2) Ein Knab von vier Jahren schriebe alle Abend Zet- telein an den HErrn JEsum, und legte sie auf die Fen- ster-Simsen: Wann sie dann der Wind fortwehete, oder sie sonst weggekommen; so glaubte er steiff und fest, es habe ein Engel das Zettelein Christo überbracht, wobey er tieff nachsinnete, was doch der Heyland dazu sage. Mit- hin ware das Kind immer mit dem Erlöser in seinen Ge- dancken beschäfftiget. Laß mir das ein artiges Kin- der-Spiel seyn. Die eitele Welt-Freude verwel- cket, wie eine Blume, und giebt dir eben so wenig Nutzen, als ein dürres Blatt, ja all dein Lachen wird endlich in ein Jammer-Geheul und Zähnklap- pern verwandelt werden. Da hingegen ein GOtt- ergebenes Kind von seinen geistlichen Kurtzweilen mit JESU unendliche Vortheile hat, und kaum eine Stunde vergehet, darinnen ihm nicht unver- gleichliche Geschencke entweder gegeben oder aufs künfftige beygeleget werden. Kurtz, mein Kind! So lang du also in vertraulicher Freundschafft mit JEsu lebest; so lang siehest du deiner hohen Eh- ren, Gütern, Schätzen und Freuden kein Ende: Darum seye klug, und bedencke dein Bestes.
§. 7.
Sagst du: Ach wann ich nur JEsum und die Schönheit seines Himmelreichs auch so leibhafftig und sichtbar vor mir hätte/ wie ich die menschliche und der Welt Eitelkeiten vor mir sehe, so hätte ich bessere Hoffnung/ getreu zu bleiben/ und würden die Tändeleyen der Welt alsdann keinen solch tieffen Eindruck bey mir machen.
Ant-
S
der Verfuͤhrung der Jugend.
2) Ein Knab von vier Jahren ſchriebe alle Abend Zet- telein an den HErrn JEſum, und legte ſie auf die Fen- ſter-Simſen: Wann ſie dann der Wind fortwehete, oder ſie ſonſt weggekommen; ſo glaubte er ſteiff und feſt, es habe ein Engel das Zettelein Chriſto uͤberbracht, wobey er tieff nachſinnete, was doch der Heyland dazu ſage. Mit- hin ware das Kind immer mit dem Erloͤſer in ſeinen Ge- dancken beſchaͤfftiget. Laß mir das ein artiges Kin- der-Spiel ſeyn. Die eitele Welt-Freude verwel- cket, wie eine Blume, und giebt dir eben ſo wenig Nutzen, als ein duͤrres Blatt, ja all dein Lachen wird endlich in ein Jammer-Geheul und Zaͤhnklap- pern verwandelt werden. Da hingegen ein GOtt- ergebenes Kind von ſeinen geiſtlichen Kurtzweilen mit JESU unendliche Vortheile hat, und kaum eine Stunde vergehet, darinnen ihm nicht unver- gleichliche Geſchencke entweder gegeben oder aufs kuͤnfftige beygeleget werden. Kurtz, mein Kind! So lang du alſo in vertraulicher Freundſchafft mit JEſu lebeſt; ſo lang ſieheſt du deiner hohen Eh- ren, Guͤtern, Schaͤtzen und Freuden kein Ende: Darum ſeye klug, und bedencke dein Beſtes.
§. 7.
Sagſt du: Ach wann ich nur JEſum und die Schoͤnheit ſeines Himmelreichs auch ſo leibhafftig und ſichtbar vor mir haͤtte/ wie ich die menſchliche und der Welt Eitelkeiten vor mir ſehe, ſo haͤtte ich beſſere Hoffnung/ getreu zu bleiben/ und wuͤrden die Taͤndeleyen der Welt alsdann keinen ſolch tieffen Eindruck bey mir machen.
Ant-
S
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0291"n="273"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">der Verfuͤhrung der Jugend.</hi></fw><lb/><p>2) <hirendition="#fr">Ein Knab von vier Jahren ſchriebe alle Abend Zet-<lb/>
telein an den HErrn JEſum, und legte ſie auf die Fen-<lb/>ſter-Simſen: Wann ſie dann der Wind fortwehete, oder<lb/>ſie ſonſt weggekommen; ſo glaubte er ſteiff und feſt, es<lb/>
habe ein Engel das Zettelein Chriſto uͤberbracht, wobey er<lb/>
tieff nachſinnete, was doch der Heyland dazu ſage. Mit-<lb/>
hin ware das Kind immer mit dem Erloͤſer in ſeinen Ge-<lb/>
dancken beſchaͤfftiget.</hi> Laß mir das ein artiges Kin-<lb/>
der-Spiel ſeyn. Die eitele Welt-Freude verwel-<lb/>
cket, wie eine Blume, und giebt dir eben ſo wenig<lb/>
Nutzen, als ein duͤrres Blatt, ja all dein Lachen<lb/>
wird endlich in ein Jammer-Geheul und Zaͤhnklap-<lb/>
pern verwandelt werden. Da hingegen ein GOtt-<lb/>
ergebenes Kind von ſeinen geiſtlichen Kurtzweilen<lb/>
mit JESU unendliche Vortheile hat, und kaum<lb/>
eine Stunde vergehet, darinnen ihm nicht unver-<lb/>
gleichliche Geſchencke entweder gegeben oder aufs<lb/>
kuͤnfftige beygeleget werden. Kurtz, mein Kind!<lb/>
So lang du alſo in vertraulicher Freundſchafft mit<lb/>
JEſu lebeſt; ſo lang ſieheſt du deiner hohen Eh-<lb/>
ren, Guͤtern, Schaͤtzen und Freuden kein Ende:<lb/>
Darum ſeye klug, und bedencke dein Beſtes.</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 7.</head><lb/><p>Sagſt du: <hirendition="#fr">Ach wann ich nur JEſum<lb/>
und die Schoͤnheit ſeines Himmelreichs<lb/>
auch ſo leibhafftig und ſichtbar vor mir<lb/>
haͤtte/ wie ich die menſchliche und der<lb/>
Welt Eitelkeiten vor mir ſehe, ſo haͤtte<lb/>
ich beſſere Hoffnung/ getreu zu bleiben/<lb/>
und wuͤrden die Taͤndeleyen der Welt<lb/>
alsdann keinen ſolch tieffen Eindruck bey<lb/>
mir machen.</hi></p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">S</fw><fwplace="bottom"type="catch">Ant-</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[273/0291]
der Verfuͤhrung der Jugend.
2) Ein Knab von vier Jahren ſchriebe alle Abend Zet-
telein an den HErrn JEſum, und legte ſie auf die Fen-
ſter-Simſen: Wann ſie dann der Wind fortwehete, oder
ſie ſonſt weggekommen; ſo glaubte er ſteiff und feſt, es
habe ein Engel das Zettelein Chriſto uͤberbracht, wobey er
tieff nachſinnete, was doch der Heyland dazu ſage. Mit-
hin ware das Kind immer mit dem Erloͤſer in ſeinen Ge-
dancken beſchaͤfftiget. Laß mir das ein artiges Kin-
der-Spiel ſeyn. Die eitele Welt-Freude verwel-
cket, wie eine Blume, und giebt dir eben ſo wenig
Nutzen, als ein duͤrres Blatt, ja all dein Lachen
wird endlich in ein Jammer-Geheul und Zaͤhnklap-
pern verwandelt werden. Da hingegen ein GOtt-
ergebenes Kind von ſeinen geiſtlichen Kurtzweilen
mit JESU unendliche Vortheile hat, und kaum
eine Stunde vergehet, darinnen ihm nicht unver-
gleichliche Geſchencke entweder gegeben oder aufs
kuͤnfftige beygeleget werden. Kurtz, mein Kind!
So lang du alſo in vertraulicher Freundſchafft mit
JEſu lebeſt; ſo lang ſieheſt du deiner hohen Eh-
ren, Guͤtern, Schaͤtzen und Freuden kein Ende:
Darum ſeye klug, und bedencke dein Beſtes.
§. 7.
Sagſt du: Ach wann ich nur JEſum
und die Schoͤnheit ſeines Himmelreichs
auch ſo leibhafftig und ſichtbar vor mir
haͤtte/ wie ich die menſchliche und der
Welt Eitelkeiten vor mir ſehe, ſo haͤtte
ich beſſere Hoffnung/ getreu zu bleiben/
und wuͤrden die Taͤndeleyen der Welt
alsdann keinen ſolch tieffen Eindruck bey
mir machen.
Ant-
S
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/291>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.