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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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"wenn einer anderthalb Jahre lang den Tag sich über
Gebühr anstrengt und die Nacht bei Büchern und
Briefen aufsitzt? Dazu die immer steigende Sorge durch
den -- Gott verzeih's ihm, er ist todt, und von den
Todten soll man nichts Böses reden -- durch den
Bruder; am Ende noch der Schreck, der mich drei
Tage krank gemacht hat, über den -- und wenn seine
Wittwe dabei ist -- ich hab' ihn nie besonders leiden
können, und zuletzt am wenigsten. So ist die Jugend.
Ich hab' ihn hundertmal gewarnt, den braven Jungen.
Und nun noch den vermaledeiten Schieferbruch! Ei
was Gewissenhaftigkeit! Das ist keine, die nicht an
die Gesundheit denkt!" Der alte Bauherr hielt der
jungen Wittib eine ganze lange Strafpredigt, die einem
galt, der sie nicht hörte. Dann kamen sie überein,
Apollonius müsse einen Doktor annehmen, woll' er oder
nicht; und der Bauherr ging auf der Stelle zu dem
besten Arzte der Stadt. Der Arzt versprach, sein Mög¬
lichstes zu thun. Er besuchte auch Apollonius, und
dieser ließ sich des Arztes Bemühungen gefallen, weil
die es wünschten, die er liebte. Der Arzt fühlte den
Puls, kam wieder und wieder, verschrieb und verschrieb;
Apollonius wurde nur noch bleicher und trüber. End¬
lich erklärte der tüchtige Mann, hier sei ein Uebel,
gegen welches alle Kunst zu kurz falle. So tief
hinein, als wo diese Krankheit sitze, wirke keins von
seinen Mitteln.

„wenn einer anderthalb Jahre lang den Tag ſich über
Gebühr anſtrengt und die Nacht bei Büchern und
Briefen aufſitzt? Dazu die immer ſteigende Sorge durch
den — Gott verzeih's ihm, er iſt todt, und von den
Todten ſoll man nichts Böſes reden — durch den
Bruder; am Ende noch der Schreck, der mich drei
Tage krank gemacht hat, über den — und wenn ſeine
Wittwe dabei iſt — ich hab' ihn nie beſonders leiden
können, und zuletzt am wenigſten. So iſt die Jugend.
Ich hab' ihn hundertmal gewarnt, den braven Jungen.
Und nun noch den vermaledeiten Schieferbruch! Ei
was Gewiſſenhaftigkeit! Das iſt keine, die nicht an
die Geſundheit denkt!“ Der alte Bauherr hielt der
jungen Wittib eine ganze lange Strafpredigt, die einem
galt, der ſie nicht hörte. Dann kamen ſie überein,
Apollonius müſſe einen Doktor annehmen, woll' er oder
nicht; und der Bauherr ging auf der Stelle zu dem
beſten Arzte der Stadt. Der Arzt verſprach, ſein Mög¬
lichſtes zu thun. Er beſuchte auch Apollonius, und
dieſer ließ ſich des Arztes Bemühungen gefallen, weil
die es wünſchten, die er liebte. Der Arzt fühlte den
Puls, kam wieder und wieder, verſchrieb und verſchrieb;
Apollonius wurde nur noch bleicher und trüber. End¬
lich erklärte der tüchtige Mann, hier ſei ein Uebel,
gegen welches alle Kunſt zu kurz falle. So tief
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[274/0283] „wenn einer anderthalb Jahre lang den Tag ſich über Gebühr anſtrengt und die Nacht bei Büchern und Briefen aufſitzt? Dazu die immer ſteigende Sorge durch den — Gott verzeih's ihm, er iſt todt, und von den Todten ſoll man nichts Böſes reden — durch den Bruder; am Ende noch der Schreck, der mich drei Tage krank gemacht hat, über den — und wenn ſeine Wittwe dabei iſt — ich hab' ihn nie beſonders leiden können, und zuletzt am wenigſten. So iſt die Jugend. Ich hab' ihn hundertmal gewarnt, den braven Jungen. Und nun noch den vermaledeiten Schieferbruch! Ei was Gewiſſenhaftigkeit! Das iſt keine, die nicht an die Geſundheit denkt!“ Der alte Bauherr hielt der jungen Wittib eine ganze lange Strafpredigt, die einem galt, der ſie nicht hörte. Dann kamen ſie überein, Apollonius müſſe einen Doktor annehmen, woll' er oder nicht; und der Bauherr ging auf der Stelle zu dem beſten Arzte der Stadt. Der Arzt verſprach, ſein Mög¬ lichſtes zu thun. Er beſuchte auch Apollonius, und dieſer ließ ſich des Arztes Bemühungen gefallen, weil die es wünſchten, die er liebte. Der Arzt fühlte den Puls, kam wieder und wieder, verſchrieb und verſchrieb; Apollonius wurde nur noch bleicher und trüber. End¬ lich erklärte der tüchtige Mann, hier ſei ein Uebel, gegen welches alle Kunſt zu kurz falle. So tief hinein, als wo dieſe Krankheit ſitze, wirke keins von ſeinen Mitteln.

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/283>, abgerufen am 26.11.2024.