ineinanderschlagen geschieht. Bleiche lebende Gesichter sehn auf ein bleicheres todtes herab, das blutig auf dem Straßenpflaster liegt. Dann verbreitet sich die bleiche Hast, das Aufschrein, das Zusammeneilen, das Händeineinanderschlagen vom Kirchhof wie ein Wirbel¬ wind durch die Straßen bis in die entferntesten Win¬ kel der Stadt. Aber oben hoch die Wolken am Him¬ mel achten es nicht und gehn unberührt darüber hin weiter ihren großen Gang. Sie sehen des selbstge¬ schaffenen Elends so viel unter sich, daß das einzelne sie nicht bewegen kann.
Es hat Alles auf der Welt seinen Nutzen. Wenn nicht für den, der es treibt oder an sich hat, so doch für Andere. So wurde nun, was Schande über das Nettenmair'sche Haus gebracht, zum Verhüter größerer Schande. Die Trunksucht Fritz Nettenmair's war in der ganzen Stadt bekannt; Alle hatten ihn schon be¬ rauscht gesehn; kein Wunder, daß Jeder, der den Tod Fritz Nettenmair's erfuhr, ihn jenem Laster auf die Rech¬ nung stellte. Diese Mühe hatten eigentlich nur die ersten; die andern erfuhren schon die fertige Geschichte. Es war gut, daß Niemand außer dem Nettenmair'schen Hause davon wußte, daß er nach Amerika gewollt, und daß er selbst, um bei seiner Rückkehr weniger auf¬
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ineinanderſchlagen geſchieht. Bleiche lebende Geſichter ſehn auf ein bleicheres todtes herab, das blutig auf dem Straßenpflaſter liegt. Dann verbreitet ſich die bleiche Haſt, das Aufſchrein, das Zuſammeneilen, das Händeineinanderſchlagen vom Kirchhof wie ein Wirbel¬ wind durch die Straßen bis in die entfernteſten Win¬ kel der Stadt. Aber oben hoch die Wolken am Him¬ mel achten es nicht und gehn unberührt darüber hin weiter ihren großen Gang. Sie ſehen des ſelbſtge¬ ſchaffenen Elends ſo viel unter ſich, daß das einzelne ſie nicht bewegen kann.
Es hat Alles auf der Welt ſeinen Nutzen. Wenn nicht für den, der es treibt oder an ſich hat, ſo doch für Andere. So wurde nun, was Schande über das Nettenmair'ſche Haus gebracht, zum Verhüter größerer Schande. Die Trunkſucht Fritz Nettenmair's war in der ganzen Stadt bekannt; Alle hatten ihn ſchon be¬ rauſcht geſehn; kein Wunder, daß Jeder, der den Tod Fritz Nettenmair's erfuhr, ihn jenem Laſter auf die Rech¬ nung ſtellte. Dieſe Mühe hatten eigentlich nur die erſten; die andern erfuhren ſchon die fertige Geſchichte. Es war gut, daß Niemand außer dem Nettenmair'ſchen Hauſe davon wußte, daß er nach Amerika gewollt, und daß er ſelbſt, um bei ſeiner Rückkehr weniger auf¬
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ineinanderſchlagen geſchieht. Bleiche lebende Geſichter
ſehn auf ein bleicheres todtes herab, das blutig auf
dem Straßenpflaſter liegt. Dann verbreitet ſich die
bleiche Haſt, das Aufſchrein, das Zuſammeneilen, das
Händeineinanderſchlagen vom Kirchhof wie ein Wirbel¬
wind durch die Straßen bis in die entfernteſten Win¬
kel der Stadt. Aber oben hoch die Wolken am Him¬
mel achten es nicht und gehn unberührt darüber hin
weiter ihren großen Gang. Sie ſehen des ſelbſtge¬
ſchaffenen Elends ſo viel unter ſich, daß das einzelne
ſie nicht bewegen kann.
Es hat Alles auf der Welt ſeinen Nutzen. Wenn
nicht für den, der es treibt oder an ſich hat, ſo doch
für Andere. So wurde nun, was Schande über das
Nettenmair'ſche Haus gebracht, zum Verhüter größerer
Schande. Die Trunkſucht Fritz Nettenmair's war in
der ganzen Stadt bekannt; Alle hatten ihn ſchon be¬
rauſcht geſehn; kein Wunder, daß Jeder, der den Tod
Fritz Nettenmair's erfuhr, ihn jenem Laſter auf die Rech¬
nung ſtellte. Dieſe Mühe hatten eigentlich nur die
erſten; die andern erfuhren ſchon die fertige Geſchichte.
Es war gut, daß Niemand außer dem Nettenmair'ſchen
Hauſe davon wußte, daß er nach Amerika gewollt,
und daß er ſelbſt, um bei ſeiner Rückkehr weniger auf¬
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/268>, abgerufen am 27.11.2024.
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