hafter Angst um alles Andere, was sich nicht auf ihren Gegenstand bezieht. Der alte Herr im blauen Rock hatte schlimmere Träume, als je; er horchte ge¬ spannter, als je, auf jeden flüchtigen Laut, hörte mehr heraus, und baute immer größere Lasten über seine Brust. Aber er fragte nicht.
Es war eines Abends spät. Fritz Nettenmair hatte vom Fenster der Weinstube Apollonius sein Fahr¬ zeug verlassen, und an das fliegende Gerüst binden sehn, und war nach seiner Gewohnheit aus dem Wirths¬ hause geeilt, um noch vor ihm heimzukommen. Er traf seine Frau in der Wohnstube bei einer häuslichen Arbeit. Der Geselle trat herein und machte seine gewöhnliche Meldung. Dann sagte er seinem Herrn etwas in's Ohr und ging.
Fritz Nettenmair setzte sich zur Frau an den Tisch. Hier saß er gewöhnlich, bis ein schlürfender Tritt des Gesellen im Vorhaus ihm sagte, Apollonius sei zu Bett gegangen. Dann suchte er sein Weinhaus wieder auf; er wußte, das Haus war vor Dieben sicher, der Gesell war bei der Wache. Das Gefühl, wie er sein Weib in seiner Hand hatte, und sie sich leidend darein ergab, hatte bisher dem Weine geholfen, einen schwachen Wiederschein der jovialen Herablassung über
hafter Angſt um alles Andere, was ſich nicht auf ihren Gegenſtand bezieht. Der alte Herr im blauen Rock hatte ſchlimmere Träume, als je; er horchte ge¬ ſpannter, als je, auf jeden flüchtigen Laut, hörte mehr heraus, und baute immer größere Laſten über ſeine Bruſt. Aber er fragte nicht.
Es war eines Abends ſpät. Fritz Nettenmair hatte vom Fenſter der Weinſtube Apollonius ſein Fahr¬ zeug verlaſſen, und an das fliegende Gerüſt binden ſehn, und war nach ſeiner Gewohnheit aus dem Wirths¬ hauſe geeilt, um noch vor ihm heimzukommen. Er traf ſeine Frau in der Wohnſtube bei einer häuslichen Arbeit. Der Geſelle trat herein und machte ſeine gewöhnliche Meldung. Dann ſagte er ſeinem Herrn etwas in's Ohr und ging.
Fritz Nettenmair ſetzte ſich zur Frau an den Tiſch. Hier ſaß er gewöhnlich, bis ein ſchlürfender Tritt des Geſellen im Vorhaus ihm ſagte, Apollonius ſei zu Bett gegangen. Dann ſuchte er ſein Weinhaus wieder auf; er wußte, das Haus war vor Dieben ſicher, der Geſell war bei der Wache. Das Gefühl, wie er ſein Weib in ſeiner Hand hatte, und ſie ſich leidend darein ergab, hatte bisher dem Weine geholfen, einen ſchwachen Wiederſchein der jovialen Herablaſſung über
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hafter Angſt um alles Andere, was ſich nicht auf
ihren Gegenſtand bezieht. Der alte Herr im blauen
Rock hatte ſchlimmere Träume, als je; er horchte ge¬
ſpannter, als je, auf jeden flüchtigen Laut, hörte mehr
heraus, und baute immer größere Laſten über ſeine
Bruſt. Aber er fragte nicht.
Es war eines Abends ſpät. Fritz Nettenmair
hatte vom Fenſter der Weinſtube Apollonius ſein Fahr¬
zeug verlaſſen, und an das fliegende Gerüſt binden
ſehn, und war nach ſeiner Gewohnheit aus dem Wirths¬
hauſe geeilt, um noch vor ihm heimzukommen. Er
traf ſeine Frau in der Wohnſtube bei einer häuslichen
Arbeit. Der Geſelle trat herein und machte ſeine
gewöhnliche Meldung. Dann ſagte er ſeinem Herrn
etwas in's Ohr und ging.
Fritz Nettenmair ſetzte ſich zur Frau an den Tiſch.
Hier ſaß er gewöhnlich, bis ein ſchlürfender Tritt
des Geſellen im Vorhaus ihm ſagte, Apollonius ſei
zu Bett gegangen. Dann ſuchte er ſein Weinhaus
wieder auf; er wußte, das Haus war vor Dieben
ſicher, der Geſell war bei der Wache. Das Gefühl,
wie er ſein Weib in ſeiner Hand hatte, und ſie ſich leidend
darein ergab, hatte bisher dem Weine geholfen, einen
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/126>, abgerufen am 25.11.2024.
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