Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

der Verführung der Jugend.
Wurtzel aller Gaben in Zeit und Ewigkeit zum
einigen und höchsten Geschenck verordnet, und hin-
gegeben habe. Und o welch gesegnetes Kind ist
das, dessen Begierde der liebselige Vatter in dem
Himmel fort und fort zu seinem Sohn hinzeucht,
als ohne welchen er kein besser Ort und keine besse-
re Person weiß, dero die Kinder anvertrauet wer-
den könnten. Einmal, mein liebes Kind, eine
geringere Person, als dieser GOtt-Mensch, wäre
nicht vermögend, dir aus deinem unergründlichen
Elend heraus zu helffen, dich Blinden sehend,
dich Lahmen gehend, dich Tauben hörend, dich
Stummen redend, dich Aussätzigen rein, dich Tod-
ten lebendig, dich im Glauben Armen in GOTT
reich, dich Albern weise, dich Unwissenden gelehrt
und erleuchtet, dich Sünder gerecht, frölich, ru-
hig, von aller Anklage im Gewissen frey, voll
Friede und Freude im heiligen Geist, und des
künfftigen ewigen Erb-Königreichs göttlich versi-
chert zu machen; und darum übergibt dich der
Vatter seinem Christo, weil er allein dich ändern,
seinen heiligen Sinn eingiessen, und als der gött-
liche Weinstock seine Krafft, Leben und Seligkeit
mittheilen kan.

Bist du nun durch deines JESU Gunst und
Vorschub ein Nagel-neu Gewächs des Himmel-
reichs worden; so wirst du ja in deinem Thun nicht
wetterwendisch und heuchlerisch seyn, daß du jetzt
fromm und zahm, und dann wiederum wild und
böse seyest; so wenig als ein Bäumlein (Arbre-
nain
) im fürstlichen Garten dieses Jahr edle, mil-
de, das andere Jahr aber saure, herbe Holtz-
Früchte traget, insonderheit wann es noch das

letzte
E 2

der Verfuͤhrung der Jugend.
Wurtzel aller Gaben in Zeit und Ewigkeit zum
einigen und hoͤchſten Geſchenck verordnet, und hin-
gegeben habe. Und o welch geſegnetes Kind iſt
das, deſſen Begierde der liebſelige Vatter in dem
Himmel fort und fort zu ſeinem Sohn hinzeucht,
als ohne welchen er kein beſſer Ort und keine beſſe-
re Perſon weiß, dero die Kinder anvertrauet wer-
den koͤnnten. Einmal, mein liebes Kind, eine
geringere Perſon, als dieſer GOtt-Menſch, waͤre
nicht vermoͤgend, dir aus deinem unergruͤndlichen
Elend heraus zu helffen, dich Blinden ſehend,
dich Lahmen gehend, dich Tauben hoͤrend, dich
Stummen redend, dich Auſſaͤtzigen rein, dich Tod-
ten lebendig, dich im Glauben Armen in GOTT
reich, dich Albern weiſe, dich Unwiſſenden gelehrt
und erleuchtet, dich Suͤnder gerecht, froͤlich, ru-
hig, von aller Anklage im Gewiſſen frey, voll
Friede und Freude im heiligen Geiſt, und des
kuͤnfftigen ewigen Erb-Koͤnigreichs goͤttlich verſi-
chert zu machen; und darum uͤbergibt dich der
Vatter ſeinem Chriſto, weil er allein dich aͤndern,
ſeinen heiligen Sinn eingieſſen, und als der goͤtt-
liche Weinſtock ſeine Krafft, Leben und Seligkeit
mittheilen kan.

Biſt du nun durch deines JESU Gunſt und
Vorſchub ein Nagel-neu Gewaͤchs des Himmel-
reichs worden; ſo wirſt du ja in deinem Thun nicht
wetterwendiſch und heuchleriſch ſeyn, daß du jetzt
fromm und zahm, und dann wiederum wild und
boͤſe ſeyeſt; ſo wenig als ein Baͤumlein (Arbre-
nain
) im fuͤrſtlichen Garten dieſes Jahr edle, mil-
de, das andere Jahr aber ſaure, herbe Holtz-
Fruͤchte traget, inſonderheit wann es noch das

letzte
E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0085" n="67"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Verfu&#x0364;hrung der Jugend.</hi></fw><lb/>
Wurtzel aller Gaben in Zeit und Ewigkeit zum<lb/>
einigen und ho&#x0364;ch&#x017F;ten Ge&#x017F;chenck verordnet, und hin-<lb/>
gegeben habe. Und o welch ge&#x017F;egnetes Kind i&#x017F;t<lb/>
das, de&#x017F;&#x017F;en Begierde der lieb&#x017F;elige Vatter in dem<lb/>
Himmel fort und fort zu &#x017F;einem Sohn hinzeucht,<lb/>
als ohne welchen er kein be&#x017F;&#x017F;er Ort und keine be&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
re Per&#x017F;on weiß, dero die Kinder anvertrauet wer-<lb/>
den ko&#x0364;nnten. Einmal, mein liebes Kind, eine<lb/>
geringere Per&#x017F;on, als die&#x017F;er GOtt-Men&#x017F;ch, wa&#x0364;re<lb/>
nicht vermo&#x0364;gend, dir aus deinem unergru&#x0364;ndlichen<lb/>
Elend heraus zu helffen, dich Blinden &#x017F;ehend,<lb/>
dich Lahmen gehend, dich Tauben ho&#x0364;rend, dich<lb/>
Stummen redend, dich Au&#x017F;&#x017F;a&#x0364;tzigen rein, dich Tod-<lb/>
ten lebendig, dich im Glauben Armen in GOTT<lb/>
reich, dich Albern wei&#x017F;e, dich Unwi&#x017F;&#x017F;enden gelehrt<lb/>
und erleuchtet, dich Su&#x0364;nder gerecht, fro&#x0364;lich, ru-<lb/>
hig, von aller Anklage im Gewi&#x017F;&#x017F;en frey, voll<lb/>
Friede und Freude im heiligen Gei&#x017F;t, und des<lb/>
ku&#x0364;nfftigen ewigen Erb-Ko&#x0364;nigreichs go&#x0364;ttlich ver&#x017F;i-<lb/>
chert zu machen; und darum u&#x0364;bergibt dich der<lb/>
Vatter &#x017F;einem Chri&#x017F;to, weil er allein dich a&#x0364;ndern,<lb/>
&#x017F;einen heiligen Sinn eingie&#x017F;&#x017F;en, und als der go&#x0364;tt-<lb/>
liche Wein&#x017F;tock &#x017F;eine Krafft, Leben und Seligkeit<lb/>
mittheilen kan.</p><lb/>
          <p>Bi&#x017F;t du nun durch deines JESU Gun&#x017F;t und<lb/>
Vor&#x017F;chub ein Nagel-neu Gewa&#x0364;chs des Himmel-<lb/>
reichs worden; &#x017F;o wir&#x017F;t du ja in deinem Thun nicht<lb/>
wetterwendi&#x017F;ch und heuchleri&#x017F;ch &#x017F;eyn, daß du jetzt<lb/>
fromm und zahm, und dann wiederum wild und<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;e &#x017F;eye&#x017F;t; &#x017F;o wenig als ein Ba&#x0364;umlein (<hi rendition="#aq">Arbre-<lb/>
nain</hi>) im fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Garten die&#x017F;es Jahr edle, mil-<lb/>
de, das andere Jahr aber &#x017F;aure, herbe Holtz-<lb/>
Fru&#x0364;chte traget, in&#x017F;onderheit wann es noch das<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 2</fw><fw place="bottom" type="catch">letzte</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0085] der Verfuͤhrung der Jugend. Wurtzel aller Gaben in Zeit und Ewigkeit zum einigen und hoͤchſten Geſchenck verordnet, und hin- gegeben habe. Und o welch geſegnetes Kind iſt das, deſſen Begierde der liebſelige Vatter in dem Himmel fort und fort zu ſeinem Sohn hinzeucht, als ohne welchen er kein beſſer Ort und keine beſſe- re Perſon weiß, dero die Kinder anvertrauet wer- den koͤnnten. Einmal, mein liebes Kind, eine geringere Perſon, als dieſer GOtt-Menſch, waͤre nicht vermoͤgend, dir aus deinem unergruͤndlichen Elend heraus zu helffen, dich Blinden ſehend, dich Lahmen gehend, dich Tauben hoͤrend, dich Stummen redend, dich Auſſaͤtzigen rein, dich Tod- ten lebendig, dich im Glauben Armen in GOTT reich, dich Albern weiſe, dich Unwiſſenden gelehrt und erleuchtet, dich Suͤnder gerecht, froͤlich, ru- hig, von aller Anklage im Gewiſſen frey, voll Friede und Freude im heiligen Geiſt, und des kuͤnfftigen ewigen Erb-Koͤnigreichs goͤttlich verſi- chert zu machen; und darum uͤbergibt dich der Vatter ſeinem Chriſto, weil er allein dich aͤndern, ſeinen heiligen Sinn eingieſſen, und als der goͤtt- liche Weinſtock ſeine Krafft, Leben und Seligkeit mittheilen kan. Biſt du nun durch deines JESU Gunſt und Vorſchub ein Nagel-neu Gewaͤchs des Himmel- reichs worden; ſo wirſt du ja in deinem Thun nicht wetterwendiſch und heuchleriſch ſeyn, daß du jetzt fromm und zahm, und dann wiederum wild und boͤſe ſeyeſt; ſo wenig als ein Baͤumlein (Arbre- nain) im fuͤrſtlichen Garten dieſes Jahr edle, mil- de, das andere Jahr aber ſaure, herbe Holtz- Fruͤchte traget, inſonderheit wann es noch das letzte E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/85
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/85>, abgerufen am 23.11.2024.