Haus. Dazu hatte Apollonius in der letzten Zeit das vortheilhafte Anerbieten des Besitzers angenommen und die Schiefergrube gepachtet. Er verstand von Köln her den Betrieb des Schieferbaus und hatte sich einen frühern Bekannten von daher verschrieben, den er des Faches kundig und im Leben zuverlässig wußte. Seine Wahl erwies sich gerathen; der Mann war thätig; aber Apollonius erhielt trotzdem durch die Pach¬ tung einen bedeutenden Zuwachs von Arbeit. Der alte Bauherr sah ihn zuweilen bedenklich an und meinte, Apollonius habe doch seinen Kräften zuviel vertraut. Der jungen Wittib fiel es nicht auf, daß Apollonius nur wenig in die Wohnstube kam. Die Kinder, die er öfter zu sich rufen und kleine Dienste verrichten ließ, wobei sie lernen konnten, unterhielten den Verkehr. Und sie konnten bezeugen, daß Apollonius keine Zeit übrig hatte. Sie selber war desto öfter auf seiner Stube; doch nur, wenn er nicht daheim war. Sie schmückte Thüren und Wände mit Allem, was sie hatte, und wovon sie wußte, daß er es liebte, und hielt sich ganze Stunden lang arbeitend da auf. Aber auch sie be¬ merkte die Blässe seines Angesichts, die jedesmal gewach¬ sen schien, seit sie ihn nicht gesehn. Wie sie nun ganz sein Spiegel geworden war, spiegelte sie auch diese Blässe zurück. Sie hätte ihn gern erheitert, aber sie suchte seine Nähe nicht. Ihr schien, als ob ihre Nähe das Entgegengesetzte von dem auf ihn wirke, was sie
Haus. Dazu hatte Apollonius in der letzten Zeit das vortheilhafte Anerbieten des Beſitzers angenommen und die Schiefergrube gepachtet. Er verſtand von Köln her den Betrieb des Schieferbaus und hatte ſich einen frühern Bekannten von daher verſchrieben, den er des Faches kundig und im Leben zuverläſſig wußte. Seine Wahl erwies ſich gerathen; der Mann war thätig; aber Apollonius erhielt trotzdem durch die Pach¬ tung einen bedeutenden Zuwachs von Arbeit. Der alte Bauherr ſah ihn zuweilen bedenklich an und meinte, Apollonius habe doch ſeinen Kräften zuviel vertraut. Der jungen Wittib fiel es nicht auf, daß Apollonius nur wenig in die Wohnſtube kam. Die Kinder, die er öfter zu ſich rufen und kleine Dienſte verrichten ließ, wobei ſie lernen konnten, unterhielten den Verkehr. Und ſie konnten bezeugen, daß Apollonius keine Zeit übrig hatte. Sie ſelber war deſto öfter auf ſeiner Stube; doch nur, wenn er nicht daheim war. Sie ſchmückte Thüren und Wände mit Allem, was ſie hatte, und wovon ſie wußte, daß er es liebte, und hielt ſich ganze Stunden lang arbeitend da auf. Aber auch ſie be¬ merkte die Bläſſe ſeines Angeſichts, die jedesmal gewach¬ ſen ſchien, ſeit ſie ihn nicht geſehn. Wie ſie nun ganz ſein Spiegel geworden war, ſpiegelte ſie auch dieſe Bläſſe zurück. Sie hätte ihn gern erheitert, aber ſie ſuchte ſeine Nähe nicht. Ihr ſchien, als ob ihre Nähe das Entgegengeſetzte von dem auf ihn wirke, was ſie
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0281"n="272"/>
Haus. Dazu hatte Apollonius in der letzten Zeit das<lb/>
vortheilhafte Anerbieten des Beſitzers angenommen<lb/>
und die Schiefergrube gepachtet. Er verſtand von<lb/>
Köln her den Betrieb des Schieferbaus und hatte ſich<lb/>
einen frühern Bekannten von daher verſchrieben, den<lb/>
er des Faches kundig und im Leben zuverläſſig wußte.<lb/>
Seine Wahl erwies ſich gerathen; der Mann war<lb/>
thätig; aber Apollonius erhielt trotzdem durch die Pach¬<lb/>
tung einen bedeutenden Zuwachs von Arbeit. Der<lb/>
alte Bauherr ſah ihn zuweilen bedenklich an und meinte,<lb/>
Apollonius habe doch ſeinen Kräften zuviel vertraut.<lb/>
Der jungen Wittib fiel es nicht auf, daß Apollonius<lb/>
nur wenig in die Wohnſtube kam. Die Kinder, die er<lb/>
öfter zu ſich rufen und kleine Dienſte verrichten ließ,<lb/>
wobei ſie lernen konnten, unterhielten den Verkehr.<lb/>
Und ſie konnten bezeugen, daß Apollonius keine Zeit<lb/>
übrig hatte. Sie ſelber war deſto öfter auf ſeiner<lb/>
Stube; doch nur, wenn er nicht daheim war. Sie<lb/>ſchmückte Thüren und Wände mit Allem, was ſie hatte,<lb/>
und wovon ſie wußte, daß er es liebte, und hielt ſich<lb/>
ganze Stunden lang arbeitend da auf. Aber auch ſie be¬<lb/>
merkte die Bläſſe ſeines Angeſichts, die jedesmal gewach¬<lb/>ſen ſchien, ſeit ſie ihn nicht geſehn. Wie ſie nun ganz<lb/>ſein Spiegel geworden war, ſpiegelte ſie auch dieſe<lb/>
Bläſſe zurück. Sie hätte ihn gern erheitert, aber ſie<lb/>ſuchte ſeine Nähe nicht. Ihr ſchien, als ob ihre Nähe<lb/>
das Entgegengeſetzte von dem auf ihn wirke, was ſie<lb/></p></div></body></text></TEI>
[272/0281]
Haus. Dazu hatte Apollonius in der letzten Zeit das
vortheilhafte Anerbieten des Beſitzers angenommen
und die Schiefergrube gepachtet. Er verſtand von
Köln her den Betrieb des Schieferbaus und hatte ſich
einen frühern Bekannten von daher verſchrieben, den
er des Faches kundig und im Leben zuverläſſig wußte.
Seine Wahl erwies ſich gerathen; der Mann war
thätig; aber Apollonius erhielt trotzdem durch die Pach¬
tung einen bedeutenden Zuwachs von Arbeit. Der
alte Bauherr ſah ihn zuweilen bedenklich an und meinte,
Apollonius habe doch ſeinen Kräften zuviel vertraut.
Der jungen Wittib fiel es nicht auf, daß Apollonius
nur wenig in die Wohnſtube kam. Die Kinder, die er
öfter zu ſich rufen und kleine Dienſte verrichten ließ,
wobei ſie lernen konnten, unterhielten den Verkehr.
Und ſie konnten bezeugen, daß Apollonius keine Zeit
übrig hatte. Sie ſelber war deſto öfter auf ſeiner
Stube; doch nur, wenn er nicht daheim war. Sie
ſchmückte Thüren und Wände mit Allem, was ſie hatte,
und wovon ſie wußte, daß er es liebte, und hielt ſich
ganze Stunden lang arbeitend da auf. Aber auch ſie be¬
merkte die Bläſſe ſeines Angeſichts, die jedesmal gewach¬
ſen ſchien, ſeit ſie ihn nicht geſehn. Wie ſie nun ganz
ſein Spiegel geworden war, ſpiegelte ſie auch dieſe
Bläſſe zurück. Sie hätte ihn gern erheitert, aber ſie
ſuchte ſeine Nähe nicht. Ihr ſchien, als ob ihre Nähe
das Entgegengeſetzte von dem auf ihn wirke, was ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/281>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.