Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.nichts gethan. Sein Gesicht rang sich aus dem Zit¬ "Wo ist dein Bruder?" drang es endlich zwischen nichts gethan. Sein Geſicht rang ſich aus dem Zit¬ „Wo iſt dein Bruder?“ drang es endlich zwiſchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0221" n="212"/> nichts gethan. Sein Geſicht rang ſich aus dem Zit¬<lb/> tern aller Muskeln bis zum wildeſten Ausdrucke des<lb/> Trotzes hindurch. Der alte Herr ſchwieg noch immer.<lb/> Gedämpft klang das Treiben der Straßen in die<lb/> Höhe herauf; unten lag ſchon violetter Schatten, um<lb/> das Fahrzeug Apollonius bebte der letzte Sonnenſtrahl.<lb/> Etwas ferner rauſchte ein Zug vom Felde heimkehren¬<lb/> der Tauben vorbei. Es war ein Abend voll Gottes¬<lb/> friedens. Tief unten weit hingedehnt die grüne Erde;<lb/> oben hoch der Himmel, wie ein Kelch aus blauem<lb/> Kryſtall darüber gedeckt. Kleine roſige Wölkchen wie<lb/> Flocken hineingeſtreut. Der Lärm von unten erloſch im¬<lb/> mer mehr. Die Luft trug einzelne Töne einer fernen<lb/> Glocke mit ſich und ſchlug ſie leiſe ſpielend wie wie¬<lb/> derkehrende Wellen gegen das Dach. Dort über der<lb/> nächſten grünen Höhe, wo ſie herkommen, liegt Bram¬<lb/> bach. Es muß das Abendgeläute von Brambach<lb/> ſein. Hoch am Himmel und tief auf der Erde, überall<lb/> Gottesfrieden und ſüß aufgelöſtes Hinſehnen nach Ruh.<lb/> Nur zwiſchen Himmel und Erde die beiden Menſchen<lb/> auf dem Kirchdach zu Sankt Georg fühlen nicht ſeine<lb/> Flügel. Nur über ſie vermag er nichts. In dem ei¬<lb/> nen brennt der Wahnſinn überreizten Ehrgefühls, in<lb/> dem andern alle Flammen, alle Qualen der Hölle.</p><lb/> <p>„Wo iſt dein Bruder?“ drang es endlich zwiſchen<lb/> den Zähnen des einen hervor. „„Ich weiß nicht. Wie<lb/> ſoll ich's wiſſen?““ bäumt ſich im andern der Trotz. „Du<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [212/0221]
nichts gethan. Sein Geſicht rang ſich aus dem Zit¬
tern aller Muskeln bis zum wildeſten Ausdrucke des
Trotzes hindurch. Der alte Herr ſchwieg noch immer.
Gedämpft klang das Treiben der Straßen in die
Höhe herauf; unten lag ſchon violetter Schatten, um
das Fahrzeug Apollonius bebte der letzte Sonnenſtrahl.
Etwas ferner rauſchte ein Zug vom Felde heimkehren¬
der Tauben vorbei. Es war ein Abend voll Gottes¬
friedens. Tief unten weit hingedehnt die grüne Erde;
oben hoch der Himmel, wie ein Kelch aus blauem
Kryſtall darüber gedeckt. Kleine roſige Wölkchen wie
Flocken hineingeſtreut. Der Lärm von unten erloſch im¬
mer mehr. Die Luft trug einzelne Töne einer fernen
Glocke mit ſich und ſchlug ſie leiſe ſpielend wie wie¬
derkehrende Wellen gegen das Dach. Dort über der
nächſten grünen Höhe, wo ſie herkommen, liegt Bram¬
bach. Es muß das Abendgeläute von Brambach
ſein. Hoch am Himmel und tief auf der Erde, überall
Gottesfrieden und ſüß aufgelöſtes Hinſehnen nach Ruh.
Nur zwiſchen Himmel und Erde die beiden Menſchen
auf dem Kirchdach zu Sankt Georg fühlen nicht ſeine
Flügel. Nur über ſie vermag er nichts. In dem ei¬
nen brennt der Wahnſinn überreizten Ehrgefühls, in
dem andern alle Flammen, alle Qualen der Hölle.
„Wo iſt dein Bruder?“ drang es endlich zwiſchen
den Zähnen des einen hervor. „„Ich weiß nicht. Wie
ſoll ich's wiſſen?““ bäumt ſich im andern der Trotz. „Du
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |