Ehre aufrecht zu erhalten, auch nicht erfahren, daß sie gewankt. Apollonius bedurfte dem Bruder gegenüber seine ganze Festigkeit und seine ganze Milde. Er mußte ihm täglich imponiren und mußte ihm stündlich ver¬ zeihn. Es war schon nicht leicht, den Stand seines Vermögens, seine Gläubiger und den Betrag der Schulden von ihm zu erfahren. Vergebens machte Apollonius seine gute Meinung geltend, der Bruder glaubte ihm nicht; und hätt' er ihm glauben müssen, er hätte ihn darum nicht weniger gehaßt. Er haßte sich selbst in Apollonius, und haßte ihn darum um so mehr, je hassens¬ werther sein eigenes Thun ihm erschien. Als Apollonius die Gläubiger und die Beträge wußte, untersuchte er den Stand des Geschäftes und fand ihn verwirrter, als er gefürchtet. Die Bücher waren in Unordnung; in der letzten Zeit war gar nichts mehr eingetragen worden. Es fanden sich Briefe von Kunden, die sich über schlechte Waare und Saumseligkeit beklagten, andere mit Rechnungen von dem Grubenbesitzer, der neue Bestellungen nicht mehr creditiren wollte, da die alten noch nicht bezahlt. Das Vermögen der Frau war zum größten Theile verthan; Apollonius mußte den Bruder zwingen, die Reste davon herauszugeben. Er mußte mit den Gerichten drohn. Was litt Apol¬ lonius mit seinem ängstlichen Ordnungsbedürfniß mitten in solcher Verwirrung, was, mit seinem starken Gefühl für seine Angehörigen, dem Bruder gegenüber! Und
Ehre aufrecht zu erhalten, auch nicht erfahren, daß ſie gewankt. Apollonius bedurfte dem Bruder gegenüber ſeine ganze Feſtigkeit und ſeine ganze Milde. Er mußte ihm täglich imponiren und mußte ihm ſtündlich ver¬ zeihn. Es war ſchon nicht leicht, den Stand ſeines Vermögens, ſeine Gläubiger und den Betrag der Schulden von ihm zu erfahren. Vergebens machte Apollonius ſeine gute Meinung geltend, der Bruder glaubte ihm nicht; und hätt' er ihm glauben müſſen, er hätte ihn darum nicht weniger gehaßt. Er haßte ſich ſelbſt in Apollonius, und haßte ihn darum um ſo mehr, je haſſens¬ werther ſein eigenes Thun ihm erſchien. Als Apollonius die Gläubiger und die Beträge wußte, unterſuchte er den Stand des Geſchäftes und fand ihn verwirrter, als er gefürchtet. Die Bücher waren in Unordnung; in der letzten Zeit war gar nichts mehr eingetragen worden. Es fanden ſich Briefe von Kunden, die ſich über ſchlechte Waare und Saumſeligkeit beklagten, andere mit Rechnungen von dem Grubenbeſitzer, der neue Beſtellungen nicht mehr creditiren wollte, da die alten noch nicht bezahlt. Das Vermögen der Frau war zum größten Theile verthan; Apollonius mußte den Bruder zwingen, die Reſte davon herauszugeben. Er mußte mit den Gerichten drohn. Was litt Apol¬ lonius mit ſeinem ängſtlichen Ordnungsbedürfniß mitten in ſolcher Verwirrung, was, mit ſeinem ſtarken Gefühl für ſeine Angehörigen, dem Bruder gegenüber! Und
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Ehre aufrecht zu erhalten, auch nicht erfahren, daß ſie
gewankt. Apollonius bedurfte dem Bruder gegenüber ſeine
ganze Feſtigkeit und ſeine ganze Milde. Er mußte
ihm täglich imponiren und mußte ihm ſtündlich ver¬
zeihn. Es war ſchon nicht leicht, den Stand ſeines
Vermögens, ſeine Gläubiger und den Betrag der Schulden
von ihm zu erfahren. Vergebens machte Apollonius
ſeine gute Meinung geltend, der Bruder glaubte ihm
nicht; und hätt' er ihm glauben müſſen, er hätte ihn
darum nicht weniger gehaßt. Er haßte ſich ſelbſt in
Apollonius, und haßte ihn darum um ſo mehr, je haſſens¬
werther ſein eigenes Thun ihm erſchien. Als Apollonius
die Gläubiger und die Beträge wußte, unterſuchte er
den Stand des Geſchäftes und fand ihn verwirrter,
als er gefürchtet. Die Bücher waren in Unordnung;
in der letzten Zeit war gar nichts mehr eingetragen
worden. Es fanden ſich Briefe von Kunden, die ſich
über ſchlechte Waare und Saumſeligkeit beklagten,
andere mit Rechnungen von dem Grubenbeſitzer, der
neue Beſtellungen nicht mehr creditiren wollte, da die
alten noch nicht bezahlt. Das Vermögen der Frau
war zum größten Theile verthan; Apollonius mußte
den Bruder zwingen, die Reſte davon herauszugeben.
Er mußte mit den Gerichten drohn. Was litt Apol¬
lonius mit ſeinem ängſtlichen Ordnungsbedürfniß mitten
in ſolcher Verwirrung, was, mit ſeinem ſtarken Gefühl
für ſeine Angehörigen, dem Bruder gegenüber! Und
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/143>, abgerufen am 24.11.2024.
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