in der Weise, wie er sich aufrichtete. Er schien sich zu sagen: "Ist's, wie ich fürchte, muß ich für uns Beide einsteh'n; dafür bin ich ein Mann. Ich habe gelobt, ich will meines Vaters Haus und seine Ehre aufrecht erhalten und ich will's in jedem Sinne erfüllen, was ich gelobt!" --
Fritz Nettenmair erwachte endlich. Er wußte nichts mehr von den Traumbildern der Nacht. Nur die be¬ friedigte Stimmung, das Werk der lezten, war ihm geblieben. Er besann sich vergebens, was sie, die ihm so lange fremd gewesen, hervorgerufen haben könnte. Was ihm von den Erlebnissen der Nacht einfiel, war nicht geeignet, sie zu erklären. Er wußte nur noch, daß seine Frau ein "Pimpeln" des "Spions" zu einer Krankheit vergrößert hatte, um einen Vorwand zu erhalten, mit ihm zusammen zu sein. Mit ihm! Nicht blos im Gespräch mit dem Gesellen, auch mit sich und seiner Frau nannte er Apollonius Namen nicht; vielleicht, weil sein Haß gegen den Mann auf den Namen übergegangen war, vielleicht, weil er Tag und Nacht nur an zwei Menschen dachte und diese nicht mit einander zu verwechseln waren. Er hatte nichts mehr auf der Welt, als seinen Haß; und der kannte nur zwei Menschen, "ihn und sie." Er dachte schon, wie er der Pimpelei ein Ende machen wollte. Mit diesem Gedanken trat er aus der Thür und stand -- vor einer Leiche. Ein Schauder faßte ihn an. Da
in der Weiſe, wie er ſich aufrichtete. Er ſchien ſich zu ſagen: „Iſt's, wie ich fürchte, muß ich für uns Beide einſteh'n; dafür bin ich ein Mann. Ich habe gelobt, ich will meines Vaters Haus und ſeine Ehre aufrecht erhalten und ich will's in jedem Sinne erfüllen, was ich gelobt!“ —
Fritz Nettenmair erwachte endlich. Er wußte nichts mehr von den Traumbildern der Nacht. Nur die be¬ friedigte Stimmung, das Werk der lezten, war ihm geblieben. Er beſann ſich vergebens, was ſie, die ihm ſo lange fremd geweſen, hervorgerufen haben könnte. Was ihm von den Erlebniſſen der Nacht einfiel, war nicht geeignet, ſie zu erklären. Er wußte nur noch, daß ſeine Frau ein „Pimpeln“ des „Spions“ zu einer Krankheit vergrößert hatte, um einen Vorwand zu erhalten, mit ihm zuſammen zu ſein. Mit ihm! Nicht blos im Geſpräch mit dem Geſellen, auch mit ſich und ſeiner Frau nannte er Apollonius Namen nicht; vielleicht, weil ſein Haß gegen den Mann auf den Namen übergegangen war, vielleicht, weil er Tag und Nacht nur an zwei Menſchen dachte und dieſe nicht mit einander zu verwechſeln waren. Er hatte nichts mehr auf der Welt, als ſeinen Haß; und der kannte nur zwei Menſchen, „ihn und ſie.“ Er dachte ſchon, wie er der Pimpelei ein Ende machen wollte. Mit dieſem Gedanken trat er aus der Thür und ſtand — vor einer Leiche. Ein Schauder faßte ihn an. Da
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in der Weiſe, wie er ſich aufrichtete. Er ſchien ſich zu
ſagen: „Iſt's, wie ich fürchte, muß ich für uns Beide
einſteh'n; dafür bin ich ein Mann. Ich habe gelobt,
ich will meines Vaters Haus und ſeine Ehre aufrecht
erhalten und ich will's in jedem Sinne erfüllen, was
ich gelobt!“ —
Fritz Nettenmair erwachte endlich. Er wußte nichts
mehr von den Traumbildern der Nacht. Nur die be¬
friedigte Stimmung, das Werk der lezten, war ihm
geblieben. Er beſann ſich vergebens, was ſie, die ihm
ſo lange fremd geweſen, hervorgerufen haben könnte.
Was ihm von den Erlebniſſen der Nacht einfiel, war
nicht geeignet, ſie zu erklären. Er wußte nur noch,
daß ſeine Frau ein „Pimpeln“ des „Spions“ zu einer
Krankheit vergrößert hatte, um einen Vorwand zu
erhalten, mit ihm zuſammen zu ſein. Mit ihm! Nicht
blos im Geſpräch mit dem Geſellen, auch mit ſich und
ſeiner Frau nannte er Apollonius Namen nicht;
vielleicht, weil ſein Haß gegen den Mann auf den
Namen übergegangen war, vielleicht, weil er Tag und
Nacht nur an zwei Menſchen dachte und dieſe nicht
mit einander zu verwechſeln waren. Er hatte nichts
mehr auf der Welt, als ſeinen Haß; und der kannte
nur zwei Menſchen, „ihn und ſie.“ Er dachte ſchon,
wie er der Pimpelei ein Ende machen wollte. Mit
dieſem Gedanken trat er aus der Thür und ſtand —
vor einer Leiche. Ein Schauder faßte ihn an. Da
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/178>, abgerufen am 04.12.2024.
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