die Gelehrten und die studierende Jugend nach dir schnappen; Da aber dein steter Umgang und innige Bekanntschafft tieffe, englische Weißheit der Seelen beybringet, wie Joseph, Samuel und Da- niel erfahren, so bekümmert sich die Vernunffts-gelehrte Welt we- nig um dich! O ihr Wissens-Begierige! Warum seyd ihr doch nicht begierig und curios nach dem, was die Engel zu studieren gelustet: Ach wann kommt doch die seelige Stund vor euch, daß ihr den GOtt der Herrlichkeit um erleuchtete Augen unabläßig bittet, JEsum zu sehen und zu kennen in seinen Wegen und Wercken; Es heißt je nicht, leset ohn Unterlaß, aber bettet ohn Unterlaßa. Erkläret die Worte Pauli, wie ihr wollet, der seelige Lutherus hat sie mit vor- trefflicher Frucht und Segen practicirt: Allein es ist kein so leicht und gering Ding, JEsum als das Buch des Lebens wissen zu gebrauchen und weißlich, göttlich mit umzugehen; Hierzu hilfft keine Brill der Commentarien und Auslegungen, sintemahl die Seel nicht nur et- wann ein blöd Gesicht hat, sondern star blind ist am Reich GOttes, dannenher bequemt sich die wundergierige Natur ehender Chymische, Mathematische, Syrische, Arabische Bücher zu lesen; als JEsum den Gecreutzigten im Licht des heiligen Geistes als dem übernatürli- chen Gnaden-Licht mit neu geschaffenen Augen des Glaubens anzu- schauen, welche von GOtt zu erbitten man allzufaul ist. Derowe- gen lasset man JEsum das Buch des Lebens in den Schrancken der ewigen Majestät stehen, weilen man nicht darinn lesen kan, und han- delt unterdessen alle andere Bücher an sich; wie mir dann ein Gelehr- ter bekennt hat, er habe mehr als 5000. Bücher gelesen und sehe erst jetzt, daß er nichts wisse; Ach hätte er sich um JEsum bekümmert, dieses edle Lebens-Buch an sich erhandlet, und nur ein Blat darinn gelesen, so hätte er mit David können sagen, ich bin gelehrter worden dann alle meine Lehrerb.
Mancher Studiosus kaufft sich wohl viele tausend Meinungen, Warheiten und Hirnbilder auf Schulen und Universitäten, auch aus denen durchlöcherten Cisternen der Bücher und Schrifften, wann aber das böse Stündlein kommt, so sinds leere Muschlen aus dem todten Meer der kranckmachenden Vernunfft, samt einem unleiden-
lichen
a 1 Thesl. V. 17.
bPsal. CXIX. 99.
P p p p p 3
uͤber die himmliſche Perle.
die Gelehrten und die ſtudierende Jugend nach dir ſchnappen; Da aber dein ſteter Umgang und innige Bekanntſchafft tieffe, engliſche Weißheit der Seelen beybringet, wie Joſeph, Samuel und Da- niel erfahren, ſo bekuͤmmert ſich die Vernunffts-gelehrte Welt we- nig um dich! O ihr Wiſſens-Begierige! Warum ſeyd ihr doch nicht begierig und curios nach dem, was die Engel zu ſtudieren geluſtet: Ach wann kommt doch die ſeelige Stund vor euch, daß ihr den GOtt der Herrlichkeit um erleuchtete Augen unablaͤßig bittet, JEſum zu ſehen und zu kennen in ſeinen Wegen und Wercken; Es heißt je nicht, leſet ohn Unterlaß, aber bettet ohn Unterlaßa. Erklaͤret die Worte Pauli, wie ihr wollet, der ſeelige Lutherus hat ſie mit vor- trefflicher Frucht und Segen practicirt: Allein es iſt kein ſo leicht und gering Ding, JEſum als das Buch des Lebens wiſſen zu gebrauchen und weißlich, goͤttlich mit umzugehen; Hierzu hilfft keine Brill der Commentarien und Auslegungen, ſintemahl die Seel nicht nur et- wann ein bloͤd Geſicht hat, ſondern ſtar blind iſt am Reich GOttes, dannenher bequemt ſich die wundergierige Natur ehender Chymiſche, Mathematiſche, Syriſche, Arabiſche Buͤcher zu leſen; als JEſum den Gecreutzigten im Licht des heiligen Geiſtes als dem uͤbernatuͤrli- chen Gnaden-Licht mit neu geſchaffenen Augen des Glaubens anzu- ſchauen, welche von GOtt zu erbitten man allzufaul iſt. Derowe- gen laſſet man JEſum das Buch des Lebens in den Schrancken der ewigen Majeſtaͤt ſtehen, weilen man nicht darinn leſen kan, und han- delt unterdeſſen alle andere Buͤcher an ſich; wie mir dann ein Gelehr- ter bekennt hat, er habe mehr als 5000. Buͤcher geleſen und ſehe erſt jetzt, daß er nichts wiſſe; Ach haͤtte er ſich um JEſum bekuͤmmert, dieſes edle Lebens-Buch an ſich erhandlet, und nur ein Blat darinn geleſen, ſo haͤtte er mit David koͤnnen ſagen, ich bin gelehrter worden dann alle meine Lehrerb.
Mancher Studioſus kaufft ſich wohl viele tauſend Meinungen, Warheiten und Hirnbilder auf Schulen und Univerſitaͤten, auch aus denen durchloͤcherten Ciſternen der Buͤcher und Schrifften, wann aber das boͤſe Stuͤndlein kommt, ſo ſinds leere Muſchlen aus dem todten Meer der kranckmachenden Vernunfft, ſamt einem unleiden-
lichen
a 1 Theſl. V. 17.
bPſal. CXIX. 99.
P p p p p 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0949"n="853"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">uͤber die himmliſche Perle.</hi></fw><lb/>
die Gelehrten und die ſtudierende Jugend nach dir ſchnappen; Da<lb/>
aber dein ſteter Umgang und innige Bekanntſchafft tieffe, engliſche<lb/>
Weißheit der Seelen beybringet, wie Joſeph, Samuel und Da-<lb/>
niel erfahren, ſo bekuͤmmert ſich die Vernunffts-gelehrte Welt we-<lb/>
nig um dich! O ihr Wiſſens-Begierige! Warum ſeyd ihr doch nicht<lb/>
begierig und curios nach dem, was die Engel zu ſtudieren geluſtet:<lb/>
Ach wann kommt doch die ſeelige Stund vor euch, daß ihr den GOtt<lb/>
der Herrlichkeit um erleuchtete Augen unablaͤßig bittet, JEſum zu<lb/>ſehen und zu kennen in ſeinen Wegen und Wercken; Es heißt je nicht,<lb/>
leſet ohn Unterlaß, aber <hirendition="#fr">bettet ohn Unterlaß</hi><noteplace="foot"n="a">1 <hirendition="#aq">Theſl. V.</hi> 17.</note>. Erklaͤret die<lb/>
Worte Pauli, wie ihr wollet, der ſeelige Lutherus hat ſie mit vor-<lb/>
trefflicher Frucht und Segen practicirt: Allein es iſt kein ſo leicht und<lb/>
gering Ding, JEſum als das Buch des Lebens wiſſen zu gebrauchen<lb/>
und weißlich, goͤttlich mit umzugehen; Hierzu hilfft keine Brill der<lb/>
Commentarien und Auslegungen, ſintemahl die Seel nicht nur et-<lb/>
wann ein bloͤd Geſicht hat, ſondern ſtar blind iſt am Reich GOttes,<lb/>
dannenher bequemt ſich die wundergierige Natur ehender Chymiſche,<lb/>
Mathematiſche, Syriſche, Arabiſche Buͤcher zu leſen; als JEſum<lb/>
den Gecreutzigten im Licht des heiligen Geiſtes als dem uͤbernatuͤrli-<lb/>
chen Gnaden-Licht mit neu geſchaffenen Augen des Glaubens anzu-<lb/>ſchauen, welche von GOtt zu erbitten man allzufaul iſt. Derowe-<lb/>
gen laſſet man JEſum das Buch des Lebens in den Schrancken der<lb/>
ewigen Majeſtaͤt ſtehen, weilen man nicht darinn leſen kan, und han-<lb/>
delt unterdeſſen alle andere Buͤcher an ſich; wie mir dann ein Gelehr-<lb/>
ter bekennt hat, er habe mehr als 5000. Buͤcher geleſen und ſehe erſt<lb/>
jetzt, daß er nichts wiſſe; Ach haͤtte er ſich um JEſum bekuͤmmert,<lb/>
dieſes edle Lebens-Buch an ſich erhandlet, und nur ein Blat darinn<lb/>
geleſen, ſo haͤtte er mit David koͤnnen ſagen, <hirendition="#fr">ich bin gelehrter<lb/>
worden dann alle meine Lehrer</hi><noteplace="foot"n="b"><hirendition="#aq">Pſal. CXIX.</hi> 99.</note>.</p><lb/><p>Mancher Studioſus kaufft ſich wohl viele tauſend Meinungen,<lb/>
Warheiten und Hirnbilder auf Schulen und Univerſitaͤten, auch aus<lb/>
denen durchloͤcherten Ciſternen der Buͤcher und Schrifften, wann<lb/>
aber das boͤſe Stuͤndlein kommt, ſo ſinds leere Muſchlen aus dem<lb/>
todten Meer der kranckmachenden Vernunfft, ſamt einem unleiden-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">P p p p p 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">lichen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[853/0949]
uͤber die himmliſche Perle.
die Gelehrten und die ſtudierende Jugend nach dir ſchnappen; Da
aber dein ſteter Umgang und innige Bekanntſchafft tieffe, engliſche
Weißheit der Seelen beybringet, wie Joſeph, Samuel und Da-
niel erfahren, ſo bekuͤmmert ſich die Vernunffts-gelehrte Welt we-
nig um dich! O ihr Wiſſens-Begierige! Warum ſeyd ihr doch nicht
begierig und curios nach dem, was die Engel zu ſtudieren geluſtet:
Ach wann kommt doch die ſeelige Stund vor euch, daß ihr den GOtt
der Herrlichkeit um erleuchtete Augen unablaͤßig bittet, JEſum zu
ſehen und zu kennen in ſeinen Wegen und Wercken; Es heißt je nicht,
leſet ohn Unterlaß, aber bettet ohn Unterlaß a. Erklaͤret die
Worte Pauli, wie ihr wollet, der ſeelige Lutherus hat ſie mit vor-
trefflicher Frucht und Segen practicirt: Allein es iſt kein ſo leicht und
gering Ding, JEſum als das Buch des Lebens wiſſen zu gebrauchen
und weißlich, goͤttlich mit umzugehen; Hierzu hilfft keine Brill der
Commentarien und Auslegungen, ſintemahl die Seel nicht nur et-
wann ein bloͤd Geſicht hat, ſondern ſtar blind iſt am Reich GOttes,
dannenher bequemt ſich die wundergierige Natur ehender Chymiſche,
Mathematiſche, Syriſche, Arabiſche Buͤcher zu leſen; als JEſum
den Gecreutzigten im Licht des heiligen Geiſtes als dem uͤbernatuͤrli-
chen Gnaden-Licht mit neu geſchaffenen Augen des Glaubens anzu-
ſchauen, welche von GOtt zu erbitten man allzufaul iſt. Derowe-
gen laſſet man JEſum das Buch des Lebens in den Schrancken der
ewigen Majeſtaͤt ſtehen, weilen man nicht darinn leſen kan, und han-
delt unterdeſſen alle andere Buͤcher an ſich; wie mir dann ein Gelehr-
ter bekennt hat, er habe mehr als 5000. Buͤcher geleſen und ſehe erſt
jetzt, daß er nichts wiſſe; Ach haͤtte er ſich um JEſum bekuͤmmert,
dieſes edle Lebens-Buch an ſich erhandlet, und nur ein Blat darinn
geleſen, ſo haͤtte er mit David koͤnnen ſagen, ich bin gelehrter
worden dann alle meine Lehrer b.
Mancher Studioſus kaufft ſich wohl viele tauſend Meinungen,
Warheiten und Hirnbilder auf Schulen und Univerſitaͤten, auch aus
denen durchloͤcherten Ciſternen der Buͤcher und Schrifften, wann
aber das boͤſe Stuͤndlein kommt, ſo ſinds leere Muſchlen aus dem
todten Meer der kranckmachenden Vernunfft, ſamt einem unleiden-
lichen
a 1 Theſl. V. 17.
b Pſal. CXIX. 99.
P p p p p 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 853. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/949>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.