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Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756.

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Wallruß
ein Ochse ist. Einige Schriftsteller
geben ihm vielleicht mit gutem
Rechte den (1) Namen Boeuf marin,
theils wegen seiner Größe; theils
wegen seiner beyden großen Zähne,
welche die Gestalt der Hörner ha-
ben; und endlich wegen der Ge-
stalt, die es hat, als welche mit der
Gestalt eines Ochsens mehr überein
kömmt, als mit der Gestalt eines
Pferdes, sonderlich was den Hals
und die Brust anbelanget. Seine
eigentliche (2) Beschreibung besteht
in folgendem: Es hat einen runden,
dicken und starken (a) Kopf: Aus
dem obern Kiefer gehen zwey große
und lange (b) Zähne heraus, welche
von den Oberlefzen sehr tief über
die Unterlefzen herab gehen, mit
der Spitze gegen die Erde gekehret
sind, und sich ein wenig wie ein
Bogen krümmen. Die Jungen,
deren sie nur eines oder zwey zeu-
gen, haben keine dergleichen Zähne
vornen ausstehen, aber bey den
Alten sind sie nach dem Unterscheide
ihres Alters stärker oder schwächer,
indem es welche darunter giebt, die
über 2 Fuß lang sind. Diese bey-
den Zähne sind so weiß, daß sie höher
geachtet, und auch theurer verkauft
werden als Helfenbein. Sie sind
schwer, und fast von einem bis zu
dem andern Ende ganz dicht, aus-
genommen an der Wurzel, wo sie
ein wenig hohl sind, und darinn
das Mark oder der Kern sitzet.
Man machet daraus allerley ge-
drechselte Sachen, Messerhefte, und
künstliche Zähne, wozu diese Zähne
besser sind, als Helfenbein, sowol
wegen ihrer Härte, als weil sie
nicht so bald gelb werden. Aus
den andern Zähnen, mit welchen
ihr Maul ganz angefüllet ist, ma-
chen sich die Matrosen Knöpfe an
ihre Röcke, und die jütländischen
Bauern bedienen sich fast keiner an-
dern. Diese Zähne haben auch
einigen Nutzen in der Medicin,
indem man sie nicht allein an statt
[Spaltenumbruch]
Wallruß
des Einhorns und Helfenbeins ge-
braucht; sondern auch Ringe dar-
aus macht, die bey bösartigen
Krankheiten für ein Gegengift ge-
halten werden. Jtziger Zeit wer-
den die Wallroß Zähne nicht mehr
so hoch geachtet, als vordem, weil
die Schiffe die auf den Wallfisch-
fang ausgehen, deren oft eine sehr
große Menge mitbringen, welches
eben die Ursache ist, daß sie sehr
im Preiße gefallen sind. Es scheint,
daß diese Zähne den Wallrossen
von Zeit zu Zeit ausfallen müssen,
auf eben die Art, wie man sagt,
daß solches bey den Elephanten ge-
schehe. Diese Meynung wird da-
durch sehr wahrscheinlich, weil es
Orte giebt, die man mit diesen
Wallroßzähnen ganz bedeckt findet,
nachdem man die Thiere davon ver-
jaget hat. Das (c) Maul ist vor-
ne breit wie ein Ochsenmaul; dar-
auf sitzen, sowol auf den Ober-als
Unterlefzen viele eines Strohhalms
dicke, stachlichte (d) Borsten, fast
wie die Stachelschweine haben, als
dickes Haar, so an statt des Bar-
tes ist. Aus diesen Borsten wer-
den, weil sie inwendig hohl sind,
und sich leicht biegen lassen, von
den Seefahrenden Ringe gemacht,
die sie für ein sicheres Mittel wider
den Krampf halten, und daher an
den Fingern tragen. Oberhalb des
obersten Bartes hat es zwey
(e) Nasenlöcher, so rund sind, wie
ein halber Zirkel, woraus es das
Wasser bläst, eben wie die Wall-
fische, aber nicht so hoch und auch
mit minderem Geräusche. Die
(f) Augen sitzer: weit von der Na-
se ab; sind mit Augenliedern gezie-
ret, wie bey andern vierfüßigen
Thieren; blutroth; und wenn sie
solche verkehren, noch viel häßlicher
als sonst. Die (g) Ohrenlöcher
sitzen ein wenig höher als die Au-
gen, aber nahe dabey, und sind
wie Ohrenlöcher der Seehunde.

Die
X 3

[Spaltenumbruch]

Wallruß
ein Ochſe iſt. Einige Schriftſteller
geben ihm vielleicht mit gutem
Rechte den (1) Namen Boeuf marin,
theils wegen ſeiner Groͤße; theils
wegen ſeiner beyden großen Zaͤhne,
welche die Geſtalt der Hoͤrner ha-
ben; und endlich wegen der Ge-
ſtalt, die es hat, als welche mit der
Geſtalt eines Ochſens mehr uͤberein
koͤmmt, als mit der Geſtalt eines
Pferdes, ſonderlich was den Hals
und die Bruſt anbelanget. Seine
eigentliche (2) Beſchreibung beſteht
in folgendem: Es hat einen runden,
dicken und ſtarken (a) Kopf: Aus
dem obern Kiefer gehen zwey große
und lange (b) Zaͤhne heraus, welche
von den Oberlefzen ſehr tief uͤber
die Unterlefzen herab gehen, mit
der Spitze gegen die Erde gekehret
ſind, und ſich ein wenig wie ein
Bogen kruͤmmen. Die Jungen,
deren ſie nur eines oder zwey zeu-
gen, haben keine dergleichen Zaͤhne
vornen ausſtehen, aber bey den
Alten ſind ſie nach dem Unterſcheide
ihres Alters ſtaͤrker oder ſchwaͤcher,
indem es welche darunter giebt, die
uͤber 2 Fuß lang ſind. Dieſe bey-
den Zaͤhne ſind ſo weiß, daß ſie hoͤher
geachtet, und auch theurer verkauft
werden als Helfenbein. Sie ſind
ſchwer, und faſt von einem bis zu
dem andern Ende ganz dicht, aus-
genommen an der Wurzel, wo ſie
ein wenig hohl ſind, und darinn
das Mark oder der Kern ſitzet.
Man machet daraus allerley ge-
drechſelte Sachen, Meſſerhefte, und
kuͤnſtliche Zaͤhne, wozu dieſe Zaͤhne
beſſer ſind, als Helfenbein, ſowol
wegen ihrer Haͤrte, als weil ſie
nicht ſo bald gelb werden. Aus
den andern Zaͤhnen, mit welchen
ihr Maul ganz angefuͤllet iſt, ma-
chen ſich die Matroſen Knoͤpfe an
ihre Roͤcke, und die juͤtlaͤndiſchen
Bauern bedienen ſich faſt keiner an-
dern. Dieſe Zaͤhne haben auch
einigen Nutzen in der Medicin,
indem man ſie nicht allein an ſtatt
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Wallruß
des Einhorns und Helfenbeins ge-
braucht; ſondern auch Ringe dar-
aus macht, die bey boͤsartigen
Krankheiten fuͤr ein Gegengift ge-
halten werden. Jtziger Zeit wer-
den die Wallroß Zaͤhne nicht mehr
ſo hoch geachtet, als vordem, weil
die Schiffe die auf den Wallfiſch-
fang ausgehen, deren oft eine ſehr
große Menge mitbringen, welches
eben die Urſache iſt, daß ſie ſehr
im Preiße gefallen ſind. Es ſcheint,
daß dieſe Zaͤhne den Wallroſſen
von Zeit zu Zeit ausfallen muͤſſen,
auf eben die Art, wie man ſagt,
daß ſolches bey den Elephanten ge-
ſchehe. Dieſe Meynung wird da-
durch ſehr wahrſcheinlich, weil es
Orte giebt, die man mit dieſen
Wallroßzaͤhnen ganz bedeckt findet,
nachdem man die Thiere davon ver-
jaget hat. Das (c) Maul iſt vor-
ne breit wie ein Ochſenmaul; dar-
auf ſitzen, ſowol auf den Ober-als
Unterlefzen viele eines Strohhalms
dicke, ſtachlichte (d) Borſten, faſt
wie die Stachelſchweine haben, als
dickes Haar, ſo an ſtatt des Bar-
tes iſt. Aus dieſen Borſten wer-
den, weil ſie inwendig hohl ſind,
und ſich leicht biegen laſſen, von
den Seefahrenden Ringe gemacht,
die ſie fuͤr ein ſicheres Mittel wider
den Krampf halten, und daher an
den Fingern tragen. Oberhalb des
oberſten Bartes hat es zwey
(e) Naſenloͤcher, ſo rund ſind, wie
ein halber Zirkel, woraus es das
Waſſer blaͤſt, eben wie die Wall-
fiſche, aber nicht ſo hoch und auch
mit minderem Geraͤuſche. Die
(f) Augen ſitzer: weit von der Na-
ſe ab; ſind mit Augenliedern gezie-
ret, wie bey andern vierfuͤßigen
Thieren; blutroth; und wenn ſie
ſolche verkehren, noch viel haͤßlicher
als ſonſt. Die (g) Ohrenloͤcher
ſitzen ein wenig hoͤher als die Au-
gen, aber nahe dabey, und ſind
wie Ohrenloͤcher der Seehunde.

Die
X 3
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[[325]/0331] Wallruß Wallruß ein Ochſe iſt. Einige Schriftſteller geben ihm vielleicht mit gutem Rechte den (1) Namen Boeuf marin, theils wegen ſeiner Groͤße; theils wegen ſeiner beyden großen Zaͤhne, welche die Geſtalt der Hoͤrner ha- ben; und endlich wegen der Ge- ſtalt, die es hat, als welche mit der Geſtalt eines Ochſens mehr uͤberein koͤmmt, als mit der Geſtalt eines Pferdes, ſonderlich was den Hals und die Bruſt anbelanget. Seine eigentliche (2) Beſchreibung beſteht in folgendem: Es hat einen runden, dicken und ſtarken (a) Kopf: Aus dem obern Kiefer gehen zwey große und lange (b) Zaͤhne heraus, welche von den Oberlefzen ſehr tief uͤber die Unterlefzen herab gehen, mit der Spitze gegen die Erde gekehret ſind, und ſich ein wenig wie ein Bogen kruͤmmen. Die Jungen, deren ſie nur eines oder zwey zeu- gen, haben keine dergleichen Zaͤhne vornen ausſtehen, aber bey den Alten ſind ſie nach dem Unterſcheide ihres Alters ſtaͤrker oder ſchwaͤcher, indem es welche darunter giebt, die uͤber 2 Fuß lang ſind. Dieſe bey- den Zaͤhne ſind ſo weiß, daß ſie hoͤher geachtet, und auch theurer verkauft werden als Helfenbein. Sie ſind ſchwer, und faſt von einem bis zu dem andern Ende ganz dicht, aus- genommen an der Wurzel, wo ſie ein wenig hohl ſind, und darinn das Mark oder der Kern ſitzet. Man machet daraus allerley ge- drechſelte Sachen, Meſſerhefte, und kuͤnſtliche Zaͤhne, wozu dieſe Zaͤhne beſſer ſind, als Helfenbein, ſowol wegen ihrer Haͤrte, als weil ſie nicht ſo bald gelb werden. Aus den andern Zaͤhnen, mit welchen ihr Maul ganz angefuͤllet iſt, ma- chen ſich die Matroſen Knoͤpfe an ihre Roͤcke, und die juͤtlaͤndiſchen Bauern bedienen ſich faſt keiner an- dern. Dieſe Zaͤhne haben auch einigen Nutzen in der Medicin, indem man ſie nicht allein an ſtatt des Einhorns und Helfenbeins ge- braucht; ſondern auch Ringe dar- aus macht, die bey boͤsartigen Krankheiten fuͤr ein Gegengift ge- halten werden. Jtziger Zeit wer- den die Wallroß Zaͤhne nicht mehr ſo hoch geachtet, als vordem, weil die Schiffe die auf den Wallfiſch- fang ausgehen, deren oft eine ſehr große Menge mitbringen, welches eben die Urſache iſt, daß ſie ſehr im Preiße gefallen ſind. Es ſcheint, daß dieſe Zaͤhne den Wallroſſen von Zeit zu Zeit ausfallen muͤſſen, auf eben die Art, wie man ſagt, daß ſolches bey den Elephanten ge- ſchehe. Dieſe Meynung wird da- durch ſehr wahrſcheinlich, weil es Orte giebt, die man mit dieſen Wallroßzaͤhnen ganz bedeckt findet, nachdem man die Thiere davon ver- jaget hat. Das (c) Maul iſt vor- ne breit wie ein Ochſenmaul; dar- auf ſitzen, ſowol auf den Ober-als Unterlefzen viele eines Strohhalms dicke, ſtachlichte (d) Borſten, faſt wie die Stachelſchweine haben, als dickes Haar, ſo an ſtatt des Bar- tes iſt. Aus dieſen Borſten wer- den, weil ſie inwendig hohl ſind, und ſich leicht biegen laſſen, von den Seefahrenden Ringe gemacht, die ſie fuͤr ein ſicheres Mittel wider den Krampf halten, und daher an den Fingern tragen. Oberhalb des oberſten Bartes hat es zwey (e) Naſenloͤcher, ſo rund ſind, wie ein halber Zirkel, woraus es das Waſſer blaͤſt, eben wie die Wall- fiſche, aber nicht ſo hoch und auch mit minderem Geraͤuſche. Die (f) Augen ſitzer: weit von der Na- ſe ab; ſind mit Augenliedern gezie- ret, wie bey andern vierfuͤßigen Thieren; blutroth; und wenn ſie ſolche verkehren, noch viel haͤßlicher als ſonſt. Die (g) Ohrenloͤcher ſitzen ein wenig hoͤher als die Au- gen, aber nahe dabey, und ſind wie Ohrenloͤcher der Seehunde. Die X 3

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Zitationshilfe: Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756, S. [325]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludovici_grundriss_1756/331>, abgerufen am 22.11.2024.