§. 2. Das mercket unser liebe Kauffmann wohl und wollte gernund ver- wahret sich durchs Gebett, an anderer Leuten Schaden klug werden, und förchtet sich um so viel desto mehr, weilen ein jeder recht gesinnter, demüthiger Mensch davor hält, es seye niemand je gewesen der ein so verderbt Hertz ha- be, als wie er, darum darff er sich nicht auf sich selbst oder einiche empfangene Gnad und gute Disposition verlassen, sondern übergibt seinen Willen seiner theuren Perl zu bewahren über, und rufft an einander: Ach HErr Christe hilff aus dieser Stund! Ach lieber himmlischer Vatter führe uns nicht in Versuchung! Ach erlöse uns doch! Sonderlich wann er an gefährliche Oerter, das ist, in solche Umstände und Anfechtungen hinein kommt, allwo der eint und andere Handelsmann rein ausgeplündert und tödtlich verwundet worden, da flieget mancher ängstlicher Seuff- tzer aus zu GOtt, daß er beystehe im bösen Stündlein.
§. 3. Und damit fahrt er heim aus dem fremden Land, esso kom- met er im- mer nähet gegen Hauß. verschwindt ihm ein Flecken, Stadt und Landschafft nach dem an- deren aus den Augen; Er vergisset nach und nach alles, was seine Gedancken im Babylonischen Land ergetzte oder plagte, der Men- schen loben oder schelten, haben oder darben, Hoheit und Nidrig- keit; er rechnet nur alles von der Weite und Nähe seiner seeligen, erwünschten Heimat, der ewigen Sicherheit; ein raucher, ungebahn- ter Hügel ist ihm von deßwegen lieber als eine schöne Wiesen, weil er etliche Stund näher ligt bey seinem Heimat; Also ist unserem geist- lichen Handelsmann, Creutz, Angst, Schmertzen, Kranckheit, Bangig- keit, Verfolgung eben von deßwegen angenehmer als alle gute Tage, weilen es ihne näher bringt dem gelobten Land der ewigen Ruhe in GOttes Schooß; O welch eine Freud ists unserm Kauffmann, wann er die gläntzende Thürne seiner Mutter Stadt erblickt, da er seiner erhandleten Waare in stoltzem Friede ewig geniessen soll, er achtets nicht, ob er schon im Koth stampfen müßte biß an die Waden.
§. 4. Jndessen sucht er bereits auf der Heimreise so viel darauf zuProfitirt unter Wegs, so gut mög- lich, gewinnen, als er kan; Ach wer JEsum wohl wüßte zu gebrauchen, wie viel Gutes, Heiliges, Ruhebringendes könnte er schon auf sei- ner Pilgerfahrt von ihm haben; Je mehr man diese Perl anschauet und sich darob erfreuet, je schöner, grösser, vollkommener sie wird,
und
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uͤber die himmliſche Perle.
§. 2. Das mercket unſer liebe Kauffmann wohl und wollte gernund ver- wahret ſich duꝛchs Gebett, an anderer Leuten Schaden klug werden, und foͤrchtet ſich um ſo viel deſto mehr, weilen ein jeder recht geſinnter, demuͤthiger Menſch davor haͤlt, es ſeye niemand je geweſen der ein ſo verderbt Hertz ha- be, als wie er, darum darff er ſich nicht auf ſich ſelbſt oder einiche empfangene Gnad und gute Diſpoſition verlaſſen, ſondern uͤbergibt ſeinen Willen ſeiner theuren Perl zu bewahren uͤber, und rufft an einander: Ach HErr Chriſte hilff aus dieſer Stund! Ach lieber himmliſcher Vatter fuͤhre uns nicht in Verſuchung! Ach erloͤſe uns doch! Sonderlich wann er an gefaͤhrliche Oerter, das iſt, in ſolche Umſtaͤnde und Anfechtungen hinein kommt, allwo der eint und andere Handelsmann rein ausgepluͤndert und toͤdtlich verwundet worden, da flieget mancher aͤngſtlicher Seuff- tzer aus zu GOtt, daß er beyſtehe im boͤſen Stuͤndlein.
§. 3. Und damit fahrt er heim aus dem fremden Land, esſo kom- met er im- mer naͤhet gegen Hauß. verſchwindt ihm ein Flecken, Stadt und Landſchafft nach dem an- deren aus den Augen; Er vergiſſet nach und nach alles, was ſeine Gedancken im Babyloniſchen Land ergetzte oder plagte, der Men- ſchen loben oder ſchelten, haben oder darben, Hoheit und Nidrig- keit; er rechnet nur alles von der Weite und Naͤhe ſeiner ſeeligen, erwuͤnſchten Heimat, der ewigen Sicherheit; ein raucher, ungebahn- ter Huͤgel iſt ihm von deßwegen lieber als eine ſchoͤne Wieſen, weil er etliche Stund naͤher ligt bey ſeinem Heimat; Alſo iſt unſerem geiſt- lichen Handelsmann, Creutz, Angſt, Schmertzen, Kranckheit, Bangig- keit, Verfolgung eben von deßwegen angenehmer als alle gute Tage, weilen es ihne naͤher bringt dem gelobten Land der ewigen Ruhe in GOttes Schooß; O welch eine Freud iſts unſerm Kauffmann, wann er die glaͤntzende Thuͤrne ſeiner Mutter Stadt erblickt, da er ſeiner erhandleten Waare in ſtoltzem Friede ewig genieſſen ſoll, er achtets nicht, ob er ſchon im Koth ſtampfen muͤßte biß an die Waden.
§. 4. Jndeſſen ſucht er bereits auf der Heimreiſe ſo viel darauf zuProfitirt unter Wegs, ſo gut moͤg- lich, gewinnen, als er kan; Ach wer JEſum wohl wuͤßte zu gebrauchen, wie viel Gutes, Heiliges, Ruhebringendes koͤnnte er ſchon auf ſei- ner Pilgerfahrt von ihm haben; Je mehr man dieſe Perl anſchauet und ſich darob erfreuet, je ſchoͤner, groͤſſer, vollkommener ſie wird,
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uͤber die himmliſche Perle.
§. 2. Das mercket unſer liebe Kauffmann wohl und wollte gern
an anderer Leuten Schaden klug werden, und foͤrchtet ſich um ſo
viel deſto mehr, weilen ein jeder recht geſinnter, demuͤthiger Menſch
davor haͤlt, es ſeye niemand je geweſen der ein ſo verderbt Hertz ha-
be, als wie er, darum darff er ſich nicht auf ſich ſelbſt oder einiche
empfangene Gnad und gute Diſpoſition verlaſſen, ſondern uͤbergibt
ſeinen Willen ſeiner theuren Perl zu bewahren uͤber, und rufft an
einander: Ach HErr Chriſte hilff aus dieſer Stund!
Ach lieber himmliſcher Vatter fuͤhre uns nicht in
Verſuchung! Ach erloͤſe uns doch! Sonderlich wann er an
gefaͤhrliche Oerter, das iſt, in ſolche Umſtaͤnde und Anfechtungen hinein
kommt, allwo der eint und andere Handelsmann rein ausgepluͤndert
und toͤdtlich verwundet worden, da flieget mancher aͤngſtlicher Seuff-
tzer aus zu GOtt, daß er beyſtehe im boͤſen Stuͤndlein.
und ver-
wahret
ſich duꝛchs
Gebett,
§. 3. Und damit fahrt er heim aus dem fremden Land, es
verſchwindt ihm ein Flecken, Stadt und Landſchafft nach dem an-
deren aus den Augen; Er vergiſſet nach und nach alles, was ſeine
Gedancken im Babyloniſchen Land ergetzte oder plagte, der Men-
ſchen loben oder ſchelten, haben oder darben, Hoheit und Nidrig-
keit; er rechnet nur alles von der Weite und Naͤhe ſeiner ſeeligen,
erwuͤnſchten Heimat, der ewigen Sicherheit; ein raucher, ungebahn-
ter Huͤgel iſt ihm von deßwegen lieber als eine ſchoͤne Wieſen, weil
er etliche Stund naͤher ligt bey ſeinem Heimat; Alſo iſt unſerem geiſt-
lichen Handelsmann, Creutz, Angſt, Schmertzen, Kranckheit, Bangig-
keit, Verfolgung eben von deßwegen angenehmer als alle gute Tage,
weilen es ihne naͤher bringt dem gelobten Land der ewigen Ruhe in
GOttes Schooß; O welch eine Freud iſts unſerm Kauffmann,
wann er die glaͤntzende Thuͤrne ſeiner Mutter Stadt erblickt, da er
ſeiner erhandleten Waare in ſtoltzem Friede ewig genieſſen ſoll, er
achtets nicht, ob er ſchon im Koth ſtampfen muͤßte biß an die
Waden.
ſo kom-
met er im-
mer naͤhet
gegen
Hauß.
§. 4. Jndeſſen ſucht er bereits auf der Heimreiſe ſo viel darauf zu
gewinnen, als er kan; Ach wer JEſum wohl wuͤßte zu gebrauchen,
wie viel Gutes, Heiliges, Ruhebringendes koͤnnte er ſchon auf ſei-
ner Pilgerfahrt von ihm haben; Je mehr man dieſe Perl anſchauet
und ſich darob erfreuet, je ſchoͤner, groͤſſer, vollkommener ſie wird,
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Profitirt
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Wegs, ſo
gut moͤg-
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 825. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/921>, abgerufen am 23.11.2024.
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