mair muß endlich antworten. Er denkt an den Ruf: "Kain, wo bist du?" "Hier, Vater," entgegnet er und hämmert fort. ""Der Schiefer ist fest,"" sagt der Alte gleichgültig; ""ich hör's am Klange; er blättert nicht."" "Ja," entgegnet Fritz mit klappernden Zähnen, "er nimmt kein Wasser." ""Er ist besser geworden, als früher,"" fährt der Alte fort; ""sie sind tiefer in den Bruch hineinge¬ kommen. Es scheint, du bist allein."" Ein "Ja" erstirbt im Munde des Sohnes. ""Je tiefer er lagert, desto fester ist das Gestein. Ist keine Rüstung weiter in der Nähe?"" "Keine." ""Gut. Komm hierher. Hier vor mich."" -- "Was soll ich?" ""Hierher kommen. Was ge¬ sagt sein muß, muß leise gesagt sein."" Fritz Netten¬ mair trat in allen Gelenken schlotternd vor den Va¬ ter. Er wußte, der war blind, und doch suchte er sei¬ nem Blicke auszuweichen. Der Alte rang nach Fas¬ sung. Aber davon sprach kein Zug in dem verwitter¬ ten Gesicht; nur die Dauer seines Schweigens und sein Athem, der das schwere, ächzende Wandeln des Perpendikels an der nahen Thurmuhr wie ein müdes Echo nachzuklingen schien. Fritz Nettenmair ahnte aus den Vorbereitungen, was kommen müsse. Er rang nach Trotz. Wenn er's in seinem Argwohn erräth, wer will mir's beweisen? Und könnt er's beweisen, er giebt mich nicht an; davor bin ich sicher. Warum auch sonst will er leise reden? mag er sagen, was er will, ich weiß nichts, ich bin nichts gewesen, ich hab'
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mair muß endlich antworten. Er denkt an den Ruf: „Kain, wo biſt du?“ „Hier, Vater,“ entgegnet er und hämmert fort. „„Der Schiefer iſt feſt,““ ſagt der Alte gleichgültig; „„ich hör's am Klange; er blättert nicht.““ „Ja,“ entgegnet Fritz mit klappernden Zähnen, „er nimmt kein Waſſer.“ „„Er iſt beſſer geworden, als früher,““ fährt der Alte fort; „„ſie ſind tiefer in den Bruch hineinge¬ kommen. Es ſcheint, du biſt allein.““ Ein „Ja“ erſtirbt im Munde des Sohnes. „„Je tiefer er lagert, deſto feſter iſt das Geſtein. Iſt keine Rüſtung weiter in der Nähe?““ „Keine.“ „„Gut. Komm hierher. Hier vor mich.““ — „Was ſoll ich?“ „„Hierher kommen. Was ge¬ ſagt ſein muß, muß leiſe geſagt ſein.““ Fritz Netten¬ mair trat in allen Gelenken ſchlotternd vor den Va¬ ter. Er wußte, der war blind, und doch ſuchte er ſei¬ nem Blicke auszuweichen. Der Alte rang nach Faſ¬ ſung. Aber davon ſprach kein Zug in dem verwitter¬ ten Geſicht; nur die Dauer ſeines Schweigens und ſein Athem, der das ſchwere, ächzende Wandeln des Perpendikels an der nahen Thurmuhr wie ein müdes Echo nachzuklingen ſchien. Fritz Nettenmair ahnte aus den Vorbereitungen, was kommen müſſe. Er rang nach Trotz. Wenn er's in ſeinem Argwohn erräth, wer will mir's beweiſen? Und könnt er's beweiſen, er giebt mich nicht an; davor bin ich ſicher. Warum auch ſonſt will er leiſe reden? mag er ſagen, was er will, ich weiß nichts, ich bin nichts geweſen, ich hab'
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mair muß endlich antworten. Er denkt an den Ruf:
„Kain, wo biſt du?“ „Hier, Vater,“ entgegnet er und
hämmert fort. „„Der Schiefer iſt feſt,““ ſagt der Alte
gleichgültig; „„ich hör's am Klange; er blättert nicht.““
„Ja,“ entgegnet Fritz mit klappernden Zähnen, „er nimmt
kein Waſſer.“ „„Er iſt beſſer geworden, als früher,““ fährt
der Alte fort; „„ſie ſind tiefer in den Bruch hineinge¬
kommen. Es ſcheint, du biſt allein.““ Ein „Ja“ erſtirbt
im Munde des Sohnes. „„Je tiefer er lagert, deſto
feſter iſt das Geſtein. Iſt keine Rüſtung weiter in
der Nähe?““ „Keine.“ „„Gut. Komm hierher. Hier vor
mich.““ — „Was ſoll ich?“ „„Hierher kommen. Was ge¬
ſagt ſein muß, muß leiſe geſagt ſein.““ Fritz Netten¬
mair trat in allen Gelenken ſchlotternd vor den Va¬
ter. Er wußte, der war blind, und doch ſuchte er ſei¬
nem Blicke auszuweichen. Der Alte rang nach Faſ¬
ſung. Aber davon ſprach kein Zug in dem verwitter¬
ten Geſicht; nur die Dauer ſeines Schweigens und
ſein Athem, der das ſchwere, ächzende Wandeln des
Perpendikels an der nahen Thurmuhr wie ein müdes
Echo nachzuklingen ſchien. Fritz Nettenmair ahnte aus
den Vorbereitungen, was kommen müſſe. Er rang
nach Trotz. Wenn er's in ſeinem Argwohn erräth,
wer will mir's beweiſen? Und könnt er's beweiſen, er
giebt mich nicht an; davor bin ich ſicher. Warum
auch ſonſt will er leiſe reden? mag er ſagen, was er
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/220>, abgerufen am 04.12.2024.
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