post zu bringen; selig und stolz auf sein klug durchge¬ führtes Werk. Die junge Frau hielt sich fest an dem Thürpfosten, als sie den Schritt hörte durch den Schuppen. Aber auch der Thürpfosten stand nicht mehr fest. Sie selbst nicht mehr auf dem festen Boden; sie schwindelte zwischen Himmel und Erde. Und als sie ihn kommen sah, war nichts mehr auf der Welt für sie, als der Mann, um den sie wochenlang mehr als Todesangst geduldet. Alles ging um sie im Wirbel, erst die Wände, der Boden, die Decke, dann Bäume, Himmel und grüne Erde; ihr war, als ginge die Welt unter und sie würde erdrückt im Wirbel, hielte sie sich nicht fest an ihm. Sie fühlte, wie sie hinsank, dann nichts mehr.
Apollonius war herzugeeilt und hatte sie aufgefan¬ gen. Da stand er, und hielt das schöne Weib in sei¬ nen Armen, das Weib, das er liebte, das ihn liebte. Und sie war bleich und schien todt. Er trug sie nicht in die Stube, er ließ sie nicht herabgleiten auf die Erde, er that nichts, sie zu beleben. Er stand ver¬ wirrt; er wußte nicht wie ihm geschehen war, er mußte sich besinnen. Der alte Valentin hatte ihn noch nicht gesprochen; er hatte nur durch den Gesellen, der vom Blechschmidt nach Sankt Georg eilte, erfahren, Apollonius folge ihm, und werde bald hier sein. Apol¬ lonius war vom Nagelschmied am Thore aufgehalten worden. Dann hatte er geeilt, dem Befehle des Va¬
poſt zu bringen; ſelig und ſtolz auf ſein klug durchge¬ führtes Werk. Die junge Frau hielt ſich feſt an dem Thürpfoſten, als ſie den Schritt hörte durch den Schuppen. Aber auch der Thürpfoſten ſtand nicht mehr feſt. Sie ſelbſt nicht mehr auf dem feſten Boden; ſie ſchwindelte zwiſchen Himmel und Erde. Und als ſie ihn kommen ſah, war nichts mehr auf der Welt für ſie, als der Mann, um den ſie wochenlang mehr als Todesangſt geduldet. Alles ging um ſie im Wirbel, erſt die Wände, der Boden, die Decke, dann Bäume, Himmel und grüne Erde; ihr war, als ginge die Welt unter und ſie würde erdrückt im Wirbel, hielte ſie ſich nicht feſt an ihm. Sie fühlte, wie ſie hinſank, dann nichts mehr.
Apollonius war herzugeeilt und hatte ſie aufgefan¬ gen. Da ſtand er, und hielt das ſchöne Weib in ſei¬ nen Armen, das Weib, das er liebte, das ihn liebte. Und ſie war bleich und ſchien todt. Er trug ſie nicht in die Stube, er ließ ſie nicht herabgleiten auf die Erde, er that nichts, ſie zu beleben. Er ſtand ver¬ wirrt; er wußte nicht wie ihm geſchehen war, er mußte ſich beſinnen. Der alte Valentin hatte ihn noch nicht geſprochen; er hatte nur durch den Geſellen, der vom Blechſchmidt nach Sankt Georg eilte, erfahren, Apollonius folge ihm, und werde bald hier ſein. Apol¬ lonius war vom Nagelſchmied am Thore aufgehalten worden. Dann hatte er geeilt, dem Befehle des Va¬
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poſt zu bringen; ſelig und ſtolz auf ſein klug durchge¬
führtes Werk. Die junge Frau hielt ſich feſt an dem
Thürpfoſten, als ſie den Schritt hörte durch den Schuppen.
Aber auch der Thürpfoſten ſtand nicht mehr feſt. Sie
ſelbſt nicht mehr auf dem feſten Boden; ſie ſchwindelte
zwiſchen Himmel und Erde. Und als ſie ihn kommen
ſah, war nichts mehr auf der Welt für ſie, als der
Mann, um den ſie wochenlang mehr als Todesangſt
geduldet. Alles ging um ſie im Wirbel, erſt die Wände,
der Boden, die Decke, dann Bäume, Himmel und
grüne Erde; ihr war, als ginge die Welt unter und
ſie würde erdrückt im Wirbel, hielte ſie ſich nicht
feſt an ihm. Sie fühlte, wie ſie hinſank, dann
nichts mehr.
Apollonius war herzugeeilt und hatte ſie aufgefan¬
gen. Da ſtand er, und hielt das ſchöne Weib in ſei¬
nen Armen, das Weib, das er liebte, das ihn liebte.
Und ſie war bleich und ſchien todt. Er trug ſie nicht
in die Stube, er ließ ſie nicht herabgleiten auf die
Erde, er that nichts, ſie zu beleben. Er ſtand ver¬
wirrt; er wußte nicht wie ihm geſchehen war, er
mußte ſich beſinnen. Der alte Valentin hatte ihn noch
nicht geſprochen; er hatte nur durch den Geſellen, der
vom Blechſchmidt nach Sankt Georg eilte, erfahren,
Apollonius folge ihm, und werde bald hier ſein. Apol¬
lonius war vom Nagelſchmied am Thore aufgehalten
worden. Dann hatte er geeilt, dem Befehle des Va¬
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/240>, abgerufen am 30.11.2024.
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