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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Der unter den Stech-Disteln
Mit ein-
ander zu
betten.

§. 10. Sind eure Seelen warlich Tempel des Heiligen Geistes
der Liebe, so werdet ihr auch mit einander mit Freuden betten;
was möchte aber allen Teuflen schröcklichers, und dem Reich der
Finsterniß nachtheiligers begegnen, als solche aus einem vereinig-
ten Liebes-Geist ausgeschüttete Gebetter?

O möchten doch die Zions-Bürger
Getreulich bey einander steh'n:
Wie wird man doch den Menschen-
Würger
Zur Höllen abwärts sincken seh'n!
Wie wurd das Höllen-Haus erbeben,
Und Christi Reich erneuert leben!
Einem sei-
ne an sich
habende
Fehler in
der Liebe
anzuzei-
gen.

§. 11. Jst eure Liebe vor JEsum und die Brüder rechtschaffen
rein und heilig, ohne Eigen-Gesuch und Falschheit in der Lauter-
keit GOttes, so werdet ihr dieses hohe, ungemeine Freund-Stück,
gegen einander beweisen, daß ihr einander freymüthig die Fehler
anzeiget, und der Bestraffte es annehme als köstlich Oel: Seyd
ihr aus dem liebreichen Hertzen JESU neu gebohren, so werdet
ihr zu dem gefallenen Bruder in Staub und Aschen nidersitzen, und
ihme über seinen Sünden-Fall helffen weinen, und wann es gar zu
übel gegangen, ihn Christo vor die Füß werffen.

Daß aber dieses nicht geschiehet, kommt daher, weil es am rech-
ten Grund fehlet; der arme Mensch liebet Christi Herrlichkeit
nicht, wie es seyn soll, sonst möchte er an keinem seiner Garten-
Gewächsen und edlen Blumen einiges Unziefer leiden; er denckt
auch nicht, daß Lieben seeliger sey als geliebet werden, sonst wäre
er nicht so sorgfältig sich niemand ungünstig zu machen: Darum
ist diß vor keine Gemeinschafft der Heiligen zu halten, sondern vor
eine eigennützige, selbssuchige Freundschafft, wie die Welt auch
hat. Wann das Queck-Silber schmutzig ist, können sich die zer-
theilte Stücker nicht mit einander vereinbahren; wann es aber sau-

ber
Der unter den Stech-Diſteln
Mit ein-
ander zu
betten.

§. 10. Sind eure Seelen warlich Tempel des Heiligen Geiſtes
der Liebe, ſo werdet ihr auch mit einander mit Freuden betten;
was moͤchte aber allen Teuflen ſchroͤcklichers, und dem Reich der
Finſterniß nachtheiligers begegnen, als ſolche aus einem vereinig-
ten Liebes-Geiſt ausgeſchuͤttete Gebetter?

O moͤchten doch die Zions-Buͤrger
Getreulich bey einander ſteh’n:
Wie wird man doch den Menſchen-
Wuͤrger
Zur Hoͤllen abwaͤrts ſincken ſeh’n!
Wie wurd das Hoͤllen-Haus erbeben,
Und Chriſti Reich erneuert leben!
Einem ſei-
ne an ſich
habende
Fehler in
der Liebe
anzuzei-
gen.

§. 11. Jſt eure Liebe vor JEſum und die Bruͤder rechtſchaffen
rein und heilig, ohne Eigen-Geſuch und Falſchheit in der Lauter-
keit GOttes, ſo werdet ihr dieſes hohe, ungemeine Freund-Stuͤck,
gegen einander beweiſen, daß ihr einander freymuͤthig die Fehler
anzeiget, und der Beſtraffte es annehme als koͤſtlich Oel: Seyd
ihr aus dem liebreichen Hertzen JESU neu gebohren, ſo werdet
ihr zu dem gefallenen Bruder in Staub und Aſchen niderſitzen, und
ihme uͤber ſeinen Suͤnden-Fall helffen weinen, und wann es gar zu
uͤbel gegangen, ihn Chriſto vor die Fuͤß werffen.

Daß aber dieſes nicht geſchiehet, kommt daher, weil es am rech-
ten Grund fehlet; der arme Menſch liebet Chriſti Herrlichkeit
nicht, wie es ſeyn ſoll, ſonſt moͤchte er an keinem ſeiner Garten-
Gewaͤchſen und edlen Blumen einiges Unziefer leiden; er denckt
auch nicht, daß Lieben ſeeliger ſey als geliebet werden, ſonſt waͤre
er nicht ſo ſorgfaͤltig ſich niemand unguͤnſtig zu machen: Darum
iſt diß vor keine Gemeinſchafft der Heiligen zu halten, ſondern vor
eine eigennuͤtzige, ſelbsſuchige Freundſchafft, wie die Welt auch
hat. Wann das Queck-Silber ſchmutzig iſt, koͤnnen ſich die zer-
theilte Stuͤcker nicht mit einander vereinbahren; wann es aber ſau-

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[758/0854] Der unter den Stech-Diſteln §. 10. Sind eure Seelen warlich Tempel des Heiligen Geiſtes der Liebe, ſo werdet ihr auch mit einander mit Freuden betten; was moͤchte aber allen Teuflen ſchroͤcklichers, und dem Reich der Finſterniß nachtheiligers begegnen, als ſolche aus einem vereinig- ten Liebes-Geiſt ausgeſchuͤttete Gebetter? O moͤchten doch die Zions-Buͤrger Getreulich bey einander ſteh’n: Wie wird man doch den Menſchen- Wuͤrger Zur Hoͤllen abwaͤrts ſincken ſeh’n! Wie wurd das Hoͤllen-Haus erbeben, Und Chriſti Reich erneuert leben! §. 11. Jſt eure Liebe vor JEſum und die Bruͤder rechtſchaffen rein und heilig, ohne Eigen-Geſuch und Falſchheit in der Lauter- keit GOttes, ſo werdet ihr dieſes hohe, ungemeine Freund-Stuͤck, gegen einander beweiſen, daß ihr einander freymuͤthig die Fehler anzeiget, und der Beſtraffte es annehme als koͤſtlich Oel: Seyd ihr aus dem liebreichen Hertzen JESU neu gebohren, ſo werdet ihr zu dem gefallenen Bruder in Staub und Aſchen niderſitzen, und ihme uͤber ſeinen Suͤnden-Fall helffen weinen, und wann es gar zu uͤbel gegangen, ihn Chriſto vor die Fuͤß werffen. Daß aber dieſes nicht geſchiehet, kommt daher, weil es am rech- ten Grund fehlet; der arme Menſch liebet Chriſti Herrlichkeit nicht, wie es ſeyn ſoll, ſonſt moͤchte er an keinem ſeiner Garten- Gewaͤchſen und edlen Blumen einiges Unziefer leiden; er denckt auch nicht, daß Lieben ſeeliger ſey als geliebet werden, ſonſt waͤre er nicht ſo ſorgfaͤltig ſich niemand unguͤnſtig zu machen: Darum iſt diß vor keine Gemeinſchafft der Heiligen zu halten, ſondern vor eine eigennuͤtzige, ſelbsſuchige Freundſchafft, wie die Welt auch hat. Wann das Queck-Silber ſchmutzig iſt, koͤnnen ſich die zer- theilte Stuͤcker nicht mit einander vereinbahren; wann es aber ſau- ber

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 758. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/854>, abgerufen am 23.11.2024.