und wieder aufsteht, von dem dunkeln Drang getrieben, und durch die Tanzenden hindurch träumend nach der Thüre geht -- da draußen; ist das nicht dasselbe Ge¬ sicht, das ihr jetzt nachsieht, wenn sie geht, so ehrlich, so mild in seiner Wehmuth? ist's nicht dasselbe eigene Mitleid, das jetzt auf Tritt und Schritt mit ihr geht, und sie nicht läßt, wie damals? Dann wich sie ihm aus, und sah ihn nicht mehr an, denn er war falsch. Falsch! Ist er's wieder? Ist er's noch?
Eine Nachtigall schlug im alten Birnbaum über ihr, so wunderbar und wie gewaltthätig innig und tief. Vom Georgenthurm bliesen vier Posaunen den Abendchoral. Ueber ihnen, und wie von ihren schwel¬ lenden Tönen getragen fuhr Apollonius auf seinem leichten Schiff. Das Abendroth vergoldete die Fäden, in denen es hing. Wohin sie sah, glänzten die treuen, trauernden Augen, die ihm gehörten, mit denen er ihr nachsah, wenn sie ging. Das kleine Mädchen sah mit ihnen auf zu ihr, und erzählte vom Onkel, wie lieb und gut er sei. Oder erzählte sie von damals? Es war keine Zeit mehr, Sonst und Jetzt war eins. Die letzte Aehnlichkeit mit Fritz Nettenmair war aus ihrem Antlitz verschwunden. Ihre Seele schauerte hoch oben zwischen Himmel und Erde. Was sie ansah, war ein Räthsel mit süßer Deutung, aber sie kannte sie nicht. Sie selbst war sich ein Räthsel. Ihrem Gatten war sie's nicht.
Ludwig, Zwischen Himmel und Erde. 7
und wieder aufſteht, von dem dunkeln Drang getrieben, und durch die Tanzenden hindurch träumend nach der Thüre geht — da draußen; iſt das nicht dasſelbe Ge¬ ſicht, das ihr jetzt nachſieht, wenn ſie geht, ſo ehrlich, ſo mild in ſeiner Wehmuth? iſt's nicht dasſelbe eigene Mitleid, das jetzt auf Tritt und Schritt mit ihr geht, und ſie nicht läßt, wie damals? Dann wich ſie ihm aus, und ſah ihn nicht mehr an, denn er war falſch. Falſch! Iſt er's wieder? Iſt er's noch?
Eine Nachtigall ſchlug im alten Birnbaum über ihr, ſo wunderbar und wie gewaltthätig innig und tief. Vom Georgenthurm blieſen vier Poſaunen den Abendchoral. Ueber ihnen, und wie von ihren ſchwel¬ lenden Tönen getragen fuhr Apollonius auf ſeinem leichten Schiff. Das Abendroth vergoldete die Fäden, in denen es hing. Wohin ſie ſah, glänzten die treuen, trauernden Augen, die ihm gehörten, mit denen er ihr nachſah, wenn ſie ging. Das kleine Mädchen ſah mit ihnen auf zu ihr, und erzählte vom Onkel, wie lieb und gut er ſei. Oder erzählte ſie von damals? Es war keine Zeit mehr, Sonſt und Jetzt war eins. Die letzte Aehnlichkeit mit Fritz Nettenmair war aus ihrem Antlitz verſchwunden. Ihre Seele ſchauerte hoch oben zwiſchen Himmel und Erde. Was ſie anſah, war ein Räthſel mit ſüßer Deutung, aber ſie kannte ſie nicht. Sie ſelbſt war ſich ein Räthſel. Ihrem Gatten war ſie's nicht.
Ludwig, Zwiſchen Himmel und Erde. 7
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und wieder aufſteht, von dem dunkeln Drang getrieben,
und durch die Tanzenden hindurch träumend nach der
Thüre geht — da draußen; iſt das nicht dasſelbe Ge¬
ſicht, das ihr jetzt nachſieht, wenn ſie geht, ſo ehrlich,
ſo mild in ſeiner Wehmuth? iſt's nicht dasſelbe eigene
Mitleid, das jetzt auf Tritt und Schritt mit ihr geht,
und ſie nicht läßt, wie damals? Dann wich ſie ihm
aus, und ſah ihn nicht mehr an, denn er war falſch.
Falſch! Iſt er's wieder? Iſt er's noch?
Eine Nachtigall ſchlug im alten Birnbaum über
ihr, ſo wunderbar und wie gewaltthätig innig und
tief. Vom Georgenthurm blieſen vier Poſaunen den
Abendchoral. Ueber ihnen, und wie von ihren ſchwel¬
lenden Tönen getragen fuhr Apollonius auf ſeinem
leichten Schiff. Das Abendroth vergoldete die Fäden,
in denen es hing. Wohin ſie ſah, glänzten die treuen,
trauernden Augen, die ihm gehörten, mit denen er ihr
nachſah, wenn ſie ging. Das kleine Mädchen ſah mit
ihnen auf zu ihr, und erzählte vom Onkel, wie lieb und
gut er ſei. Oder erzählte ſie von damals? Es war
keine Zeit mehr, Sonſt und Jetzt war eins. Die letzte
Aehnlichkeit mit Fritz Nettenmair war aus ihrem Antlitz
verſchwunden. Ihre Seele ſchauerte hoch oben zwiſchen
Himmel und Erde. Was ſie anſah, war ein Räthſel
mit ſüßer Deutung, aber ſie kannte ſie nicht. Sie
ſelbſt war ſich ein Räthſel. Ihrem Gatten war ſie's nicht.
Ludwig, Zwiſchen Himmel und Erde. 7
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/106>, abgerufen am 24.11.2024.
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