i&#x017F;t die Frage, ob<lb/>
&#x017F;ich un&#x017F;er Held freiwillig hätte ent&#x017F;chließen können, die<lb/>
Heimath zu verla&#x017F;&#x017F;en, er, der nicht begriff, wie Jemand<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0030] Ich kann's nicht mehr mit anſeh'n, wie du abmagerſt und immer bleicher wirſt, ſagte der Bruder eines Abends zu unſerm Helden, nachdem er ihm gemeldet, wie er heut' wieder erfolglos für ihn geſprochen. Du mußt fort eine Zeit lang von hier, das wird nach zwei Seiten gute Folgen für dich haben. Wenn ich ihr ſage, du biſt um ihretwillen in die Welt gegangen, wird ſie ſich vielleicht bekehren. Glaub' mir, ich kenne, was lange Haare trägt und weiß damit umzugeh'n. Du ſchreibſt ihr einen beweglichen Brief zum Abſchied, den bekommt ſie durch mich und ich will ihr ſchon das Herz weich machen. Und iſt's nicht zu erreichen, ſo wird dir's gut thun, wenn du ein oder mehre Jahre von hier weg biſt, wo dich Alles an ſie erinnert. Und zuletzt wird die Fremde einen andern Kerl aus dir machen, der mit der Art, die Schürzen trägt, beſſer umzuſpringen weiß. Du mußt tanzen lernen, das iſt ſchon der halbe Weg dazu. Und der Alte im blauen Rock iſt ohnehin vom Vetter in Köln angegangen worden, einen von uns zu ihm zu ſchicken; ich las neulich in einem Brief, der ihm aus der Taſche gefallen war. Sag' ihm nur, du hätt'ſt aus ſeinen Reden ſo was gemerkt und wenn er's haben wollte, ſo woll'ſt du geh'n. Oder laß' mich das machen. Du biſt zu ehrlich. Und er macht' es wirklich. Es iſt die Frage, ob ſich unſer Held freiwillig hätte entſchließen können, die Heimath zu verlaſſen, er, der nicht begriff, wie Jemand

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/30
Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/30>, abgerufen am 27.11.2024.