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Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756.

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Vanille
vor komme, welcher 12 bis 15 Fuß
hoch wird, und weil er sehr schwach
ist, entweder auf der Erde herum
kriechet, oder sich an darangesteckten
Pfählen, oder an den Bäumen, wie
eine Winde herum schlingt; daß
dieser Stengel rund, eines halben
Fingers dick, grün, mit einem zä-
hen Safte angefüllt, und hin und
wieder mit Knoten besetzt sey, aus
welchen Knoten lange und spitzige
Blätter wachsen, welche glatt, et-
was dick, hellgrün, und adericht,
dabey aber weich sind, und etwas
scharf schmecken; daß zwischen die-
sen ferner Aestgen heraus schießen,
deren Blätter ebenfalls also gestal-
tet, nur etwas kleiner sind; daß an
diesen die Blumen hervor kommen,
welche sehr schön aussehen, und aus
sechs Blättern bestehen, von welchen
fünfe einander gleich, lang, enge, an
Seiten etwas eingebogen, inwendig
weiß, von außen aber grünlicht sind,
das sechste aber von besonderer Figur
ist, und unten eine krumm gebogene
hohle Röhre hat, in welcher ein süßer
Saft enthalten ist; und daß auf solche
Blüte eine Frucht folge, die eine run-
de, fleischigte und sehr lange Schote
wird, welche anfänglich grün ist,
nachhero aber gelb wird, und end-
lich bey ihrer völligen Reife von
außen schwarzbraun und glänzend
aussieht, und inwendig mit einer
sehr großen Menge kleiner schwar-
zen Saamen erfüllet ist, welche ei-
nen scharfen Geschmack und Biesam-
ähnlichen Geruch haben: So sind
dieses alles, das letzte, was von
der reifen Frucht gesagt wird, aus-
genommen, Dinge, auf die man
nicht mit völliger Gewißheit fußen
kann. Mit mehrerer Gewißheit kann
man sich auf folgende Nachricht ver-
lassen, die der französische Consul
zu Cadix, Herr Partiet, dem Herrn
Jussieu zu Paris ertheilet hat: die
Vanille wächst in den wärmsten
Ländern von America, und vor-
[Spaltenumbruch]
Vanille
nehmlich in Neuspanien, auf Bergen,
zu denen niemand gelangen kann,
als nur die Landeseingehornen Jn-
dianer. Man hat deren dreyerley
Gattungen, nämlich a) die Pom-
pona
oder Bova, das ist, die auf-
geblasene; 2) die Ley, das ist, die
für die Kaufleute, oder gute, und
3) die Simarona, das ist, die Ba-
stardvanille. Die Schoten der
Pompona sind dick und kurz: die
von der Ley sind dünner und länger;
und die von der Simarona sind in
allen Stücken die kleinsten. Die
einzige Vanilla Ley ist gut: Sie
muß dunkelbraunroth, weder zu
schwarz noch zu roth, völlig, dick,
lang, frisch, von einem durchdrin-
genden, und angenehmen Geruche,
schwer, nicht gar zu klebricht, und
auch nicht gar zu sehr ausgetrocknet
seyn, und, ohngeachtet sie etwas
runzlich sind, voll zu seyn scheinen,
auch ein Packet von demselben,
worinn 50 Stücke sind, über 5 Un-
zen wiegen. Wiegt ein solches Pa-
cket 8 Unzen, so werden sie Sobre-
buena,
das ist, vortreffliche genen-
net. Wenn man eine solche Schote,
die gut conditionirt und frisch ist,
aufmachet; so findet man sie mit
einer schwarzen, öligten und balsa-
mischen Feuchtigkeit angefüllet, in
welcher eine große Menge kleiner,
schwarzer, und fast unsichtbarer
Körner schwimmt, und es geht
aus denselben ein so starker Geruch
heraus, daß er einen ganz dumm ma-
chet, und eine Art von einer Trun-
kenheit verursachet. Die Pompona
hat einen noch stärkern, aber nicht
so angenehmen Geruch, welcher bey
den Mannspersonen heftiges Kopf-
weh, und bey den Frauenspersonen
gefährliche Erstickungen verursachet.
Die Feuchtigkeit, so sich in der
Pompona befindet, ist flüßiger, und
die Saamen, so in dieser Feuchtig-
keit schwimmen, sind größer, und
fast den Senfkörnern gleich. Die

Sima-
M 2

[Spaltenumbruch]

Vanille
vor komme, welcher 12 bis 15 Fuß
hoch wird, und weil er ſehr ſchwach
iſt, entweder auf der Erde herum
kriechet, oder ſich an darangeſteckten
Pfaͤhlen, oder an den Baͤumen, wie
eine Winde herum ſchlingt; daß
dieſer Stengel rund, eines halben
Fingers dick, gruͤn, mit einem zaͤ-
hen Safte angefuͤllt, und hin und
wieder mit Knoten beſetzt ſey, aus
welchen Knoten lange und ſpitzige
Blaͤtter wachſen, welche glatt, et-
was dick, hellgruͤn, und adericht,
dabey aber weich ſind, und etwas
ſcharf ſchmecken; daß zwiſchen die-
ſen ferner Aeſtgen heraus ſchießen,
deren Blaͤtter ebenfalls alſo geſtal-
tet, nur etwas kleiner ſind; daß an
dieſen die Blumen hervor kommen,
welche ſehr ſchoͤn ausſehen, und aus
ſechs Blaͤttern beſtehen, von welchen
fuͤnfe einander gleich, lang, enge, an
Seiten etwas eingebogen, inwendig
weiß, von außen aber gruͤnlicht ſind,
das ſechſte aber von beſonderer Figur
iſt, und unten eine krumm gebogene
hohle Roͤhre hat, in welcher ein ſuͤßer
Saft enthalten iſt; und daß auf ſolche
Bluͤte eine Frucht folge, die eine run-
de, fleiſchigte und ſehr lange Schote
wird, welche anfaͤnglich gruͤn iſt,
nachhero aber gelb wird, und end-
lich bey ihrer voͤlligen Reife von
außen ſchwarzbraun und glaͤnzend
ausſieht, und inwendig mit einer
ſehr großen Menge kleiner ſchwar-
zen Saamen erfuͤllet iſt, welche ei-
nen ſcharfen Geſchmack und Bieſam-
aͤhnlichen Geruch haben: So ſind
dieſes alles, das letzte, was von
der reifen Frucht geſagt wird, aus-
genommen, Dinge, auf die man
nicht mit voͤlliger Gewißheit fußen
kann. Mit mehrerer Gewißheit kann
man ſich auf folgende Nachricht ver-
laſſen, die der franzoͤſiſche Conſul
zu Cadix, Herr Partiet, dem Herrn
Juſſieu zu Paris ertheilet hat: die
Vanille waͤchſt in den waͤrmſten
Laͤndern von America, und vor-
[Spaltenumbruch]
Vanille
nehmlich in Neuſpanien, auf Bergen,
zu denen niemand gelangen kann,
als nur die Landeseingehornen Jn-
dianer. Man hat deren dreyerley
Gattungen, naͤmlich a) die Pom-
pona
oder Bova, das iſt, die auf-
geblaſene; 2) die Ley, das iſt, die
fuͤr die Kaufleute, oder gute, und
3) die Simarona, das iſt, die Ba-
ſtardvanille. Die Schoten der
Pompona ſind dick und kurz: die
von der Ley ſind duͤnner und laͤnger;
und die von der Simarona ſind in
allen Stuͤcken die kleinſten. Die
einzige Vanilla Ley iſt gut: Sie
muß dunkelbraunroth, weder zu
ſchwarz noch zu roth, voͤllig, dick,
lang, friſch, von einem durchdrin-
genden, und angenehmen Geruche,
ſchwer, nicht gar zu klebricht, und
auch nicht gar zu ſehr ausgetrocknet
ſeyn, und, ohngeachtet ſie etwas
runzlich ſind, voll zu ſeyn ſcheinen,
auch ein Packet von demſelben,
worinn 50 Stuͤcke ſind, uͤber 5 Un-
zen wiegen. Wiegt ein ſolches Pa-
cket 8 Unzen, ſo werden ſie Sobre-
buena,
das iſt, vortreffliche genen-
net. Wenn man eine ſolche Schote,
die gut conditionirt und friſch iſt,
aufmachet; ſo findet man ſie mit
einer ſchwarzen, oͤligten und balſa-
miſchen Feuchtigkeit angefuͤllet, in
welcher eine große Menge kleiner,
ſchwarzer, und faſt unſichtbarer
Koͤrner ſchwimmt, und es geht
aus denſelben ein ſo ſtarker Geruch
heraus, daß er einen ganz dumm ma-
chet, und eine Art von einer Trun-
kenheit verurſachet. Die Pompona
hat einen noch ſtaͤrkern, aber nicht
ſo angenehmen Geruch, welcher bey
den Mannsperſonen heftiges Kopf-
weh, und bey den Frauensperſonen
gefaͤhrliche Erſtickungen verurſachet.
Die Feuchtigkeit, ſo ſich in der
Pompona befindet, iſt fluͤßiger, und
die Saamen, ſo in dieſer Feuchtig-
keit ſchwimmen, ſind groͤßer, und
faſt den Senfkoͤrnern gleich. Die

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M 2
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[[179]/0185] Vanille Vanille vor komme, welcher 12 bis 15 Fuß hoch wird, und weil er ſehr ſchwach iſt, entweder auf der Erde herum kriechet, oder ſich an darangeſteckten Pfaͤhlen, oder an den Baͤumen, wie eine Winde herum ſchlingt; daß dieſer Stengel rund, eines halben Fingers dick, gruͤn, mit einem zaͤ- hen Safte angefuͤllt, und hin und wieder mit Knoten beſetzt ſey, aus welchen Knoten lange und ſpitzige Blaͤtter wachſen, welche glatt, et- was dick, hellgruͤn, und adericht, dabey aber weich ſind, und etwas ſcharf ſchmecken; daß zwiſchen die- ſen ferner Aeſtgen heraus ſchießen, deren Blaͤtter ebenfalls alſo geſtal- tet, nur etwas kleiner ſind; daß an dieſen die Blumen hervor kommen, welche ſehr ſchoͤn ausſehen, und aus ſechs Blaͤttern beſtehen, von welchen fuͤnfe einander gleich, lang, enge, an Seiten etwas eingebogen, inwendig weiß, von außen aber gruͤnlicht ſind, das ſechſte aber von beſonderer Figur iſt, und unten eine krumm gebogene hohle Roͤhre hat, in welcher ein ſuͤßer Saft enthalten iſt; und daß auf ſolche Bluͤte eine Frucht folge, die eine run- de, fleiſchigte und ſehr lange Schote wird, welche anfaͤnglich gruͤn iſt, nachhero aber gelb wird, und end- lich bey ihrer voͤlligen Reife von außen ſchwarzbraun und glaͤnzend ausſieht, und inwendig mit einer ſehr großen Menge kleiner ſchwar- zen Saamen erfuͤllet iſt, welche ei- nen ſcharfen Geſchmack und Bieſam- aͤhnlichen Geruch haben: So ſind dieſes alles, das letzte, was von der reifen Frucht geſagt wird, aus- genommen, Dinge, auf die man nicht mit voͤlliger Gewißheit fußen kann. Mit mehrerer Gewißheit kann man ſich auf folgende Nachricht ver- laſſen, die der franzoͤſiſche Conſul zu Cadix, Herr Partiet, dem Herrn Juſſieu zu Paris ertheilet hat: die Vanille waͤchſt in den waͤrmſten Laͤndern von America, und vor- nehmlich in Neuſpanien, auf Bergen, zu denen niemand gelangen kann, als nur die Landeseingehornen Jn- dianer. Man hat deren dreyerley Gattungen, naͤmlich a) die Pom- pona oder Bova, das iſt, die auf- geblaſene; 2) die Ley, das iſt, die fuͤr die Kaufleute, oder gute, und 3) die Simarona, das iſt, die Ba- ſtardvanille. Die Schoten der Pompona ſind dick und kurz: die von der Ley ſind duͤnner und laͤnger; und die von der Simarona ſind in allen Stuͤcken die kleinſten. Die einzige Vanilla Ley iſt gut: Sie muß dunkelbraunroth, weder zu ſchwarz noch zu roth, voͤllig, dick, lang, friſch, von einem durchdrin- genden, und angenehmen Geruche, ſchwer, nicht gar zu klebricht, und auch nicht gar zu ſehr ausgetrocknet ſeyn, und, ohngeachtet ſie etwas runzlich ſind, voll zu ſeyn ſcheinen, auch ein Packet von demſelben, worinn 50 Stuͤcke ſind, uͤber 5 Un- zen wiegen. Wiegt ein ſolches Pa- cket 8 Unzen, ſo werden ſie Sobre- buena, das iſt, vortreffliche genen- net. Wenn man eine ſolche Schote, die gut conditionirt und friſch iſt, aufmachet; ſo findet man ſie mit einer ſchwarzen, oͤligten und balſa- miſchen Feuchtigkeit angefuͤllet, in welcher eine große Menge kleiner, ſchwarzer, und faſt unſichtbarer Koͤrner ſchwimmt, und es geht aus denſelben ein ſo ſtarker Geruch heraus, daß er einen ganz dumm ma- chet, und eine Art von einer Trun- kenheit verurſachet. Die Pompona hat einen noch ſtaͤrkern, aber nicht ſo angenehmen Geruch, welcher bey den Mannsperſonen heftiges Kopf- weh, und bey den Frauensperſonen gefaͤhrliche Erſtickungen verurſachet. Die Feuchtigkeit, ſo ſich in der Pompona befindet, iſt fluͤßiger, und die Saamen, ſo in dieſer Feuchtig- keit ſchwimmen, ſind groͤßer, und faſt den Senfkoͤrnern gleich. Die Sima- M 2

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Zitationshilfe: Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756, S. [179]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludovici_grundriss_1756/185>, abgerufen am 21.11.2024.