Hofmeister und Geleits-Herr seye? Richtet euer Thun nach der auserwehlten Burgerschafft Jerusa- lems? habt ihr ein ander Hertz und Gemüth, als sonst die Kinder von Natur haben? erkennet und ehret ihr auch GOtt als euern GOtt? lebet und sterbet ihr ihme als Kinder, die in den Tod seines Sohns zu ei- nem neuen und ihme gefalligen Leben getauffet sind? oder seyd ihr nicht vergebens getaufft, weil so gar nichts vom Himmelreich, von Hohen-priesterlichen Hand-Auflegen und Segnen des Heilands, noch vom göttlichen Leben sich an euch ereignet?
§. 19.
Und ihr jungen Leute! was hat euere Seele, das unsterbliche Wesen, vom H. Abendmal zum Be- sten? Wisset ihr auch, was ein Jünger JEsu seye, und wie man in dieser Jüngerschafft versigelt und bestättiget werde? ihr begehret ja mehrentheils nicht einmal seine Jünger zu werden: ja wolte GOtt, daß ihr gegen Christum nicht eben so gesinnet wäret, wie der Teufel, Luc. 4, 35.! dann es schreyet ja das Verhalten der Jugend zu Stadt und Land: "Laß" ab Pfarrer, und plage mich forthin nicht mehr mit der" langweiligen Lehre, von JEsu! du hast mir lang genug" gepredigt von Sinnes-Aenderung, Glaube, Liebe," Heiligung etc. jetzt bin ich einmal der Marter ab: ich" bin so voll davon, das ich weder Bibel noch Cate-" chismus mehr ansehen mag, und ist mir recht eckel-" hafft, nur daran zu sinnen; wie froh bin ich, daß" ich davon loß bin! jetzt ist mir so wohl, wie einem" Caminfeger auf dem Dach, und wie einem Vogel aus-" sert dem Kefig, wie einem freygelassenen Selaven," und wie einem ausgeflogenen Raaben auf einem"
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der Verfuͤhrung der Jugend.
Hofmeiſter und Geleits-Herr ſeye? Richtet euer Thun nach der auserwehlten Burgerſchafft Jeruſa- lems? habt ihr ein ander Hertz und Gemuͤth, als ſonſt die Kinder von Natur haben? erkennet und ehret ihr auch GOtt als euern GOtt? lebet und ſterbet ihr ihme als Kinder, die in den Tod ſeines Sohns zu ei- nem neuen und ihme gefalligen Leben getauffet ſind? oder ſeyd ihr nicht vergebens getaufft, weil ſo gar nichts vom Himmelreich, von Hohen-prieſterlichen Hand-Auflegen und Segnen des Heilands, noch vom goͤttlichen Leben ſich an euch ereignet?
§. 19.
Und ihr jungen Leute! was hat euere Seele, das unſterbliche Weſen, vom H. Abendmal zum Be- ſten? Wiſſet ihr auch, was ein Juͤnger JEſu ſeye, und wie man in dieſer Juͤngerſchafft verſigelt und beſtaͤttiget werde? ihr begehret ja mehrentheils nicht einmal ſeine Juͤnger zu werden: ja wolte GOtt, daß ihr gegen Chriſtum nicht eben ſo geſinnet waͤret, wie der Teufel, Luc. 4, 35.! dann es ſchreyet ja das Verhalten der Jugend zu Stadt und Land: „Laß“ ab Pfarrer, und plage mich forthin nicht mehr mit der“ langweiligen Lehre, von JEſu! du haſt mir lang genug“ gepredigt von Sinnes-Aenderung, Glaube, Liebe,“ Heiligung ꝛc. jetzt bin ich einmal der Marter ab: ich“ bin ſo voll davon, das ich weder Bibel noch Cate-“ chismus mehr anſehen mag, und iſt mir recht eckel-“ hafft, nur daran zu ſinnen; wie froh bin ich, daß“ ich davon loß bin! jetzt iſt mir ſo wohl, wie einem“ Caminfeger auf dem Dach, und wie einem Vogel auſ-“ ſert dem Kefig, wie einem freygelaſſenen Selaven,“ und wie einem ausgeflogenen Raaben auf einem“
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der Verfuͤhrung der Jugend.
Hofmeiſter und Geleits-Herr ſeye? Richtet euer
Thun nach der auserwehlten Burgerſchafft Jeruſa-
lems? habt ihr ein ander Hertz und Gemuͤth, als
ſonſt die Kinder von Natur haben? erkennet und ehret
ihr auch GOtt als euern GOtt? lebet und ſterbet ihr
ihme als Kinder, die in den Tod ſeines Sohns zu ei-
nem neuen und ihme gefalligen Leben getauffet ſind?
oder ſeyd ihr nicht vergebens getaufft, weil ſo gar
nichts vom Himmelreich, von Hohen-prieſterlichen
Hand-Auflegen und Segnen des Heilands, noch
vom goͤttlichen Leben ſich an euch ereignet?
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Und ihr jungen Leute! was hat euere Seele, das
unſterbliche Weſen, vom H. Abendmal zum Be-
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ſeye, und wie man in dieſer Juͤngerſchafft verſigelt
und beſtaͤttiget werde? ihr begehret ja mehrentheils
nicht einmal ſeine Juͤnger zu werden: ja wolte GOtt,
daß ihr gegen Chriſtum nicht eben ſo geſinnet waͤret,
wie der Teufel, Luc. 4, 35.! dann es ſchreyet ja das
Verhalten der Jugend zu Stadt und Land: „Laß“
ab Pfarrer, und plage mich forthin nicht mehr mit der“
langweiligen Lehre, von JEſu! du haſt mir lang genug“
gepredigt von Sinnes-Aenderung, Glaube, Liebe,“
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bin ſo voll davon, das ich weder Bibel noch Cate-“
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hafft, nur daran zu ſinnen; wie froh bin ich, daß“
ich davon loß bin! jetzt iſt mir ſo wohl, wie einem“
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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/53>, abgerufen am 17.07.2024.
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