Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853.Der Erbförster. Förster (trommelt am Fenster). Försterin (ihn immer beobachtend). Nun den Brief, Marie; bis ich huste. Marie. "Ich hab' Dir so viel zu sagen. Komm den Abend oder die Nacht in den heimlichen Grund an den Quell unter den Weiden; da will ich Dich erwarten. Komm, Marie. Morgen früh geh' ich in die Welt, Dir und mir ein Glück zu erwerben. Kommst Du nicht, so weiß ich, wie Du's meinst, und Du siehst nie wieder --" Försterin. Er will fort? in die Welt? Für immer, wenn Du nicht gehst? Dann wär' Alles verloren! Marie. "Du siehst nie wieder Deinen Robert." Försterin (hustet, da der Förster sich eben vom Fenster wendet). Aus der Bibel, Marie. Marie. "Wie er einen Menschen verletzet hat, so soll man ihm wieder thun. Es soll einerlei Recht unter Euch sein, den Fremden und den Einheimischen, denn ich bin der Herr, Euer Gott." Förster (ist aufmerksam geworden, bleibt steh'n). Was ist das da vom Recht? Marie. "Es soll einerlei Recht unter Euch sein --" Der Erbförſter. Förſter (trommelt am Fenſter). Förſterin (ihn immer beobachtend). Nun den Brief, Marie; bis ich huſte. Marie. „Ich hab’ Dir ſo viel zu ſagen. Komm den Abend oder die Nacht in den heimlichen Grund an den Quell unter den Weiden; da will ich Dich erwarten. Komm, Marie. Morgen früh geh’ ich in die Welt, Dir und mir ein Glück zu erwerben. Kommſt Du nicht, ſo weiß ich, wie Du’s meinſt, und Du ſiehſt nie wieder —“ Förſterin. Er will fort? in die Welt? Für immer, wenn Du nicht gehſt? Dann wär’ Alles verloren! Marie. „Du ſiehſt nie wieder Deinen Robert.“ Förſterin (huſtet, da der Förſter ſich eben vom Fenſter wendet). Aus der Bibel, Marie. Marie. „Wie er einen Menſchen verletzet hat, ſo ſoll man ihm wieder thun. Es ſoll einerlei Recht unter Euch ſein, den Fremden und den Einheimiſchen, denn ich bin der Herr, Euer Gott.“ Förſter (iſt aufmerkſam geworden, bleibt ſteh’n). Was iſt das da vom Recht? Marie. „Es ſoll einerlei Recht unter Euch ſein —“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0142" n="128"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Erbförſter</hi>.</fw><lb/> <sp who="#CHR"> <speaker> <hi rendition="#b">Förſter</hi> </speaker> <stage>(trommelt am Fenſter).</stage> </sp><lb/> <sp who="#SOPH"> <speaker> <hi rendition="#b">Förſterin</hi> </speaker> <stage>(ihn immer beobachtend).</stage><lb/> <p>Nun den Brief, Marie; bis ich huſte.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </speaker><lb/> <p>„Ich hab’ Dir ſo viel zu ſagen. Komm den Abend<lb/> oder die Nacht in den heimlichen Grund an den Quell<lb/> unter den Weiden; da will ich Dich erwarten. Komm,<lb/> Marie. Morgen früh geh’ ich in die Welt, Dir und mir<lb/> ein Glück zu erwerben. Kommſt Du nicht, ſo weiß ich,<lb/> wie Du’s meinſt, und Du ſiehſt nie wieder —“</p> </sp><lb/> <sp who="#SOPH"> <speaker> <hi rendition="#b">Förſterin.</hi> </speaker><lb/> <p>Er will fort? in die Welt? Für immer, wenn Du<lb/> nicht gehſt? Dann wär’ Alles verloren!</p> </sp><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </speaker><lb/> <p>„Du ſiehſt nie wieder Deinen Robert.“</p> </sp><lb/> <sp who="#SOPH"> <speaker> <hi rendition="#b">Förſterin</hi> </speaker><lb/> <stage>(huſtet, da der Förſter ſich eben vom Fenſter wendet).</stage><lb/> <p>Aus der Bibel, Marie.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </speaker><lb/> <p>„Wie er einen Menſchen verletzet hat, ſo ſoll man<lb/> ihm wieder thun. Es ſoll einerlei Recht unter Euch ſein,<lb/> den Fremden und den Einheimiſchen, denn ich bin der<lb/> Herr, Euer Gott.“</p> </sp><lb/> <sp who="#CHR"> <speaker> <hi rendition="#b">Förſter</hi> </speaker> <stage>(iſt aufmerkſam geworden, bleibt ſteh’n).</stage><lb/> <p>Was iſt das da vom Recht?</p> </sp><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </speaker><lb/> <p>„Es ſoll einerlei Recht unter Euch ſein —“</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [128/0142]
Der Erbförſter.
Förſter (trommelt am Fenſter).
Förſterin (ihn immer beobachtend).
Nun den Brief, Marie; bis ich huſte.
Marie.
„Ich hab’ Dir ſo viel zu ſagen. Komm den Abend
oder die Nacht in den heimlichen Grund an den Quell
unter den Weiden; da will ich Dich erwarten. Komm,
Marie. Morgen früh geh’ ich in die Welt, Dir und mir
ein Glück zu erwerben. Kommſt Du nicht, ſo weiß ich,
wie Du’s meinſt, und Du ſiehſt nie wieder —“
Förſterin.
Er will fort? in die Welt? Für immer, wenn Du
nicht gehſt? Dann wär’ Alles verloren!
Marie.
„Du ſiehſt nie wieder Deinen Robert.“
Förſterin
(huſtet, da der Förſter ſich eben vom Fenſter wendet).
Aus der Bibel, Marie.
Marie.
„Wie er einen Menſchen verletzet hat, ſo ſoll man
ihm wieder thun. Es ſoll einerlei Recht unter Euch ſein,
den Fremden und den Einheimiſchen, denn ich bin der
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Zitationshilfe: | Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_erbfoerster_1853/142>, abgerufen am 16.02.2025. |