Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 7. Nachlese noch einiger Mitteln
Schnee und Eiß gantz einsam suchet, und dabey
doch munter pfeiffet; so singe jenem Hamburgischen
Tichter nach:

Kleine Meise! Mit Vergnügen
Seh ich dich so frölich fliegen,
Und dein zwitschender Gesang,
Scheint ein holder Freuden-Klang;
Da du doch fast halb-erfroren
Speiß und Nest im Schnee verloren:
Du bist hungrig, arm, allein;
Und doch kanst du frölich seyn.
Wüßten wir doch so gelassen
Uns im Mangel auch zu fassen!

Lasse dir demnach seyn, als ob dieses Vögelein
im Winter mit seinem muntern Gepfiff das Lied-
gen sunge:

Hör! Wer nichts nach dem Morgen
fragt,
Der lebt vergnügt und unverzagt.
Der holde Lentz mit seinen Schätzen,
Wird meinen Mangel schon ersetzen.
Jch singe schon, als wär er da,
Mein Zitzipa, mein Zitzipa.

Dencke überhaupt, wann du ein Vögelein lu-
stig singen hörest, daran, was dein Heyland in An-
sehung derselben saget, und uns zuruffet: Sehet
die Vögel unter dem Himmel an/ sie säen
nicht/ sie erndten nicht, sie sammlen auch
nicht in die Scheuren/ und euer himmli-

scher

Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mitteln
Schnee und Eiß gantz einſam ſuchet, und dabey
doch munter pfeiffet; ſo ſinge jenem Hamburgiſchen
Tichter nach:

Kleine Meiſe! Mit Vergnuͤgen
Seh ich dich ſo froͤlich fliegen,
Und dein zwitſchender Geſang,
Scheint ein holder Freuden-Klang;
Da du doch faſt halb-erfroren
Speiß und Neſt im Schnee verloren:
Du biſt hungrig, arm, allein;
Und doch kanſt du froͤlich ſeyn.
Wuͤßten wir doch ſo gelaſſen
Uns im Mangel auch zu faſſen!

Laſſe dir demnach ſeyn, als ob dieſes Voͤgelein
im Winter mit ſeinem muntern Gepfiff das Lied-
gen ſunge:

Hoͤr! Wer nichts nach dem Morgen
fragt,
Der lebt vergnuͤgt und unverzagt.
Der holde Lentz mit ſeinen Schaͤtzen,
Wird meinen Mangel ſchon erſetzen.
Jch ſinge ſchon, als waͤr er da,
Mein Zitzipa, mein Zitzipa.

Dencke uͤberhaupt, wann du ein Voͤgelein lu-
ſtig ſingen hoͤreſt, daran, was dein Heyland in An-
ſehung derſelben ſaget, und uns zuruffet: Sehet
die Voͤgel unter dem Himmel an/ ſie ſaͤen
nicht/ ſie erndten nicht, ſie ſammlen auch
nicht in die Scheuren/ und euer himmli-

ſcher
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0388" n="370"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 7. Nachle&#x017F;e noch einiger Mitteln</hi></fw><lb/>
Schnee und Eiß gantz ein&#x017F;am &#x017F;uchet, und dabey<lb/>
doch munter pfeiffet; &#x017F;o &#x017F;inge jenem Hamburgi&#x017F;chen<lb/>
Tichter nach:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Kleine Mei&#x017F;e! Mit Vergnu&#x0364;gen</l><lb/>
            <l>Seh ich dich &#x017F;o fro&#x0364;lich fliegen,</l><lb/>
            <l>Und dein zwit&#x017F;chender Ge&#x017F;ang,</l><lb/>
            <l>Scheint ein holder Freuden-Klang;</l><lb/>
            <l>Da du doch fa&#x017F;t halb-erfroren</l><lb/>
            <l>Speiß und Ne&#x017F;t im Schnee verloren:</l><lb/>
            <l>Du bi&#x017F;t hungrig, arm, allein;</l><lb/>
            <l>Und doch kan&#x017F;t du fro&#x0364;lich &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Wu&#x0364;ßten wir doch &#x017F;o gela&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Uns im Mangel auch zu fa&#x017F;&#x017F;en!</l>
          </lg><lb/>
          <p>La&#x017F;&#x017F;e dir demnach &#x017F;eyn, als ob die&#x017F;es Vo&#x0364;gelein<lb/>
im Winter mit &#x017F;einem muntern Gepfiff das Lied-<lb/>
gen &#x017F;unge:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Ho&#x0364;r! Wer nichts nach dem Morgen</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">fragt,</hi> </l><lb/>
            <l>Der lebt vergnu&#x0364;gt und unverzagt.</l><lb/>
            <l>Der holde Lentz mit &#x017F;einen Scha&#x0364;tzen,</l><lb/>
            <l>Wird meinen Mangel &#x017F;chon er&#x017F;etzen.</l><lb/>
            <l>Jch &#x017F;inge &#x017F;chon, als wa&#x0364;r er da,</l><lb/>
            <l>Mein <hi rendition="#fr">Zitzipa,</hi> mein <hi rendition="#fr">Zitzipa.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <p>Dencke u&#x0364;berhaupt, wann du ein Vo&#x0364;gelein lu-<lb/>
&#x017F;tig &#x017F;ingen ho&#x0364;re&#x017F;t, daran, was dein Heyland in An-<lb/>
&#x017F;ehung der&#x017F;elben &#x017F;aget, und uns zuruffet: <hi rendition="#fr">Sehet<lb/>
die Vo&#x0364;gel unter dem Himmel an/ &#x017F;ie &#x017F;a&#x0364;en<lb/>
nicht/ &#x017F;ie erndten nicht, &#x017F;ie &#x017F;ammlen auch<lb/>
nicht in die Scheuren/ und euer himmli-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">&#x017F;cher</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[370/0388] Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mitteln Schnee und Eiß gantz einſam ſuchet, und dabey doch munter pfeiffet; ſo ſinge jenem Hamburgiſchen Tichter nach: Kleine Meiſe! Mit Vergnuͤgen Seh ich dich ſo froͤlich fliegen, Und dein zwitſchender Geſang, Scheint ein holder Freuden-Klang; Da du doch faſt halb-erfroren Speiß und Neſt im Schnee verloren: Du biſt hungrig, arm, allein; Und doch kanſt du froͤlich ſeyn. Wuͤßten wir doch ſo gelaſſen Uns im Mangel auch zu faſſen! Laſſe dir demnach ſeyn, als ob dieſes Voͤgelein im Winter mit ſeinem muntern Gepfiff das Lied- gen ſunge: Hoͤr! Wer nichts nach dem Morgen fragt, Der lebt vergnuͤgt und unverzagt. Der holde Lentz mit ſeinen Schaͤtzen, Wird meinen Mangel ſchon erſetzen. Jch ſinge ſchon, als waͤr er da, Mein Zitzipa, mein Zitzipa. Dencke uͤberhaupt, wann du ein Voͤgelein lu- ſtig ſingen hoͤreſt, daran, was dein Heyland in An- ſehung derſelben ſaget, und uns zuruffet: Sehet die Voͤgel unter dem Himmel an/ ſie ſaͤen nicht/ ſie erndten nicht, ſie ſammlen auch nicht in die Scheuren/ und euer himmli- ſcher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/388
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/388>, abgerufen am 23.11.2024.