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Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756.

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Wollenhandel
langen Winternächte bedienen, um
solche aus ihrer Jnsel auszuführen,
und einen ansehnlichen und gewissen
Gewinn der Strafe des Todes vor-
ziehen, die sie als ungewiß betrach-
ten; wozu noch dieses kömmt, daß
diese muthige und unerschrockene
Nation den Tod ziemlich gleichgül-
tig ansieht. Es hält aber England
darum auf seine Wolle so viel, weil
sie (f) nach der spanischen und
portugiesischen die schönste Wolle

ist. Die Thiere, so diese kostbare
Wolle tragen, sind gewissermaßen
von zweyerley Art. Denn einige
sind stark und groß, und die an-
dern zart und klein. Diese letzten,
welche die feinste Wolle geben, sind
daran leicht zu erkennen, weil ih-
nen solche bis über die Nase hängt.
Die Weiden, die in England vor-
trefflich sind, und das feine und
kurze Gras, das diese Thiere fres-
sen, und welches zu allen Jahrs-
zeiten überflüßig wächst, trägt nicht
wenig zu der Feine ihrer Wolle bey;
man zweifelt aber nicht, daß die
Bequemlichkeit, welche die engli-
schen Schafe haben, dieses Gras
das ganze Jahr hindurch zu fres-
fen, ohne daß es nöthig sey, sie
den Winter über in Ställe einzu-
schließen, wofern es nicht außer-
ordentlich kalt ist, am meisten da-
zu beyträgt; wozu auch noch dieses
kömmt, daß die Schafe in Eng-
land gar nicht gemolken werden.
Die (g) feinste englische Wolle ist
die von Lemster in Herefordshi-
re, welche daher Lemster-Ore ge-
nennet zu werden pflegt; ingleichen
die von Cotsworld in Glocestershi-
re; und die von der Jnsel Wight
in Hamshire. Sie ist so fein, daß
man Zeuge daraus machet, die den
seidenen Zeugen ziemlich nahe kom-
men; und das Land bringt solche
in einer ungemein großen Menge her-
vor. Auch kömmt sehr schöne Wol-
le von Canterbury, oder Cantor-
[Spaltenumbruch]
Wollenhandel
bery. Man erhält solche daher
theils ungekämmet, theils aber völ-
lig gekämmet, und also vollkommen
zum Spinnen fertig. Aus dieser
Wolle wird in England das schön-
ste und dauerhaftigste Tuch gemacht,
das man nur hat. Man bedienet
sich auch derselben in Frankreich zu
Verfertigung der schönsten Tuche,
und anderer feinen Wollenzeuge.
Siehe auch, was wir weiter unten
bey Frankreich von der englischen
Wolle angeführet haben. Ungeach-
tet die (D) schottländische, und die
(E) irrländische Wolle auch für
englische Wolle verkaufet wird: so
hat dennoch diese letzte für jener
viel Vorzug, sowol was deren Gü-
te, als auch deren Feine anbelan-
get; wiewol einige die irrländische
Wolle für die schönste halten. Die
(F) polnische Wolle wird theils in
Polen selbst verarbeitet, wie denn
in polnisch Lissa eine große Menge
feiner Tücher gemacht werden; und
theils nach Frankfurt an der Oder,
insonderheit aber nach Breßlau auf
die Wollschaar zum Verkaufe ge-
führet: gleichwie die polnische Lamm-
wolle stark nach Frankreich geht,
siehe Lamm. Es ist aber der Han-
del mit der Wolle in Polen sonder-
lich in der polnischen Juden Hän-
den. (G) Frankreich verbraucht in
seinen Manufacturen eine so große
Menge Wolle, daß, ungeachtet des
Ueberflusses an Wolle, den man in
den meisten Provinzen des König-
reichs findet, es dennoch genöthi-
get ist, zu seinen Nachbarn seine
Zuflucht zu nehmen, und sehr viele
Wolle aus fremden Landen zu ho-
len. Was nun also 1) die Land-
wolle
anbetrifft: so wird solche (a)
von den Pachtern und Bauern ins-
gemein so, wie sie den Schafen ab-
genommen ist, das ist mit allem
darinn befindlichen Schmutze (en
suif
) und ungewaschen verkaufet.
Diejenigen aber, die sie von ermel-

deten

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Wollenhandel
langen Winternaͤchte bedienen, um
ſolche aus ihrer Jnſel auszufuͤhren,
und einen anſehnlichen und gewiſſen
Gewinn der Strafe des Todes vor-
ziehen, die ſie als ungewiß betrach-
ten; wozu noch dieſes koͤmmt, daß
dieſe muthige und unerſchrockene
Nation den Tod ziemlich gleichguͤl-
tig anſieht. Es haͤlt aber England
darum auf ſeine Wolle ſo viel, weil
ſie (f) nach der ſpaniſchen und
portugieſiſchen die ſchoͤnſte Wolle

iſt. Die Thiere, ſo dieſe koſtbare
Wolle tragen, ſind gewiſſermaßen
von zweyerley Art. Denn einige
ſind ſtark und groß, und die an-
dern zart und klein. Dieſe letzten,
welche die feinſte Wolle geben, ſind
daran leicht zu erkennen, weil ih-
nen ſolche bis uͤber die Naſe haͤngt.
Die Weiden, die in England vor-
trefflich ſind, und das feine und
kurze Gras, das dieſe Thiere freſ-
ſen, und welches zu allen Jahrs-
zeiten uͤberfluͤßig waͤchſt, traͤgt nicht
wenig zu der Feine ihrer Wolle bey;
man zweifelt aber nicht, daß die
Bequemlichkeit, welche die engli-
ſchen Schafe haben, dieſes Gras
das ganze Jahr hindurch zu freſ-
fen, ohne daß es noͤthig ſey, ſie
den Winter uͤber in Staͤlle einzu-
ſchließen, wofern es nicht außer-
ordentlich kalt iſt, am meiſten da-
zu beytraͤgt; wozu auch noch dieſes
koͤmmt, daß die Schafe in Eng-
land gar nicht gemolken werden.
Die (g) feinſte engliſche Wolle iſt
die von Lemſter in Herefordſhi-
re, welche daher Lemſter-Ore ge-
nennet zu werden pflegt; ingleichen
die von Cotsworld in Gloceſterſhi-
re; und die von der Jnſel Wight
in Hamſhire. Sie iſt ſo fein, daß
man Zeuge daraus machet, die den
ſeidenen Zeugen ziemlich nahe kom-
men; und das Land bringt ſolche
in einer ungemein großen Menge her-
vor. Auch koͤmmt ſehr ſchoͤne Wol-
le von Canterbury, oder Cantor-
[Spaltenumbruch]
Wollenhandel
bery. Man erhaͤlt ſolche daher
theils ungekaͤmmet, theils aber voͤl-
lig gekaͤmmet, und alſo vollkommen
zum Spinnen fertig. Aus dieſer
Wolle wird in England das ſchoͤn-
ſte und dauerhaftigſte Tuch gemacht,
das man nur hat. Man bedienet
ſich auch derſelben in Frankreich zu
Verfertigung der ſchoͤnſten Tuche,
und anderer feinen Wollenzeuge.
Siehe auch, was wir weiter unten
bey Frankreich von der engliſchen
Wolle angefuͤhret haben. Ungeach-
tet die (D) ſchottlaͤndiſche, und die
(E) irrlaͤndiſche Wolle auch fuͤr
engliſche Wolle verkaufet wird: ſo
hat dennoch dieſe letzte fuͤr jener
viel Vorzug, ſowol was deren Guͤ-
te, als auch deren Feine anbelan-
get; wiewol einige die irrlaͤndiſche
Wolle fuͤr die ſchoͤnſte halten. Die
(F) polniſche Wolle wird theils in
Polen ſelbſt verarbeitet, wie denn
in polniſch Liſſa eine große Menge
feiner Tuͤcher gemacht werden; und
theils nach Frankfurt an der Oder,
inſonderheit aber nach Breßlau auf
die Wollſchaar zum Verkaufe ge-
fuͤhret: gleichwie die polniſche Lamm-
wolle ſtark nach Frankreich geht,
ſiehe Lamm. Es iſt aber der Han-
del mit der Wolle in Polen ſonder-
lich in der polniſchen Juden Haͤn-
den. (G) Frankreich verbraucht in
ſeinen Manufacturen eine ſo große
Menge Wolle, daß, ungeachtet des
Ueberfluſſes an Wolle, den man in
den meiſten Provinzen des Koͤnig-
reichs findet, es dennoch genoͤthi-
get iſt, zu ſeinen Nachbarn ſeine
Zuflucht zu nehmen, und ſehr viele
Wolle aus fremden Landen zu ho-
len. Was nun alſo 1) die Land-
wolle
anbetrifft: ſo wird ſolche (a)
von den Pachtern und Bauern ins-
gemein ſo, wie ſie den Schafen ab-
genommen iſt, das iſt mit allem
darinn befindlichen Schmutze (en
ſuif
) und ungewaſchen verkaufet.
Diejenigen aber, die ſie von ermel-

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[[462]/0468] Wollenhandel Wollenhandel langen Winternaͤchte bedienen, um ſolche aus ihrer Jnſel auszufuͤhren, und einen anſehnlichen und gewiſſen Gewinn der Strafe des Todes vor- ziehen, die ſie als ungewiß betrach- ten; wozu noch dieſes koͤmmt, daß dieſe muthige und unerſchrockene Nation den Tod ziemlich gleichguͤl- tig anſieht. Es haͤlt aber England darum auf ſeine Wolle ſo viel, weil ſie (f) nach der ſpaniſchen und portugieſiſchen die ſchoͤnſte Wolle iſt. Die Thiere, ſo dieſe koſtbare Wolle tragen, ſind gewiſſermaßen von zweyerley Art. Denn einige ſind ſtark und groß, und die an- dern zart und klein. Dieſe letzten, welche die feinſte Wolle geben, ſind daran leicht zu erkennen, weil ih- nen ſolche bis uͤber die Naſe haͤngt. Die Weiden, die in England vor- trefflich ſind, und das feine und kurze Gras, das dieſe Thiere freſ- ſen, und welches zu allen Jahrs- zeiten uͤberfluͤßig waͤchſt, traͤgt nicht wenig zu der Feine ihrer Wolle bey; man zweifelt aber nicht, daß die Bequemlichkeit, welche die engli- ſchen Schafe haben, dieſes Gras das ganze Jahr hindurch zu freſ- fen, ohne daß es noͤthig ſey, ſie den Winter uͤber in Staͤlle einzu- ſchließen, wofern es nicht außer- ordentlich kalt iſt, am meiſten da- zu beytraͤgt; wozu auch noch dieſes koͤmmt, daß die Schafe in Eng- land gar nicht gemolken werden. Die (g) feinſte engliſche Wolle iſt die von Lemſter in Herefordſhi- re, welche daher Lemſter-Ore ge- nennet zu werden pflegt; ingleichen die von Cotsworld in Gloceſterſhi- re; und die von der Jnſel Wight in Hamſhire. Sie iſt ſo fein, daß man Zeuge daraus machet, die den ſeidenen Zeugen ziemlich nahe kom- men; und das Land bringt ſolche in einer ungemein großen Menge her- vor. Auch koͤmmt ſehr ſchoͤne Wol- le von Canterbury, oder Cantor- bery. Man erhaͤlt ſolche daher theils ungekaͤmmet, theils aber voͤl- lig gekaͤmmet, und alſo vollkommen zum Spinnen fertig. Aus dieſer Wolle wird in England das ſchoͤn- ſte und dauerhaftigſte Tuch gemacht, das man nur hat. Man bedienet ſich auch derſelben in Frankreich zu Verfertigung der ſchoͤnſten Tuche, und anderer feinen Wollenzeuge. Siehe auch, was wir weiter unten bey Frankreich von der engliſchen Wolle angefuͤhret haben. Ungeach- tet die (D) ſchottlaͤndiſche, und die (E) irrlaͤndiſche Wolle auch fuͤr engliſche Wolle verkaufet wird: ſo hat dennoch dieſe letzte fuͤr jener viel Vorzug, ſowol was deren Guͤ- te, als auch deren Feine anbelan- get; wiewol einige die irrlaͤndiſche Wolle fuͤr die ſchoͤnſte halten. Die (F) polniſche Wolle wird theils in Polen ſelbſt verarbeitet, wie denn in polniſch Liſſa eine große Menge feiner Tuͤcher gemacht werden; und theils nach Frankfurt an der Oder, inſonderheit aber nach Breßlau auf die Wollſchaar zum Verkaufe ge- fuͤhret: gleichwie die polniſche Lamm- wolle ſtark nach Frankreich geht, ſiehe Lamm. Es iſt aber der Han- del mit der Wolle in Polen ſonder- lich in der polniſchen Juden Haͤn- den. (G) Frankreich verbraucht in ſeinen Manufacturen eine ſo große Menge Wolle, daß, ungeachtet des Ueberfluſſes an Wolle, den man in den meiſten Provinzen des Koͤnig- reichs findet, es dennoch genoͤthi- get iſt, zu ſeinen Nachbarn ſeine Zuflucht zu nehmen, und ſehr viele Wolle aus fremden Landen zu ho- len. Was nun alſo 1) die Land- wolle anbetrifft: ſo wird ſolche (a) von den Pachtern und Bauern ins- gemein ſo, wie ſie den Schafen ab- genommen iſt, das iſt mit allem darinn befindlichen Schmutze (en ſuif) und ungewaſchen verkaufet. Diejenigen aber, die ſie von ermel- deten

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Zitationshilfe: Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756, S. [462]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludovici_grundriss_1756/468>, abgerufen am 22.11.2024.